Baraga, Friedrich (Friderik, Frederic) Iränius (Irenej) (1797–1868), Missionar, Bischof, Sprachwissenschaftler und Ethnograph

Baraga Friedrich (Friderik, Frederic) Irenäus (Irenej), Missionar, Bischof, Sprachwissenschaftler und Ethnograph. Geb. Grafendorf, Krain (Knežja vas, SLO), 29. 6. 1797; gest. Marquette, MI (USA), 19. 1. 1868; röm.-kath. Viertes Kind des Gutsbesitzers und Postmeisters Johann(es) Nepomuk Baraga und von Katharina Baraga, geb. Jenčič, Bruder von Amalia Baraga und Antonia (Antonija) Baraga, ab 1824 verheiratete Gfn. von Höffern (geb. Grafendorf, 4. 2. 1803; gest. 21. 5. 1871). ‒ Nach dem Besuch des Gymnasiums in Laibach studierte B. 1815–21 Philosophie und Rechtswissenschaften an der Universität Wien (Stipendiat der Knaffelʼschen Stiftung). Dort stand er in Verbindung zu →Klemens Maria Hofbauer; 1821–24 besuchte er das Priesterseminar in Laibach, 1823 Priesterweihe. Als Kaplan in Krain tätig, verfasste B. ab 1826 theologische Texte in slowenischer Sprache. Als erster Missionar der 1829 gegründeten Leopoldinischen Stiftung war er von 1831 bis zu seinem Tod in der nordamerikanischen Region um die Großen Seen unter weißen Einwanderern und Indianern als Seelsorger tätig, zunächst in LʼArbre Croche (Harbor Springs, Michigan), daraufhin kurz in Grand Rapids, schließlich in La Pointe (Madeline Island im Oberen See, Wisconsin). Neben seiner slowenischen Muttersprache erlernte B. Deutsch, Französisch, Latein und Altgriechisch sowie in Nordamerika Englisch und die Sprachen der Ottawa- und Chippewa-Indianer. Er veröffentlichte zunächst religiöse Schriften in slowenischer Sprache (z. B. „Duſhna paſha sa kriſtjane ...“, 1830, 9. Auflage 1886, bearbeitete Neuauflage 1905). Bereits ein Jahr nach seiner Ankunft in Amerika (1832) veröffentlichte er in der Sprache der Ottawa-Indianer ein Gebetbuch, ein weiteres 1837 auf Ojibwe. Von der Kultur der Indianer handelt B.s 1837 erschienene Monographie „Geschichte, Character, Sitten und Gebräuche der nord-amerikanischen Indier“, in der auch die Geschichte von Pocahontas Erwähnung findet (slowenische Teilübersetzung 1837 als „Popiſ navád in sadershanja Indijanov Polnozhne Amerike“, vollständige Übersetzung 1970 als „Zgodovina, značaj, nravi in šege severnoameriških Indijancev“, französisch 1837 als „Abrégé de l’histoire des Indiens de l’Amerique septentrionale“, danach die englische Übersetzung „Frederic Baraga’s Short History of the North American Indians“, 2004). B.s Erfahrungen und sein Wissen über die indianischen Kulturen waren für die ethnologische Forschung von großer Bedeutung, da er diese unter anderem an Henry Rowe Schoolcraft weitergab, der historische und statistische Arbeiten zum Thema verfasste. Für die Philologie grundlegende Quellen waren und sind außer der von B. in englischer Sprache verfassten Ojibwe-Grammatik („A Theoretical and Practical Grammar of the Otchipwe Language ...“, 1850) und dem Ojibwe-Wörterbuch (1853) seine ab 1832 in der Sprache der Ottawa- und Chippewa-Indianer publizierten religiösen Schriften. Ab 1843 war L’Anse, ein alter Pelzhandelsort am Oberen See, das Zentrum von B.s erfolgreichem missionarischem Engagement. Neu entdeckte Kupfervorkommen im Bereich der Oberen Michigan-Halbinsel lockten zahlreiche Zuwanderer aus aller Welt in die ursprünglich überwiegend indianisch besiedelten Ortschaften, was eine Herausforderung und ein weiteres Betätigungsfeld für B. darstellte. 