Benucci, Francesco (um 1745–1824), Sänger

Benucci Francesco, Sänger. Geb. Livorno, Toskana (I), um 1745; gest. Florenz, Toskana (Firenze, I), 5. 4. 1824. Onkel von Francesca Benucci (s. u.). – Über B.s Herkunft und Ausbildung ist bislang nichts bekannt. Schon bei seinen ersten nachweisbaren Auftritten (Livorno, Frühling 1768, Don Tritemio in Galuppis „Il Filosofo di campagna“ und Toniolo in Gassmanns „Gli uccellatori“) war er als buffo caricato besetzt, ein Rollenfach, das v. a. durch polternd-laute Stimmgebung, Grimassen und Possenspiel charakterisiert war. Weitere Engagements in diesem Fach folgten 1769 in Florenz, 1770 in Pisa, 1777/78 in Bologna, im Sommer 1778 in Genua, 1778/79 in Venedig (z. B. Uraufführung von Pasquale Anfossis „L’americana in Olanda“ sowie von Giuseppe Sartis „I Contrattempi“), im Frühling 1779 in Mailand und Monza, im Herbst 1779 in Turin, im Karneval 1780 in Florenz, im Herbst wieder in Mailand, im Frühjahr 1781 in Rom (z. B. Uraufführung von Domenico Cimarosas „Il pittore parigino“) und Livorno, im Herbst in Florenz, im Karneval 1782 wieder in Rom, im Herbst 1782 in Monza und Mailand, im Karneval 1783 neuerlich in Rom (z. B. Uraufführung von Cimarosas „I due baroni di Rocca Azzurra“). In dieser Zeit erwarb er sich einen solchen Ruf als Buffo, dass er auf Vermittlung Giacomo Durazzos nach Wien engagiert wurde, wo er erstmals im April 1783 als Blasio in →Antonio Salieris „La scuola de’ gelosi“ auftrat. Spätestens hier entwickelte er sich weit über die konventionellen Grenzen des buffo caricato-Fachs hinaus und verband ungezwungenes, außergewöhnlich pointiertes, dabei aber nie übertriebenes Spiel mit einer runden, wohlklingenden und technisch makellosen Singstimme. Diese reichte vom F bis zum f’ mit Bevorzugung der höheren Lage und war sowohl in buffo-typischen Parlando-Passagen und häufigen großen Intervallsprüngen wie auch in Koloraturen leicht ansprechend. Bei Publikum wie Auftraggebern (Joseph II.) und Komponisten war er in Wien gleichermaßen geschätzt. Nachdem Mozart schon 1783 die Rolle des Bocconio in „Lo sposo deluso“ für B. entworfen hatte, schrieb er auch den Figaro („Le nozze di Figaro“, Uraufführung 1786) und den Guglielmo („Così fan tutte“, Uraufführung 1790) explizit für ihn. Für B.s Interpretation des Leporello in der Wiener Erstaufführung des „Don Giovanni“ (1788) fügte Mozart das Duett „Per queste due manine“ ein, die Arie KV 584 „Rivolgete a lui lo sguardo“ soll er so genau auf B. zugeschnitten haben, dass sie geradezu als Spiegel seiner sängerischen und darstellerischen Fähigkeiten gilt. Außer Mozart schrieben aber auch Komponisten wie Cimarosa („Il matrimonio segreto“), Paisiello („Il re Teodoro in Venezia“), Righini („L’incontro inaspettato“), Storace („Gli sposi malcontenti“), Salieri („La grotta di Trofonio“, „Prima la musica“, „Axur, re d’Ormus“ und „La cifra“) und Martín y Soler („Una cosa rara“) ausdrücklich für ihn. Bis zum Frühjahr 1795 blieb B. in Wien, unterbrochen nur von zwei kurzen Engagements in Rom (Karneval 1784) und London (Mai–Juni 1789), wo er allerdings, u. a. aufgrund der dortigen Bevorzugung lauter Stimmen, nicht an seine Wiener Erfolge anknüpfen konnte. 1793/94 trat er noch in mindestens neun Uraufführungen bzw. Neuaufnahmen auf, darunter Paisiellos „La serva padrona“, Süßmayrs „L’incanto superato“ (Uraufführung 1793) sowie Weigls „La principessa d’Amalfi“ und „Giulietta e Pierotto“ (beide Uraufführung 1794), doch musste er aufgrund verschiedener Erkrankungen immer wieder Vorstellungen absagen. Sein letzter nachweisbarer Auftritt in Wien fand im Dezember 1794 als Don Fabricio in Paisiellos „La Frascatana“ statt. Danach sang B. nur noch vereinzelt in Italien, so im Herbst 1795 in Mailand, im Karneval 1796 in Rom, im Karneval 1797 und im Karneval 1800 in seiner Heimatstadt Livorno. B.s Nichte, die Sängerin Francesca Benucci, die auch unter dem Namen Benuccini auftrat, debütierte Anfang Juni 1788 mit wenig Erfolg als Nicoletta in Anfossis „Le gelosie fortunate“ in Wien, von wo sie um 1790 nach Moskau gegangen sein soll. Ab April 1794 trat sie wieder an der Seite ihres Onkels in Wien auf (Querino im Pasticcio „La donna di testa debole“). Es folgten kurze Engagements in Italien, bevor sie sich um 1797 verheiratete und von der Bühne zurückzog. Ein Verwandtschaftsverhältnis B.s zum Komponisten Rinaldo Benucci ist ungeklärt, ebenso zu einem Tenor gleichen Namens.

L.: MGG II; Dizionario Biografico degli Italiani 8, 1966 (auch online); Arias for F. B. Mozart’s First Figaro and Guglielmo, ed. D. Link, 2004; Das Mozart-Lexikon, ed. G. Gruber – J. Brügge, 2006; M. Jahn, Die Wiener Hofoper von 1794 bis 1810, 2011, passim.
(Ch. Pollerus)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)