Beetz, Wilhelm (1844–1921), Baumeister und Unternehmer

Beetz Wilhelm, Baumeister und Unternehmer. Geb. Zehdenick, Preußen (D), 15. 7. 1844; gest. Wien, 17. 5. 1921; evang. AB. Sohn des Molkereipächters Johann Gottlieb Beetz (geb. 1793) und von Marie Louise Beetz, geb. Wilch; verheiratet mit Karoline Beetz, geb. Arendt. – B., über dessen Ausbildung nichts bekannt ist, beschloss aufgrund des wachsenden Bedarfes nach Hygiene in den Großstädten, nach dem Vorbild öffentlicher hölzerner Bedürfnisanstalten, die er in Berlin kennengelernt hatte, solche Einrichtungen zu betreiben. Da in Wien keine entsprechende Firma tätig war, suchte er 1880 beim Magistrat um die Genehmigung für den Bau und Betrieb von Bedürfnis-Anstalten für beide Geschlechter an, was jedoch abgelehnt wurde, da die Stadt solche Anlagen in Eigenregie herstellen wollte. Erst 1883 wurde ihm die Bewilligung erteilt, jedoch unter der Bedingung, die Aufstellung, den Betrieb, die Kosten von Gas und Wasser und die Platzmiete selbst zu bestreiten sowie drei Prozent der Einnahmen an die Gemeinde Wien zu entrichten. B. übersiedelte noch im selben Jahr nach Wien, wo er die Firma Wilhelm Beetz gründete und nach dem Berliner Vorbild erste Anstalten aus Holz errichtete, die er vor allem in Parkanlagen und bei Brücken aufstellte; 1889 wechselte er zu eisernen Konstruktionen in Form von Tramway-Warte-Hallen, die auf einem Steinsockel errichtet wurden. Für deren Betrieb beschäftigte er Toilettefrauen, die einen fixen Lohn erhielten und deren Krankenversicherungskosten er trug. 1903 unterhielt die Firma bereits 93 Pissoirs sowie 58 Bedürfnisanstalten, 1904 errichtete B. auf dem Graben (Wien 1) die erste unterirdische Toiletteanlage in Wien mit besonders aufwendiger Innenausstattung. B. hatte bereits 1895 auch mit der Stadtverwaltung von Budapest einen ähnlichen Vertrag geschlossen und eröffnete hier einen weiteren Betrieb. Weltweit bekannt wurde er durch die Erfindung des Öl-Urinoirs, einer geruchsmindernden und desinfizierenden Mineralölmischung, die er in etlichen Ländern patentieren ließ und für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt. Bereits um 1915 gehörten neben Firmen in fast allen europäischen Großstädten auch Betriebe in der Türkei, Brasilien, Mexiko oder in Afrika zu seinen Geschäftspartnern. Nach seinem Tod 1921 übernahmen seine beiden Töchter die Firma, der noch heute die Einrichtung und Wartung öffentlicher Bedürfnisanstalten obliegt.

W.: s. Architektenlexikon.
L.: Czeike; Die Wr. Ringstraße 11; H. Beraneck, Die Wiener Bedürfnisanstalten System B., in: ZÖIAV 57, 1905, S. 679–681; R. Waissenberger, Wiener Nutzbauten des 19. Jahrhunderts als Beispiele zukunftsweisenden Bauens, 1977, S. 183–185; M. Wehdorn – U. Georgeacopol-Winischhofer, Baudenkmäler der Technik und Industrie in Österreich 1, 1984, S. 4f.; F. Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert 3/1, 1990, S. 37; P. Payer, Unentbehrliche Requisiten der Großstadt, 2000, S. 65–144 (m. B.); Umwelt Stadt: Geschichte des Natur- und Lebensraumes Wien, ed. K. Brunner – P. Schneider, 2005, S. 257; M. Salzer – P. Karner, Vom Christbaum zur Ringstraße, 2008, S. 35 (m. B.); Homepage der Firma Wilhelm Beetz Ges.m.b.H., http://www.beetz.at/beetz.htm (m. B., Zugriff 20. 1. 2012); Architektenlexikon Wien 1770–1945, http://www.architektenlexikon.at (m. B., Zugriff 20. 1. 2012); Archiv der Firma Wilhelm Beetz, WStLA, beide Wien.
(P. Schumann)   
Zuletzt aktualisiert: 15.3.2013  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 2 (15.03.2013)