1853 wurde er durch Papst Pius IX. zum Bischof des Apostolischen Vikariats der Oberen Michigan-Halbinsel ernannt und in der St. Peter in Chains Cathedral in Cincinnati (Ohio) geweiht. Ab 1857 war B. in Michigan Bischof der katholischen Diözese von Sault Ste. Marie; der Bischofssitz wurde 1865 nach Marquette verlegt. B. reiste 1837 und 1854 nach Europa, um für die weitere finanzielle und personelle Unterstützung seiner Mission zu werben und diese abzusichern. Seine ältere Schwester Amalia spielte dabei eine vermittelnde Rolle; mit ihr stand B. in ausführlichem brieflichem Kontakt. Seine jüngere Schwester Antonia wollte ihn persönlich bei der Missionsarbeit unterstützen, ein Vorhaben, das sie jedoch aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste. Seine in den frühen 1830er-Jahren gesammelten Gegenstände aus dem Alltagsleben von Ottawa- und Chippewa-Indianern (Kleidungsstücke, Werkzeuge, Waffen, Einrichtungs- und Kunstgegenstände etc.) übergab B. 1837 dem Krainischen Landesmuseum in Laibach, heute befindet sich diese aus 47 Einzelstücken bestehende Sammlung im Slowenischen ethnographischen Museum (Slovenski etnografski muzej) in Laibach. Missions- und kulturgeschichtlich aufschlussreich sind neben der Korrespondenz mit seiner Schwester Amalia vor allem B.s Tagebücher. Nach ihm sind in Michigan ein Ort, ein Township und ein Verwaltungsbezirk benannt, ebenso der Baraga State Park sowie eine katholische Schule in Iron Mountain. In L’Anse steht ein Denkmal für B., das ihn mit Kreuz und Schneeschuhen, ein von ihm häufig benutzter Fortbewegungsbehelf auf seinen Missionswegen, darstellt.

Weitere W. (s. auch SBL): Otawa Anamie-Misinaigan, gwaiakossing anamiewin ejitwadjig, mi sa catholique-enamiadjig gewabandangig, 1832; Otchipwe Anamie-Masinaigan ..., 1837; Bratovſhina ſ. Leopólda ..., 1837; Pisma in dokumenti, 2001. ‒ Teilnachlässe: Diocesan Archives, Roman Catholic Diocese of Marquette, MI, University of Notre Dame Archives, IN, beide USA.
L.: LThK (m. L.); Osebnosti; SBL (m. W. u. L.); Wurzbach (m. L.); H. R. Buchberger, Schoolcraft, Historical and statistical Information, respecting the History, Condition and Prospects of the Indian Tribes of the United States 2, 1852; Appletons’ Cyclopædia of American Biography 1, 1887; Ch. Verwyst, Life and labors of Rt. Rev. F. B. ..., 1900 (m. B.); A. I. Rezek, History of the diocese of Sault Ste. Marie and Marquette ... 1, 1906, S. 17ff. (m. B.); G. Kummer, Die Leopoldinen-Stiftung (1829–1914), 1966, S. 180; B. J. Lambert, Sheperd of the Wilderness: A Biography of Bishop F. B., 1974; Dictionary of Canadian Biography 9, 1976; The diary of Bishop F. B., ed. R. M. Walling ‒ N. D. Rupp, 1990; Ch. A. Ceglar, Baragiana Collection, 1991; L. Vončina, F. B., ed. K. Ceglar, 2000 (m. B.); Slovenski etnološki leksikon, 2007; UA, Wien; Nadškofijski arhiv, Ljubljana, SLO.
(M. Reichmayr)  
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 49
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