Albert, Eduard; Ps. E. Podhorský, E. Pohorský (1841–1900), Mediziner, Schriftsteller und Übersetzer

Albert Eduard, Ps. E. Podhorský, E. Pohorský, Mediziner, Schriftsteller und Übersetzer. Geb. Senftenberg, Böhmen (Žamberk, CZ), 20. 1. 1841; gest. ebd., 26. 9. 1900 (ab 1901 Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof). Sohn eines Uhrmachers und patriotisch gesinnten Theaterliebhabers und der Schneiderstochter Katharina Albert, geb. Zdobnická, Bruder von →František Albert und der Schriftstellerin Terezie Albert, verheiratete Svatová (1858–1940); ab 1868 mit Marie Albert, geb. Pietsch (1845–1924), verheiratet. – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Königgrätz (1853), Reichenau an der Kněžna (ab 1854) und neuerlich in Königgrätz (ab 1857), wo er 1861 maturierte, studierte A. Medizin an der Universität Wien, u. a. bei →Josef Hyrtl, →Johann Dumreicher von Österreicher und →Salomon Stricker; 1867 Dr. med. Danach kurzfristig als Sekundararzt im Wiedner Spital tätig, war A. 1869–73 zunächst Operationszögling, dann Assistent an der chirurgischen Universitätsklinik bei Dumreicher. 1872 in Wien für Chirurgie habilitiert, folgte er 1873 einem Ruf als Ordinarius für Chirurgie an die Universität Innsbruck; 1876/77 und 1879/80 Dekan. 1880 bewarb er sich erfolglos um eine Anstellung an der neu errichteten Prager tschechischen medizinischen Fakultät. 1881 wurde er zum o. Professor der praktischen Chirurgie an der Universität Wien und Vorstand der I. chirurgischen Klinik ernannt. A. wandte sich zunächst, von Stricker beeinflusst, der allgemeinen und experimentellen Pathologie zu und befasste sich u. a. mit der Wärmeökonomie des Herzens und der Lunge sowie mit dem Hirndruck. In späteren Jahren interessierte er sich besonders für Gelenksmechanik sowie Knochenarchitektur und galt als Pionier der Orthopädie. Als begnadetem Operateur gelangen ihm u. a. die erste Nerventransplantation am Menschen (1876), die erste Strumaektomie sowie die erste Nephrektomie in der Monarchie. Weiters förderte er die Entwicklung der Amputationstechnik sowie der Magen-Darm-Chirurgie. Darüber hinaus führte er die Lister’sche Karbolantiseptik ein. A., der →Eduard Graf Taaffe sowie mehrere Mitglieder des Kaiserhauses zu seinen Patienten zählte, prägte eine ganze Studentengeneration, darunter →Julius von Hochenegg, →Adolf Lorenz und →Emerich Ullmann. Hervorzuheben sind seine mehrfach aufgelegten bahnbrechenden Werke „Diagnostik der chirurgischen Krankheiten in zwanzig Vorlesungen“ (1876, 3. Aufl. 1885) und „Lehrbuch der Chirurgie und Operationslehre“ (4 Bde., 1877–80, 4. Aufl. 1890–91, Reprint 2013–16). A., der in Wien Kontakte zur tschechischen Minderheit (u. a. →Alois Šembera), zu tschechischen Wissenschaftlern (→Jan Gebauer, →Jaroslav Goll), deren Gönner er auch war, Politikern (u. a. →Josef Kaizl, →Thomas Masaryk) und Künstlern (u. a. →Ervín Špindler) pflegte und für eine deutsch-tschechische Verständigung eintrat, kandidierte für die Reichsratswahl 1879, zog seine Kandidatur aber aufgrund von Intrigen wieder zurück. 1895 wurde er Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit. A. machte sich auch als Dichter, Literaturhistoriker und Übersetzer von tschechischer Literatur einen Namen. Er beschäftigte sich mit Kulturvermittlung im Sinne einer kulturellen Annäherung in einer Zeit wachsenden Nationalismus, wobei er sich vorwiegend an die deutschsprachige Bevölkerung der Monarchie wandte. Seine Übersetzungen wurden zunächst in Zeitschriften („An der Schönen Blauen Donau. Unterhaltungsblatt für die Familie“) veröffentlicht; v. a. setzte er sich für das Werk seines langjährigen Freunds Jaroslav Vrchlický (→Emil Frida) ein, über den er auch wiederholt in Wiener Tageszeitungen schrieb (u. a. „Die Presse“). Allmählich erweiterte er sein Interesse auf die gesamte tschechische Poesie: „Poesie aus Böhmen“ (1893) enthält Übersetzungen von mittelalterlichen Texten, Literatur des Barock sowie des