Berndl, Florian (1856–1934), Naturheilkundler

Berndl Florian, Naturheilkundler. Geb. Großhaselbach (Niederösterreich), 10. 5. 1856; gest. Wien, 30. 11. 1934; röm.-kath. Sohn eines Schneiders und Landwirts sowie einer Hebamme und Baderin. – B. erlernte das Schneiderhandwerk und eignete sich von seiner Mutter das Wissen um die Kräuterkunde an. Nach seinem Militärdienst als Sanitäter wirkte er zunächst als Pfleger im Allgemeinen Krankenhaus in Wien und in der Folge als Masseur und Pedikeur, kurzzeitig auch als Hilfskellner im Hotel-Restaurant Sacher. 1900 pachtete er von der Donauregulierungskommission eine Insel im Bereich der Alten Donau, wo er sich mit seiner Familie ansiedelte. Dort propagierte er ein Leben in der freien Natur und sammelte eine Gruppe begeisterter Sonnenanbeter, die sogenannte Berndl-Kolonie, um sich. B. eröffnete einen Badebetrieb und trat als Anhänger von Sebastian Kneipp und Vincenz Prießnitz für Freiluft-, Sand- und Sonnenbäder, v. a. zur Heilung rheumatischer Beschwerden, ein. Obwohl prominente Gemeindepolitiker und Intellektuelle, darunter →Hermann Bahr, →Karl Costenoble oder →Max Eugen Burckhardt, zu seinen Kunden zählten, waren seine Behandlungsmethoden rasch verpönt, da sie im krassen Gegensatz zur Schulmedizin standen. Angefeindet wurde er auch von konservativen Journalisten, die das gemeinsame Baden von Männern und Frauen und v. a. die Freikörperkultur kritisierten. 1905 wurde daher sein Pachtvertrag annulliert, und die Gemeinde Wien eröffnete auf dem Gelände 1907 das Sommerfreibad „Gänsehäufel“. B. gründete 1908 auf dem Gebiet zwischen Stadlau und Kagran die Kolonie „Neu-Brasilien“, als Vorreiter der Kleingartenvereine, kehrte aber auch an seine alte Wirkungsstätte zurück, wurde zunächst erster Bademeister im „Gänsehäufel“ und anschließend Aufseher in der dortigen Kindererholungsstätte. Da er weiterhin nach seinen Naturheilmethoden kurierte, geriet er immer wieder in Konflikt mit seinem Arbeitgeber, sodass sein Dienstverhältnis 1913 gelöst wurde. Daraufhin versuchte er am Bisamberg ein Ausflugsziel mit Kurmöglichkeiten und Luftsanatorium zu errichten, um dort seine Ideen weiterzuverbreiten. Sein Sonnenparadies „Volkssemmering“ wurde zu seinen Lebzeiten auf Grund unzureichender hygienischer Verhältnisse von Besuchern allerdings kaum genutzt.

L.: Neue Illustrierte Wochenschau, 2. 6. 1957 (m. B.); Neues Österreich, 28. 7. 1957 (m. B.); WZ, 4. 8. 1957; Amtsblatt der Stadt Wien, 5. 12. 1959; Czeike (m. B. u. L.); O. Adamec, F. B. – sein Leben und sein Schicksal, in: Unser schönes Floridsdorf 7, 1973, H. 2, S. 34–39 (m. B.); B. Denscher-Nedoma, Wasser – Luft – Licht – Sonne. F. B. – der Entdecker des Gänsehäufels, in: Wien Aktuell 90, 1985, H. 4, S. 28f.; R. Freund, Der Prophet vom Gänsehäufel, in: Land der Träumer. Zwischen Größe und Größenwahn – verkannte Österreicher und ihre Utopien, 1996, S. 89–100 (m. B.); Materialiensammlung ÖBL (m. B.), Wien; Pfarramt Großhaselbach, Niederösterreich.
(D. Angetter)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)