Beth, Marianne; geb. Weisl (1890–1984), Rechtswissenschaftlerin und Orientalistin

Beth Marianne, geb. Weisl, Rechtswissenschaftlerin und Orientalistin. Geb. Wien, 6. 3. 1890; gest. Cresskill, NY (USA), 19. 8. 1984; mos., ab 1911 evang. AB. − Tochter des 1918 nobilitierten Juristen Ernst Franz v. Weisl, ab 1911 Ehefrau des Religionswissenschaftlers Dr. phil. Karl Beth (Scheidung 1938). B. erhielt Privatunterricht und legte zwei Mal im Jahr eine Semesterprüfung an einem Wiener Knabengymnasium ab. Nach der Matura (1908) entschied sie sich, da Frauen zum Rechtsstudium noch nicht zugelassen waren, Orientalistik an der Universität Wien zu studieren. 1912 Dr. phil. Ab 1919 holte sie das Jusstudium an der Universität Wien nach und wurde 1921 als erste Frau in Österreich zum Dr. jur. promoviert. Nach der Gerichtspraxis 1921 trat sie 1922 in die Kanzlei ihres Vaters ein, legte die Staatsprüfung für Englisch ab und wurde als Gerichtsdolmetscherin am Wiener Oberlandesgericht zugelassen. Ab 1929 war B. als erste eingetragene Rechtsanwältin in Wien tätig. Daneben engagierte sie sich in mehreren Vereinen für die österreichische Frauenbewegung, insbesondere im Kontext der rechtlichen Gleichstellung der Frau. Bleibenden Wert haben v. a. die 1925 und 1931 erschienenen Studien „Neues Eherecht“ sowie „Recht der Frau“. Daneben hatte B. eine Fülle an Funktionen inne: So war sie an der Gründung eines Kreditinstituts und eines Zentralrats für geistige Arbeiter sowie eines Mütterheims beteiligt. 1930 erhielt B., die sich auch mit religionspsychologischen Themen beschäftigte, den Kant-Preis für eine Studie zur Psychologie des Glaubens. Ferner war sie Mitglied und Sekretärin der Gesellschaft der Freunde (Quäker), Generalsekretärin des Internationalen Anwaltsverbands, im Vorstand des Bunds Österreichischer Frauenvereine und der Internationalen Vereinigung berufstätiger Frauen (Zweig Österreich), Präsidentin der Österreichischen Frauenorganisation, Vorsitzende der Vereinigung der berufstätigen Juristinnen Österreichs sowie Präsidentin des Soroptimisten-Clubs. Im Dezember 1938 wurde B. als konvertierte Jüdin aus der Rechtsanwaltsliste gelöscht. Sie flüchtete im selben Monat in die USA, wo sie, finanziert vom Oberlaender Trust, 1939–42 als visiting lecturer für Soziologie und Deutsch am Reed College in Portland, Oregon, unterrichtete. Danach arbeitete B. in einem Mädchenkinderheim und war Mitarbeiterin mehrerer soziologischer und sozialpsychologischer Fachzeitschriften. 1944 erwarb sie die amerikanische Staatsbürgerschaft. Ab 1955 war sie stellvertretende Leiterin des Universal Translation Bureau in Chicago und danach dort in der Ölindustrie tätig.

Weitere W. (s. auch Wissenschafterinnen; Röwekamp): M. B., in: Führende Frauen Europas, ed. E. Kern, 1928 (m. B.).
L.: Hdb. der Emigration 1; G. Urban, Dr. M. B., der erste weibliche Advokat Österreichs, in: Die Österreicherin 1, 1928, H. 8, S. 7 (m. B.); Wissenschafterinnen in und aus Österreich, ed. B. Keintzel – I. Korotin, 2002 (m. B. u. W.); M. Röwekamp, Juristinnen. Lexikon zu Leben und Werk, 2005 (m. B. u. W.); J. A. Belzen, Pionierin der Religionspsychologie: M. B. (1890–1984), in: Archive for the Psychology of Religion/Archiv für Religionspsychologie 32, 2010, S. 125–145; B. Sauer – I. Reiter-Zatloukal, Advokaten 1938, (2010), S. 90f. (m. B.); http://www.fraueninbewegung.onb.ac.at/Pages/PersonDetail.aspx?p_iPersonenID=8675114 (m. B., W. u. L., Zugriff 1. 12. 2010).
(M. Röwekamp)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)