Berchtold von Ungarschitz (Uherčice), Friedrich (Bedřich) Gf. (1781–1876), Mediziner, Forschungsreisender und Botaniker

Berchtold von Ungarschitz (Uherčice) Friedrich (Bedřich) Gf., Mediziner, Forschungsreisender und Botaniker. Geb. Platz, Böhmen (Stráž nad Nežárkou, CZ), 25. 10. 1781; gest. Buchlowitz, Mähren (Buchlovice, CZ), 3. 4. 1876. Stammte aus einem Tiroler Adelsgeschlecht, das sich im Laufe des Dreißigjährigen Krieges in den böhmischen Ländern niedergelassen hatte, Sohn des in kaiserlichen Diensten stehenden Prosper Antonín Gf. Berchtold von Ungarschitz (Uherčice) (geb. Znaim, Mähren / Znojmo, CZ, 20. 11. 1720; gest. Tučap im Bezirk Tabor, Böhmen / Tučapy, CZ, 27. 4. 1807) und seiner dritten Frau Marie Anna Weiser (1763–1843), Stiefbruder des Juristen und Philanthropen Leopold Gf. Berchtold von Ungarschitz (Uherčice) (geb. Platz, 19. 7. 1759; gest. Smraďavka bei Buchlowitz, CZ, 26. 7. 1809), der zum Studium humanitärer Einrichtungen Europa sowie 1794–97 den Nahen Osten bereiste und sich in seiner Heimat für die Errichtung von Schulen, Krankenhäusern und Wohlfahrtseinrichtungen einsetzte. – Nach Besuch des Gymnasiums in der Prager Altstadt studierte B. ab 1799 Medizin an der Universität Prag; 1804 Dr. med. In den Folgejahren vertiefte er seine Ausbildung in Würzburg und Wien. Bei einem Aufenthalt in Regensburg lernte er den dortigen Kanoniker und späteren Initiator des Nationalmuseums in Prag →Kaspar Gf. von Sternberg kennen. Nach seiner Rückkehr nach Böhmen betrieb B. bis 1815 eine Arztpraxis in Tučap. Daneben befasste er sich mit Botanik und arbeitete u. a. eng mit →Jan Svatopluk Presl, →Karel Bořivoj Presl sowie mit →Jan Ev. von Purkyně zusammen. Gemeinsam mit Jan Svatopluk Presl wirkte er ab 1820 an dem Werk über die Natur der Pflanzen „O přirozenosti rostlin, aneb, Rostlinář ...“, von dem bis 1835 zwei Bände erschienen, während der dritte Band unvollendet blieb. Ebenso arbeitete B. an der mehrbändigen „Oekonomisch-technischen Flora Böhmens“ (gemeinsam mit →Wenzel Benno Seidl, →Philipp Maximilian Opiz u. a. 1836–43) mit. Darüber hinaus war B. Mitherausgeber der Zeitschriften „Krok“ und „Lotos“. Beträchtliche Verdienste erwarb er sich gemeinsam mit seinem Stiefbruder Leopold um die Gründung des Nationalmuseums, das er sowohl finanziell als auch mit Sammlungen unterstützte. In den 1830er-Jahren begann B.’s Reisetätigkeit, zunächst in die Alpen (1834–36), nach Frankreich, Italien, vor allem Sizilien, 1839–40 nach Dänemark und Schweden. 1841–42 unternahm er eine Reise in den Nahen Osten, wobei er neben Konstantinopel (İstanbul) und İzmir auch die Pyramiden von Gizeh besichtigte und den Nil aufwärts bis Nubien fuhr. Auf dem Rückweg besuchte er das Heilige Land. Nach einem Aufenthalt in London (1844) begleitete B. ab 1846 →Ida Pfeiffer auf einem Teil ihrer Weltreise. Im August landeten sie in Brasilien, wo B. überwiegend botanische Forschungen betrieb und danach über Spanien, Südfrankreich und Italien heimkehrte. In seinen Reiseberichten, teilweise in Tagebuchaufzeichnungen erhalten, dokumentierte er neben seinen wissenschaftlichen, vor allem botanischen, Funden die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der besuchten Länder. In den Folgejahren unternahm er noch einige kleinere Reisen durch Europa (1851 England, Schottland und Irland, 1855–56 Dalmatien und Siebenbürgen) und widmete sich der Aufarbeitung seiner Sammlungen. Seinen Lebensabend verbrachte er bei Verwandten in Buchlowitz. B. war u. a. ab 1823 Ehrenmitglied der Prager Museumsgesellschaft sowie ab 1850 Ehrenmitglied der Königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften.

Weitere W.: Die Kartoffeln (Solanum tuberosum C. Bauh.). Deren Geschichte, Charakteristik, Nützlichkeit, Schädlichkeit, Kultur, Krankheiten ..., 1842; etc. – Nachlass: Moravský zemský archiv v Brně, CZ.
L.: Hirsch; Lex. böhm. Länder; Otto; Pagel; J. Polišenský, Centro da Europa, Portugal e a América que Leva o Nome Brasil, in: Ibero-Americana Pragensia 12, 1978, S. 9–18; I. Barteček, Cestovatelé z českých zemí v Latinské Americe v 19. století, in: Cesty a cestování v životě společnosti, 1997, S. 421–428; J. Martínek – M. Martínek, Kdo byl kdo – naši cestovatelé a geografové, 1998; Biografický slovník českých zemí 1, 2004 (m. L.); Ottova encyklopedie Česká republica 5, 2006; J. Martínek, Geografové v českých zemích 1800–1945 (biografický slovník), 2008 (m. L.); Státní hrad Buchlov, Buchlovice; UA, Praha, beide CZ.
(J. Martínek)   
Zuletzt aktualisiert: 15.3.2013  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 2 (15.03.2013)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 70
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