Atzwanger, Hugo (1883–1960), Maler, Graphiker, Photograph und Volkskundler

Atzwanger Hugo, Maler, Graphiker, Photograph und Volkskundler. Geb. Feldkirch (Vorarlberg), 19. 2. 1883; gest. Bolzano/Bozen (I), 12. 6. 1960; röm.-kath. Sohn des k. k. Finanzkommissärs Johann Atzwanger und von Rosa Atzwanger, geb. Hammer, der Schwester des Kunsthistorikers Heinrich Hammer, Bruder von →Peter Paul Atzwanger; ab 1942 verheiratet mit Rosa Schwänninger. – A. setzte seine in Feldkirch begonnene Schulausbildung in Brixen/Bressanone fort und studierte nach der Matura (1903) an der Akademie der Bildenden Künste in München (1904–07), vor allem bei Wilhelm von Diez und Gabriel von Hackl. Während seiner Studienzeit unternahm A. viele Wanderungen durch Südtirols Täler (öfter durch das Eisacktal) und erhielt bereits erste Aufträge für Wandgemälde. Nach einem längeren Aufenthalt in Florenz und Rom 1908 wohnte er zeitweise wieder in München; wichtig wurden für ihn die Begegnungen mit Max Slevogt und Lovis Corinth 1911 in Berlin. Auf Vermittlung seiner ehemaligen Schulkollegen →Josef Garber und Josef Weingartner besuchte er 1913 einen Restaurationskurs an der Zentralkommission für Denkmalpflege in Wien und übernahm danach Restaurierungsarbeiten in verschiedenen Kirchen Südtirols, so in Töll (Tel), Tarsch (Tarres) und im Sarntal. Während des 1. Weltkriegs im Frontabschnitt Riva-Arco als Zensor eingesetzt, geriet er nach Kriegsende in italienische Gefangenschaft (bis Juli 1919). Obwohl A. die österreichische Staatsbürgerschaft besaß (die er zeitlebens behielt), entschied er sich für einen Verbleib in Südtirol und versuchte sich dort als Künstler neu zu positionieren. Erst durch die Bekanntschaft mit dem Bozner Architekten →Marius Amonn verbesserte sich seine wirtschaftliche Position: Er ließ sich dauerhaft in Bozen nieder und erhielt Aufträge für Wandgestaltungen in Villen, Gasthöfen und Sakralräumen, wobei er die Seccotechnik bei der Ausführung bevorzugte. Daneben fand A. bei der Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde „Der Schlern“ ein neues Betätigungsfeld. Dort erschienen Textbeiträge und unzählige seiner Zeichnungen mit Motiven seiner Südtiroler Wahlheimat (z. B. typische Bauernhöfe und Siedlungsformen), die er jedoch nicht nur in Graphiken, sondern auch auf über 30.000 Photographien festhielt. Wegen seines volkskundlichen Interesses war er 1940–43 Mitarbeiter jener „Kulturkommission“ des Ahnenerbes der SS, die die materielle und geistige Kultur der auswanderungswilligen Südtiroler ausführlich dokumentieren bzw. „retten“ sollte. A. dokumentierte in erster Linie historische Bausubstanz, vor allem alte Bauernhäuser. 1946 wurde er vom Amt für Landwirtschaft der Tiroler Landesregierung eingeladen, im Dorf Grins bei Landeck, dessen historische Bausubstanz durch einen Brand 1945 stark beschädigt worden war, den noch erhaltenen Sgraffito- und Freskenschmuck zeichnerisch und photographisch festzuhalten und zugleich Vorschläge für die künstlerische Fassadengestaltung der Neubauten zu machen (bis 1948). In den Sommermonaten der Jahre 1949–57 nahm er im Auftrag der Tiroler Landesregierung den Baubestand in Nord- und Osttiroler Tälern in rund 4.500 Photographien auf. 1954 wurde ihm der Professorentitel verliehen, 1959 das Goldene Ehrenzeichen des Landes Tirol. Doch primär verstand sich A. als Künstler, was sich auch in seinem Engagement bei der Gründung des Bozner Künstlerbundes (1923) und des Südtiroler Künstlerbundes (1946; ab 1956 Ehrenmitglied) manifestierte. Von seinen Photographien befinden sich rund 23.000 Aufnahmen im Südtiroler Landesmuseum für Volkskunde (Museo provinciale degli usi e costumi) in Dietenheim (Teodone), Zeichnungen und Aquarelle u. a. im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, im Tiroler Volkskunstmuseum und in Privatbesitz. Seine im „Schlern“ oder in anderen volkskundlichen Arbeiten publizierten Zeichnungen besitzen aufgrund ihrer Originaltreue vor allem dokumentarischen Wert.

W.: Um Etsch und Eisack. Wanderungen durch die Schönheit des Etschlandes, 1932.
N.: K. Th. Hoeninger, Prof. H. A., der Künstler und Mensch, in: Dolomiten, 15. 6. 1960; J. Ringler, in: Tiroler Tageszeitung, 14. 6. 1960; ders., in: Der Schlern 34, 1960, S. 206f.; G. Hohenauer, in: Ernte und Nachlese, 1967, S. 281f.
L.: AKL; Fuchs, Geburtsjgg.; Vollmer; J. Unterer, H. A. 1883–1960, 1981; H. A. 1883–1960, red. M. Frei, 2010 (m. L.); Ch. Gufler, in: Südtirol in Wort und Bild 54, 2010, H. 3, S. 22–25; Bauernhöfe in Südtirol. Bestandsaufnahmen 1940–1943, ed. H. Stampfer, 1ff., 1990ff.; C. Kraus, Zwischen den Zeiten. Malerei und Graphik in Tirol 1918–1945, 1999, passim; M. Frei, H. A. 1883–1960. Maler, Zeichner, Lichtbildner, Heimatkundler, 2010; http://www.atzwanger-schmachtenberger-bildarchive.studio-3b.com (Zugriff 23. 1. 2012).
(E. Hastaba)   
Zuletzt aktualisiert: 15.3.2013  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 2 (15.03.2013)