Aichinger, Hermann d. Ä. (1885–1962), Architekt

Aichinger Hermann d. Ä., Architekt. Geb. Vöcklabruck (Oberösterreich), 14. 5. 1885; gest. Wien, 28. 6. 1962; röm.-kath. Sohn des Baumeisters Franz Aichinger, Vater von Dipl. Ing. Hermann Aichinger d. J. (s. unten). – Nach der Matura an der Staatsgewerbeschule in Wien (1904) studierte A. 1907–10 Architektur an der Akademie der bildenden Künste bei Otto Wagner, bereits 1912 machte er sich in Gemeinschaft mit seinem Studienkollegen Heinrich Schmid selbstständig. Nach ersten großen Projekten, wie der Gartensiedlung „Ostmark“ in Wien-Hietzing (1912–13) in einem zeitgemäß adaptierten Heimatstil und dem Erzherzog Rainer-Spital in Wien-Penzing (1914, jetzt Hanusch-Krankenhaus), konnten sie ihre Arbeit nach dem 1. Weltkrieg insbesondere mit dem exemplarischen Bau des Österreichischen Verkehrsbüros (1922–23, Wien 1) fortsetzen, das in seiner starken Farbigkeit einem romantischen Expressionismus verpflichtet war. In den folgenden Jahren gehörte die Bürogemeinschaft zu den meistbeschäftigten Architektenteams des „Roten Wien“. Ihre Wohnhausanlagen (u. a. Reismann-Hof, 1924–25, Wien 12; Julius Popp-Hof, 1925–26, Wien 5; Rabenhof, 1925–28, Wien 3, und Somogyi-Hof, 1927–29, Wien 14) hoben sich mit ihrer unregelmäßigen, oft kurvilinearen Situierung vom pathetischen Stil anderer Wagner-Schüler ab. Daneben errichteten sie noch zahlreiche Villen, Krankenhäuser und Fabriksanlagen. In den späten 1930er-Jahren fanden sie zu einer sachlich funktionalistischen Formensprache, die bei den sogenannten Assanierungsbauten des „Ständestaats“ (z. B. Wohn- und Geschäftshaus „Zum Römertor“, 1934–35, Wien 1) und beim RAVAG-Gebäude (1935–38, Wien 4, gemeinsam mit Clemens Holzmeister) ihren Niederschlag fand. Während des 2. Weltkriegs mit dem Ausbau mehrerer großer Industrieanlagen befasst, war Baurat h. c. A. noch bis in die 1950er-Jahre tätig, ab 1946 in Zusammenarbeit mit seinem Sohn und ab 1949 mit Heinrich Schmid d. J. A. war Mitglied zahlreicher Vereinigungen, so ab 1913 der Zentralvereinigung der Architekten Österreichs und ab 1926 der Ingenieur- und Architektenkammer Wien. Sein Sohn Hermann Aichinger d. J. (geb. Rodaun, Niederösterreich/Wien, 19. 8. 1917; gest. Wien, 19. 11. 1965) studierte 1936–47 (mit Unterbrechung 1941–46) an der TH in Wien und trat anschließend in das Büro seines Vaters ein. Zu seinen größten Projekten zählen der Wiederaufbau von Teilen des Hauptgebäudes der Universität Wien, Gemeindebauten in Wien-Jedlesee, Wohn- und Geschäftshäuser sowie Industriebauten. Nach dem Tod des Vaters stellte er das Krebsforschungsinstitut in Wien Alsergrund fertig.

Weitere W. (s. auch Architektenlexikon): Verwaltungsgebäude der Elin-Werke, 1917–18 (Weiz); Lederfabrik Adler, 1920 (Wels); Institut Zeileis, 1929 (Gallspach); Krankenhaus Vöcklabruck, 1932; Büro-Geschäftshaus „Bärenmühle“, 1937–38 (Wien 4); Ausbau der Böhlerwerke, 1940–44 (Kapfenberg); Ybbstalwerke, 1940–44 (Waidhofen an der Ybbs); etc. – Publ.: Entwürfe und ausgeführte Bauten, 1931 (gem. m. H. Schmid); etc.
L. (meist auch für Hermann A. d. J.): AKL; Czeike; ÖKL; Vollmer; Wiener Bauindustrie Zeitung 33, 1916, S. 1–4; Wer ist Wer in Österreich, 1951; H. Hautmann – R. Hautmann, Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919–1934, 1980, s. Reg., bes. S. 483; F. Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert 1–3/1–3, 1981–2010, s. Reg.; Kunst und Diktatur. Architektur, Bildhauerei und Malerei … 1922–1956, ed. J. Tabor, 1, Wien 1994, s. Reg. (Kat.); G. Weissenbacher, In Hietzing gebaut 2, 1998, s. Reg.; H. Weihsmann, Bauen unterm Hakenkreuz, 1998, s. Reg.; ders., Das Rote Wien, 2. überarbeitete Aufl. 2002, s. Reg.; ders., In Wien erbaut, 2005; Architektenlexikon Wien 1880–1945, http://www.architektenlexikon.at/de/5.htm (m. W. u. L., nur online, Zugriff 5. 5. 2010); Akademie der bildenden Künste, MA 35, beide Wien.
(U. Prokop)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)