Biedermeier und Dichtung der Romantik, u. a. von →František Ladislav Čelakovský, →Ján Kollár oder →Karel Hynek Mácha, bis hin zur Literatur der sogenannten Máj-Bewegung der 1860er-Jahre (→Jan Neruda, →Vítězslav Hálek), eingeleitet mit einer Studie zur tschechischen Literaturgeschichte und zu internationalen Wechselbeziehungen, die sowohl thematisch als auch sprachlich A.s eher konservativen Geschmack aufzeigt. Weitere Bände seiner repräsentativen Sammlung erschienen in der Folge auf seine eigenen Kosten. „Neuere Poesie aus Böhmen“ (1893) enthält Übersetzungen aus dem umfangreichen Werk Vrchlickýs. Der erste Teil der „Neuesten Poesie aus Böhmen“ (1895) beinhaltet Gedichte der sogenannten internationalen Schule (→Emanuel Stehlik von Čenkow und Treustätt, Bohdan Kaminský, →Antonín Klášterský, →Jaroslav Kvapil, →Antonín Sova, Julius Zeyer u. a.), der zweite nationale Thematik (→Svatopluk Čech, Adolf Heyduk, →Josef Václav Sládek usw.) sowie einige Volkslieder. Der letzte Band „Lyrisches und Verwandtes aus der böhmischen Literatur ins Deutsche übersetzt“ (1900) ist der modernen Literatur gewidmet (→Otokar Březina, →Josef Svatopluk Machar). A.s Sammlung, schon bei Erscheinen besonders von jüngeren Literaten, auch wegen ihrer sprachlichen Mängel, kritisiert, ist dennoch in der Rezeptionsgeschichte (nicht nur) der tschechischen Literatur von Bedeutung, zumal er Autoren wie →Friedrich Adler, Wenzel Ernst, Eduard Fechtner, Zdenko Fux Jelenský, Otilie Malybrook-Stieler, Gustav Pawikowsky und →Jan Řehák für Beiträge gewinnen konnte. A. schrieb selbst reflexive, intellektuell ausgerichtete Gedichte und Sprüche mit Themen aus der Natur; einige erschienen 1900 unter Pseudonym in der Zeitschrift „Česká revue“ und wurden posthum von Vrchlický in Buchform veröffentlicht („Na zemi a na nebi“, 1900). Weiters ist er Autor mehrerer kulturgeschichtlicher Aufsätze über seine engere Heimat („Památky po bratřích českých v Žamberce“, in: Časopis musea království českého 64, 1890; „Památky po bratřích českých v Kunvaldě“, ebd.; „Tvrz ve Slatině u Žamberka“, in: Památky archaeologické a místopisné 5, 1890; „Primátorové žamberečtí“, ebd., 1892). A., Mitglied zahlreicher internationaler medizinischer Fachgesellschaften, war u. a. ab 1871 Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien, ab 1888 der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina sowie 1890 Gründungsmitglied der Böhmischen Kaiser Franz Joseph-Akademie der Wissenschaften, Literatur und Kunst in Prag. Neben zahlreichen ausländischen Orden erhielt er 1892 das Ritterkreuz des Leopold-Ordens und 1897 das Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens mit dem Stern; Oberster Sanitätsrat, 1888 Hofrat.

Weitere W.: s. Kreuter; LČL; Kokešová, 2004. – Teilnachlässe: Literární archiv PNP, Praha, Státní okresní archiv v Ústí nad Orlicí, Městské muzeum Žamberk, alle CZ.
L.: Národní listy, Wiener Abendpost, Prager Abendblatt, 26., Národní listy, Neues Wiener Journal, NFP, WZ, 27., NFP, WZ (beide Parten), 28., Národní listy, 29. 9., Lidové noviny, 5., 16. 10. 1900; Kreuter (mit W.); LČL (mit W.); Lesky, s. Reg. (mit Bild); NDB; Otto; Pagel (mit Bild); A. Lorenz, in: WKW 13, 1900, S. 895ff.; F. Müller, ebd., S. 899ff.; J. Schnitzler, in: WMW 50, 1900, Sp. 1995ff.; J. Svítil-Kárník, E. A., život a dílo velikého Čecha, 1941; A. Jirásek, E. A., 2. erweiterte Aufl. 1946; L. Schönbauer, Das Medizinische Wien, 1947, s. Reg. (mit Bild); Hundert Jahre Medizinische Fakulät Innsbruck 1869 bis 1969, ed. F. Huter, 1969, s. Reg.; F. Pírkovi – V. Pírkovi, E. A., 2000 (mit Bild); H. Kokešová, E. A. Příspěvek k životopisu a edice korespondence, 2004 (mit Bild und W.); Biografický slovník českých zemí 5, 2008; L. Kostrbová, in: Stifter Jahrbuch 23, 2009, S. 51ff.; H. Kokešová, E. A., 2014 (mit Bild); UA, Wien (mit Bild).
(D. Angetter – V. Petrbok)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 12
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