Batthyány von Németújvár, Kázmér Graf (1807–1854), Politiker

Batthyány von Németújvár Kázmér Graf, Politiker. Geb. Pressburg, Ungarn (Bratislava, SK), 4. 6. 1807; gest. Paris (F), 12. 7. 1854 (begraben: seit 1987 Siklós, H); röm.-kath., ab 1847 evang. HB. Aus dem fürstlich Batthyány-Strattmann’schen Zweig der alten ungarischen Magnatenfamilie stammend. Enkel des Schiffsbauingenieurs und wirklichen Geheimen Rats Tódor Graf Batthyány von Németújvár (geb. Rechnitz, Ungarn/Burgenland, 16. 10. 1729; gest. Wien, 3. 6. 1812), Sohn des Kämmerers Antal Graf Batthyány von Németújvár (geb. 14. 10. 1762; gest. 20. 9. 1828) und dessen Frau Cecilie Gräfin Batthyány von Németújvár, geb. Gräfin Rogendorf (geb. 28. 8. 1775; gest. 27. 11. 1814), Bruder des Pferdezüchters Gusztáv V. Fürst Batthyány-Strattmann von Németújvár (geb. Pressburg, 8. 12. 1803; gest. Newmarket, GB, 25. 4. 1883), entfernt verwandt mit →Lajos Graf Batthyány von Németújvár; ab 1847 verheiratet mit Auguszta Gräfin Batthyány von Németújvár, geb. Keglevich von Buzin (geb. Pest /Budapest, H, 22. 10. 1808; gest. Budapest, 23. 9. 1879). – B. wurde im Ausland erzogen, lebte dann zunächst in Wien, bereiste mehrere westeuropäische Länder und wurde von den Ideen des klassischen Liberalismus stark beeinflusst. 1836 lernte er →Károly Nagy kennen, nahm bei ihm Ungarischunterricht und kehrte nach Ungarn zurück. B., Mitglied der Oberen Tafel, machte als einer der radikalen Abgeordneten der Reformopposition bei den Landtagen 1839/40 und 1843/44 auf sich aufmerksam und wurde zum Präsidenten des ungarischen Landesschutzvereins (1844) sowie der Vereinigten Gesellschaft für die Vukovar-Fiumaner Eisenbahn (1845) gewählt. 1846–47 gewährte er →Mihály Táncsics Zuflucht auf seinem Gut in Slawonien. Während der Revolution 1848/49 bekleidete B. wichtige militärische und politische Positionen. Ab März 1848 – nach der Ernennung des Kabinetts von Lajos Graf Batthyány von Németújvár – Obergespan des Komitats Branau, trieb er in Fünfkirchen die Aufstellung des Honvéd-Bataillons Nr. 8 sowie den Ausbau der Verteidigungslinie des Komitats voran. Im Sommer 1848 nahm er an den Kämpfen gegen die Serben, im Herbst als Kommandant an jenen gegen die Truppen von →Josef Graf Jel(l)ačić von Bužim teil. Unter seinem Befehl wurde im Oktober 1848 die Burg Esseg eingenommen und bis Februar 1849 gehalten. Im selben Monat zum bürgerlichen und militärischen Regierungskommissär von Niederungarn (Délvidék) und zum Obersten ernannt, organisierte B. in Szeged und Umgebung die Aufstellung mehrerer Bataillone sowie von zwei Kavallerieregimentern und kämpfte ab März an der Seite von →Mór Perczel von Bonyhád in Südungarn. Von April bis Mai 1849 Landeskommissär, fungierte B. in der Folge bis Anfang August als Außen- und Landwirtschaftsminister in der Regierung von →Bertalan Szemere. Des Weiteren verfügte er in Abwesenheit von Verteidigungsminister →Arthur Görgey von Görgö und Toporcz über eine Gegenzeichnungsberechtigung der Verordnungen von →Lajos Kossuth von Udvard und Kossut. Nach der Kapitulation bei Világos floh er gemeinsam mit Kossuth in das Osmanische Reich, wo die beiden in Widin, Schumen und schließlich in Kytachia interniert waren. Nach Aufhebung der Internierung 1851 ließ sich B. in Paris nieder. Im selben Jahr wurde er in Abwesenheit zum Tod verurteilt. B., eine bedeutende Gestalt der Reformzeit, trat für die Modernisierung von Industrie, Verkehr und Landwirtschaft in Ungarn ein. Auf seinen Gütern entließ er die Bauern aus der Erbuntertänigkeit und gründete Schulen, u. a. gemeinsam mit seinem Bruder Gusztáv sowie Lajos Graf Károlyi von Nagykároly die von →Imre Klauzál geleitete Landwirtschaftsschule in Rechnitz. B. trat auch im Bereich der Wissenschaften und Künste als Mäzen in Erscheinung: Er schenkte große Teile seiner Bibliothek der Magyar Tudományos Akadémia, finanzierte den Bau der von Nagy projektierten Sternwarte in Bicske und ließ →Mihály Vörösmarty eine Jahresrente zukommen.

L.: Das geistige Ungarn; M. Életr. Lex. (mit Bild); M. Irodalmi Lex. II; Pallas; Révai; Szinnyei; ÚMÉL (mit Bild); Wurzbach; Zs. Somogyi, Magyarország főispánjainak albuma, 1889, S. 58; L. Tóth, in: Budapesti Szemle 74, 1893, S. 321ff.; B. Kempelen, Magyar nemes családok 1, 1911; E. Waldapfel, A független magyar külpolitika 1848–49, 1962, s. Reg.; E. F. Kiss, Az 1848–1849-es magyar minisztériumok, 1987, s. Reg.; M. Füzes, B. K., 1990; P. Hegedűs – J. Bodai, in: Limes 6, 1993, Nr. 1, S. 83ff.; Magyar nagylexikon 3, 1994; Gy. Bezerédy, in: A Janus Pannonius Múzeum Évkönyve 41–42, 1998, S. 63ff.; F. Rabár, in: Hadtörténeti Közlemények 111, 1998, S. 130ff.; G. Bona, Tábornokok és törzstisztek az 1848/49. évi szabadságharcban, 3. Aufl. 2000 (mit Bild); Új magyar irodalmi lexikon 3, 2. Aufl. 2000; Az 1848–1849. évi első népképviseleti országgyűlés történeti almanachja, ed. B. Pálmány, 2002, s. Reg.; J. Bölöny – L. Hubay, Magyarország kormányai 1848–2004, 5. erw. Ausg. 2004, s. Reg.; Gróf B. K. (1807–1854) emlékezete, ed. I. Ódor, 2006.
(Á. Z. Bernád)   
Zuletzt aktualisiert: 15.12.2020  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 9 (15.12.2020)