Berger, Julius Victor (1850–1902), Maler

Berger Julius Victor, Maler. Geb. Neutitschein, Mähren (Nový Jičín, CZ), 20. 7. 1850; gest. Wien, 17. 11. 1902 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn des Kirchenbildmalers Ignaz Johann Berger (geb. Neutitschein, Juli 1822; gest. Wien, 29. 7. 1901). – B., der in seiner Jugend mit →Hans Makart befreundet gewesen war, studierte 1864–74 an der Wiener Akademie der bildenden Künste (ABK) u. a. bei →Karl Mayer und →Eduard von Engerth; 1874–77 konnte er sich mit Hilfe eines Hof-Reisestipendiums in Italien (Verona, Padua, Treviso, Maser, Venedig und Rom) weiterbilden, wo er sich insbesondere dem Studium dekorativer Raumausstattungen unter dem Einfluss von Paolo Veronese widmete. 1881–87 unterrichtete B. als Professor für dekorative Malerei an der Wiener Kunstgewerbeschule (zu seinen Schülern zählten u. a. die Brüder →Gustav Klimt und →Ernst Klimt sowie →Franz von Matsch), 1887–1902 wirkte er als Professor an der allgemeinen Malerschule der Wiener ABK. B. schuf Historienbilder, Porträts, dekorative Raumausstattungen für öffentliche und private Gebäude, Genre sowie ornamentale Kleinkunst (Illustrationen für Titelbilder, Diplome, Glückwunschadressen, Ehrenbürgerurkunden etc.). Seine Entwürfe für die Deckenfresken im Wiener Justizpalast (1880, Skizzen im Kupferstichkabinett der ABK Wien) verkörpern die inhaltlich komplexeste Deckengestaltung der Wiener Ringstraßenzeit: Sakrale Sujets, ein Tugendprogramm, patriotisch dynastisches Gedankengut und die denkmalhafte Verklärung berühmter Persönlichkeiten wurden in ein reiches Dekorationssystem barocker Prägung eingebettet. Bei seinem Hauptwerk „Die Mäzene der bildenden Künste im Hause Habsburg“, einem monumentalen Deckengemälde im Kunsthistorischen Hofmuseum, 1890–92, kam es zu einer völligen Abkehr vom neobarocken Formenrepertoire. Die geschlossene figurenreiche Komposition von renaissancehafter Klarheit zeigt seine Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksmitteln. Die Entwürfe für Deckengemälde der Aula der Universität Wien, 1893–94, und für Wandgemälde der Aula der Universität Graz, 1901 (beide im Kupferstichkabinett der ABK Wien) blieben trotz Hinzufügung einer Reihe symbolistischer Motive dem Historismus verpflichtet. In sich versunkene Figuren ohne jegliche Interaktion offenbaren aber auch die persönliche seelische Vereinsamung und Abkapselung des Künstlers in seiner letzten Schaffensperiode. B. war ab 1871 Mitglied der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus) und wurde 1898 mit der Erzhg. Carl Ludwig-Medaille in Gold ausgezeichnet.

Weitere W. (s. auch Tichy): Bauernkrieg, um 1870; Kaiser Rudolf II. und Kepler im Studierzimmer, 1871 (Oberösterreichisches Landesmuseum, Dauerleihgabe an die Johannes Kepler Universität, Linz); Ferdinand I., 1874 (Ahnensaal, alte Hofburg); Kaiser Franz Joseph I., 1880 (Justizpalast); Entwürfe für das Schlafzimmer der Kaiserin Elisabeth in Lainz (Hermesvilla), 1882 (Kupferstichkabinett der ABK, Wien); Deckengemälde für das Palais Equitable, um 1892 (Wien 1); Atelierinterieur, Japanerin, beide 1902 (beide Österreichische Galerie Belvedere, Wien); etc.
N.: NFP, 18. 11. 1902 (A.), 23. 11. 1902.
L.: AKL; Czeike; Die Wr. Ringstraße 10; Eisenberg 1; Fuchs, 19. Jh.; Fuchs, Erg.Bd.; ÖKL; Thieme–Becker; Toman; W. Wagner, Die Geschichte der ABK in Wien, 1967, s. Reg.; Kunst des 19. Jahrhunderts 1, bearb. E. Hülmbauer, 1992; H. Tichy, Studien zu J. V. B. 1850–1902. Aspekte der Malerei des Späthistorismus in Wien, 2 Bde., phil. Diss. Wien, 1999 (m. W. u. L.); Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 5, ed. G. Frodl, 2002, S. 300f.; W. Telesko, Geschichtsraum Österreich, 2006, s. Reg.; ABK, WStLA, beide Wien.
(H. Tichy)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 72
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