Batthyány von Németújvár, Lajos Graf (1807–1849), Politiker

Batthyány von Németújvár Lajos Graf, Politiker. Geb. Pressburg, Ungarn (Bratislava, SK), 11. 2. 1807; gest. Pest (Budapest, H), 6. 10. 1849 (hingerichtet; seit 1870 auf dem Fiumei úti Nemzeti Sírkert begraben); röm.-kath. Sohn von József Sándor Graf Batthyány von Németújvár (geb. Városszalónak, Ungarn / Stadtschlaining, Burgenland, 10. 4. 1777; gest. Ikervár, H, 13. 7. 1812) und Borbála Gräfin Batthyány von Németújvár, geb. Skerlecz von Lomnicza (geb. 1779; gest. Wien, 24. 10. 1834), Vater der Mäzenin Ilona Gräfin Batthyány von Németújvár (geb. Ikervár, 1. 7. 1842; gest. Cinkota / Budapest, H, 21. 3. 1921) und des Pferdezüchters und Oberhausmitglieds Elemér Graf Batthyány von Németújvár und Szabadbattyán (geb. Pest, 1847; gest. Budapest, 9. 1. 1932); ab 1834 verheiratet mit Antónia Gräfin Batthyány von Németújvár, geb. Gräfin Zichy von Zich und Vásonkeö (geb. Cziffer, Ungarn / Cífer, SK, 14. 7. 1816; gest. Dáka, H, 29. 9. 1888). – Nach der Trennung seiner Eltern 1807 wuchs B. in Wien auf, wo er 1815–24 das Vinzenz Plebansche Institut, das Akademische Gymnasium sowie das Klinkowströmsche Institut besuchte. 1819–20 Schüler des Benediktinergymnasiums in Raab, wurde er von →Georg Fejér erzogen und 1824–26 in Wien von Nikolaus Möller unterrichtet. Anschließend studierte er für kurze Zeit Rechtswissenschaft an der Universität Wien (nicht nachweisbar), entschied sich dann aber für die militärische Laufbahn. 1826–27 Kadett im Fürst Esterházy’schen Infanterieregiment Nr. 32 in Padua, legte er Ende 1826 an der Akademie in Agram die Prüfung aus Staatswissenschaften ab. 1827–31 diente er als Unterleutnant im k. k. Frimont’schen Husarenregiment Nr. 9 in Treviso, Fehring und Bohdanetsch in Böhmen. 1828–31 führte der inzwischen verschuldete B. einen Prozess gegen seine Mutter um die Erbschaft seines Vaters, der ihn zum Alleinerben bestimmt hatte. 1831 volljährig, quittierte er den Dienst, kehrte nach Ungarn zurück und übernahm die väterliche Erbschaft. 1831–39 widmete er sich der Verwaltung seiner Güter. Auslandsreisen führten ihn in den folgenden Jahren u. a. nach Deutschland, Italien, Griechenland, in die Schweiz und die Türkei; 1835 traf er in Paris François-René de Chateaubriand. Ab 1830 Mitglied der Oberen Tafel des ungarischen Landtags, trat B. 1839–40 als Organisator und Führer der Magnatenopposition politisch in Erscheinung. Zuerst Anhänger des liberalen Reformprogramms von →István Graf Széchenyi von Sárvár und Felsővidék, wurde er Anfang der 1840er-Jahre Anhänger von →Lajos Kossuth von Udvard und Kossut und plädierte u. a. für Bauernbefreiung, Amtsfähigkeit der Nichtadeligen sowie Rede- und Religionsfreiheit. 1845 Präsident des zentralen Ausschusses der Opposition und 1847 Vorsitzender der vereinigten Opposition, war er maßgeblich an der erfolgreichen Wahl Kossuths zum Landtagsabgeordneten beteiligt. 1848 stimmte infolge der revolutionären Ereignisse auch die Obere Tafel des ungarischen Landtags den Forderungen Kossuths bzw. der Opposition nach einer dem Parlament verantwortlichen Regierung zu. Ende März wurde B. vom König zum Ministerpräsidenten ernannt. Bis Juni 1848 provisorisch auch Kriegsminister, initiierte er die Aufstellung des Landeskriegsrats der Nationalgarde (Országos Nemzetőrségi Tanács) und die Gründung der ungarischen Landwehr. B. setzte sich für einen Ausgleich zwischen Krone und Nation ein, weshalb er sowohl die Unterstützung Kossuths als auch das Vertrauen des Wiener Hofs verlor. Nach dem kroatischen Angriff im September 1848 wollte er abdanken, blieb aber auf Wunsch seiner Mitarbeiter auf seinem Posten; sein Versuch der Regierungsumbildung scheiterte. Mitte September rief er zum Volksaufstand auf, Ende September von seinen Pflichten als Regierungschef vom König entbunden, bemühte sich B. nach der Ermordung des nach Pest geschickten kaiserlichen Kommissars Franz Philipp Graf von Lamberg um eine Unterredung in Wien, wurde jedoch nicht mehr als Verhandlungspartner akzeptiert. Anfang Oktober dankte er ab, legte sein Abgeordnetenmandat zurück und kämpfte in der Folge als Honvéd in der Revolutionsarmee, wurde jedoch kurze Zeit später erneut zum Abgeordneten gewählt. Als Initiator und Mitglied der Friedensdelegation an den Oberkommandanten der kaiserlichen Truppen Feldmarschall Alfred Fürst zu Windisch-Graetz (Anfang Jänner 1849) verweigerte er die bedingungslose Kapitulation. Windisch-Graetz ließ ihn Anfang Jänner in Pest verhaften. In der Folge in Ofen, Laibach und Pressburg gefangen gehalten, wurde er in Olmütz vor Gericht gestellt, Ende August wegen Hochverrats zum Tod verurteilt, trotz Gnadengesuchs nach Pest gebracht und auf massiven Druck von →Felix Prinz zu Schwarzenberg und →Julius Jacob Freiherr von Haynau erschossen. B. gilt als Märtyrer der ungarischen Revolution und des Freiheitskampfs von 1848/49.

W.: B. L. reformkori beszédei, levelei, írásai, ed. A. Molnár, 1998.
L.: Biograph. Lex. Südosteuropas; Das geistige Ungarn; Katolikus Lex.; M. Életr. Lex. (mit Bild); Pallas; Révai; Szinnyei; ÚMÉL (mit Bild); Wurzbach; Gróf B. L. az első magyar miniszterelnök élete és halála, 1870; I. Vahot, Gróf B. L. élet- és jellemrajza, 1873; Á. Károlyi, Németújvári gróf B. L. magyar miniszterelnök főbenjáró pöre 1–2, 1932; P. Gulyás, Magyar írók élete és munkái 2, 1940; Budapest lexikon, 1973; A. Toth, Parteien und Reichstagswahlen in Ungarn 1848–1892, 1973, s. Reg.; Gy. Spira, Négy magyar sors, 1983, S. 33ff.; A. Urbán, B. L. miniszterelnöksége, 1986; A. Molnár, B. L. a reformkorban, 1996; J. Bölöny – L. Hubay, Magyarország kormányai 1848–2004, 5. Ausg. 2004, s. Reg.; A. Urbán, Gróf B. L. miniszterelnöksége, fogsága és halála, 2007; A. Molnár, Viam meam persequor, 2007 (mit Bild); Széchenyi, Kossuth, Batthyány, Deák. Studien zu den ungarischen Reformpolitikern des 19. Jahrhunderts und ihren Beziehungen zu Österreich, ed. I. Fazekas u. a., 2011; UA, Wien.
(Á. Z. Bernád)  
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2015  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 53
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