Běhounek, František (1898–1973), Physiker, Polarforscher und Schriftsteller

Běhounek František, Physiker, Polarforscher und Schriftsteller. Geb. Prag-Holeschowitz, Böhmen (Praha, CZ), 28. 10. 1898; gest. Karlovy Vary, ČSSR (CZ), 1. 1. 1973. Sohn eines Maschinenschlossers und Baggerführers. – Nach Besuch des Gymnasiums studierte B. 1916–21 Mathematik und Physik an der philosophischen Fakultät der tschechischen Universität Prag; 1922 Dr. phil. 1920–22 am Institut du radium in Paris bei Marie Curie, war er nach der Rückkehr Mitarbeiter im Staatlichen radiologischen Institut (Státní ústav pro radiologie) in Prag. Anfangs arbeitete er v. a. in Jáchymov, wo er 1923–24 die Voraussetzungen für den Bau einer Leitung des radioaktiven Wassers aus der Grube Svornost in das Kurbad überprüfte. Dies bedingte Messungen der Radioaktivität von Gesteinen und Quellen, wobei er feststellte, dass diese in Jáchymov europäische Rekordwerte erreichte. Weiters befasste er sich mit kosmischer Strahlung, die er im Folgenden in den Polarregionen untersuchte: Auf Empfehlung von Curie nahm er 1926 an der Nordpolexpedition von Roald Amundsen, Lincoln Ellsworth und Umberto Nobile teil, blieb jedoch für seine eigenen Forschungen auf Spitzbergen am Stützpunkt Kingsbay (Ny-Ålesund), während die Expedition mit seinen Instrumenten weiterfuhr. Seine Beobachtungen publizierte er gemeinsam mit dem schwedischen Physiker Finn Malmgren. 1928 nahm er unter Nobile an einer Luftschiffexpedition teil: Nach Zwischenlandungen in Stolp (Słupsk) und Kingsbay und einem Probeflug nach Franz-Joseph-Land startete die Besatzung zum Nordpol. Wegen ungünstiger Wetterbedingungen konnte nicht gelandet werden, beim Rückflug stürzte das Luftschiff ab. B. nutzte das wochenlange Warten auf Rettung auf einer Eisscholle nordöstlich von Spitzbergen ebenso wie danach die Rückfahrt auf einem sowjetischen Eisbrecher für weitere Messungen. Den Verlauf dieser Expedition beschrieb er 1928 in seinem Buch „Trosečníci na kře ledové“. Zurück in Prag, wirkte B. im Staatlichen radiologischen Institut und beteiligte sich an der Gründung des Observatoriums für atmosphärische Elektrizität in Štrbské pleso. 1929 Habilitation für Radiologie und atmosphärische Elektrizität, ab 1935 Direktor des Staatlichen radiologischen Instituts, war er nach dessen Reorganisierung 1946–55 Vorstand der physikalischen Abteilung der Anstalt für Radiotherapie im Prager Bulovka-Krankenhaus. 1954 ao., 1956 o. Prof. 1955 war er Mitbegründer der Fakultät für technische Physik und Kernphysik der Universität Prag (1959 in das České vysoké učení technické v Praze eingegliedert), wo er 1963–71 den Lehrstuhl für Dosimetrie innehatte und für die Applikationen der Ionisierungsstrahlung verantwortlich zeichnete. Ab den 1950er-Jahren wurde er vom tschechischen Außenministerium als Experte zur UNESCO entsandt. Daneben war er externer Leiter der Abteilung für radiologische Dosimetrie am Institut für Kernforschung der Československá akademie věd in Řež. B. untersuchte die atmosphärische Elektrizität, die kosmische Strahlung, die natürliche Radioaktivität der Gesteine, insbesondere auf dem Gebiet der Tschechoslowakei, sowie die Nutzung radioaktiver Strahlung in der Medizin. Ein besonderes Anliegen war ihm der Strahlenschutz. Als Schriftsteller verfasste er populärwissenschaftliche und belletristische Werke, so etwa „Kniha robinsonů“ (1944) oder „Ledovou stopou“ (1946), in denen er u. a. seine Eindrücke der Expeditionen verarbeitete. Heute noch bekannt sind seine Science-Fiction-Werke, darunter „Akce L“ (1956), „Robinsoni z vesmíru“ (1958) und „Projekt Scavanger“ (1961). B. war korrespondierendes Mitglied der Accademia Nazionale dei Lincei. Der 1984 entdeckte Planet Nr. 3278 wurde nach ihm benannt.

Weitere W.: s. LČL; Poggendorff; Boráňová.
L.: LČL (m. W. u. L.); Poggendorff 6, 7b (m. W.); J. Kunský, Čeští cestovatelé 2, 1961, S. 397–407; Sborník referátů ze semináře věnovaného k nedožitým 80. narozeninám akademika F. B., konaného 27. října 1978 v Praze, 1979; N. Boráňová, F. B. ..., 1980 (m. W.); D. Trávníček, Dějiny geografie mezi dvěma světovými válkami, 1986, S. 32–34; J. Martínek – M. Martínek, Kdo byl kdo – naši cestovatelé a geografové, 1998; F. B. ... Vzpomínky a dokumenty, ed. E. Těšínská, 1998; J. Martínek – M. Martínek, Čeští cestovatelé a mořeplavci, 2006; J. Martínek, Geografové v českých zemích 1800–1945 (biografický slovník), 2008 (m. B. u. L.); R. Kolomý, F. B. a polární výpravy v letech 1926 a 1928, in: Dvadsiatypiaty zborník dejín fyziky, ed. M. T. Morovics, 2008, S. 83–124; MUT-Lexikon, ungedruckte Materialien des Technischen Museums Wien, 2009 (Typoskript); Materialiensammlung ÖBL, Wien (m. B.); České vysoké učení technické v Praze, UA, beide Praha, CZ.
(J. Martínek)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)