Biebl, Richard (1908–1974), Botaniker

Biebl Richard, Botaniker. Geb. Salzburg (Salzburg), 12. 2. 1908; gest. Gießen (D), 25. 2. 1974 (begraben: Salzburg); röm.-kath. Sohn des Administrationssekretärs und späteren Hofrats bei der Generaldirektion der Österreichischen Bundesforste Dr. Josef Biebl und der Johanna Biebl, geb. Scharfetter; ab 1941 verheiratet mit Marianne Biebl, geb. Nemetz. – Seine Kindheit verbrachte B. in Wien, das humanistische Gymnasium, wo sich bereits sein Interesse für Naturwissenschaften zeigte, absolvierte er in Salzburg. Ab 1926 studierte er Naturwissenschaften in Verbindung mit Physik und Philosophie an der Universität Wien, u. a. bei →Othenio Abel und →Hans Molisch. Insbesondere Molisch führte B. in die Pflanzenphysiologie ein; 1930 Dr. phil., 1931 Lehramtsprüfung. Zunächst an verschiedenen Gymnasien als Lehrer tätig (1939 Studienrat), war B. daneben bereits ab 1930 Demonstrator am Pflanzenphysiologischen Institut der Universität Wien. Die Sommerferien nutzte er für ausgedehnte Reisen, um sich an verschiedensten Standorten mit Fragen der Ökologie, v. a. der Meeresalgen, zu befassen: So nahm B. 1930 an einer Studienreise des Naturwissenschaftlichen Vereins der Universität Wien nach Bulgarien und 1932 an der Studenten-Jachtfahrt nach Griechenland, Istanbul und Bursa teil, gefolgt von Reisen zur norwegischen Bäreninsel, 1934 nach Island, 1935 nach Lappland und 1937 an die Nordsee. Weitere Aufenthalte führten ihn zum Teil mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften in Wien zu meeresbiologischen Forschungsstationen in Tromsø (1935), Plymouth (1936, 1951), auf Helgoland (1937, 1938) und in Neapel (1939). 1938 für Anatomie und Physiologie der Pflanzen habilitiert, wurde B. als Lehrer beurlaubt und fungierte 1939–45 als Assistent am Institut für Pflanzenphysiologie; 1939 Privatdozent, 1944 außerplanmäßiger Professor. 1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. 1945 kehrte er zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft an das Pflanzenphysiologische Institut zurück; ab 1948 nicht-ständiger Hochschulassistent, ab 1952 Hochschulassistent. Bereits 1950 erfolgte die Wiederverleihung des tit. ao. Professors; 1955 ao., 1959 o. Professor. Eine Berufung an die Lehrkanzel für Anatomie und Physiologie der Pflanzen an die Universität Graz 1957 lehnte B. ab. 1964 übernahm er als Vorstand das Pflanzenphysiologische Institut in Wien; 1970/71 Rektor der Universität Wien. Daneben betätigte er sich aktiv in der Volksbildung und setzte auch seine Auslandsaufenthalte fort: 1954 nahm er am 8. Internationalen Botaniker-Kongress in Paris teil, 1955 verbrachte er vier Monate als Fulbright research scholar in den USA mit längeren Aufenthalten am Brookhaven National Laboratory sowie an der Hopkins Marine Station, 1957 arbeitete er an der Station Biologique de Roscoff und repräsentierte Österreich anschließend am Internationalen Kolloquium zur Ökologie der Meeresalgen in Dinard. Zahlreiche Teilnahmen an Kongressen führten ihn auch nach Südamerika, in die USA, nach Nordeuropa, Japan, Indien, wo ihn der Dalai Lama persönlich empfing, und in die Sowjetunion, wo er in Leningrad und Moskau nicht nur einschlägige Vorträge hielt, sondern auch die Gelegenheit zum Besuch wissenschaftlicher Institute nutzte. 1973 fungierte er als Leiter einer Delegation des Österreichischen Nationalkomitees für das internationale UNESCO-Programm „Man and the Biosphere“ in Paris. In seinen rund 150 Publikationen befasste sich B., der als Wegbereiter der Strahlenbiologie und der protoplasmatischen Ökologie in Österreich gilt, v. a. mit der pflanzlichen Plasmaforschung, wobei er völlig neue Wege ging. Sein gedanklicher Ansatz lag in der Theorie, dass jede Pflanze spezifische Anforderungen an ihre Umwelt stellt und daher auch nur unter jeweils bestimmten Außenfaktoren optimal gedeihen kann. Als besonders geeignet für die Erforschung der Beziehungen zwischen Protoplasmaeigenschaften und Standortfaktoren, für die er schon 1939 die Bezeichnung „Protoplasmatische Ökologie“ prägte, erwiesen sich Meeresalgen. Weiters befasste sich B. mit Zell- und Strahlungsphysiologie. Ferner führte er vergleichende Resistenzuntersuchungen an pflanzlichen Plasmen, insbesondere zur Austrocknungs- und Temperaturresistenz tropischer Moose sowie zur Licht-, Trocken-, Kälte- und Wärmeresistenz, zur Salzpermeabilität und zur osmotischen Empfindlichkeit mariner Algen verschiedener Meerestiefen und Klimazonen durch. Interessante Details lieferten seine Untersuchungen zur protoplasmatischen Wirksamkeit des Unkrautbekämpfungsmittels 2,4D. Hervorzuheben ist seine Mitarbeit an der 2.–4. Auflage von Molischs „Botanische Versuche und Beobachtungen ohne Apparate“ (1948–65). Seine „Protoplasmatische Ökologie der Pflanzen: Band 1, Wasser und Temperatur“ (1962) galt als Standardwerk, das 1965 in ergänzter Form ins Russische übersetzt wurde. Die Fertigstellung des 2. Bands, in dem es um Licht sowie um chemische Faktoren im Boden und im Wasser geht, durfte B. nicht mehr erleben. Er war u. a. ab 1959 korrespondierendes, ab 1961 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (1964–73 Sekretär der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse) und unterstützte eine Vielzahl von Kommissionen als Mitglied oder Obmann. Zudem war er ab 1969 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, 1959–71 Präsident des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse und ab 1971 Präsident der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien. 1954 erhielt er den Hansgirg-Preis, 1964 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, 1971 den Erwin-Schrödinger-Preis.

Weitere W.: s. Kinzel, 1975.
L.: Almanach Wien 124, 1975, S. 408ff.; Czeike; H. Schindler, in: UWI 1, 1974, Nr. 2, S. 17; G. Wendelberger, in: Barden Blätter 23, 1974, S. 7ff.; H. Kinzel, in: Protoplasma 8, 1974, S. 1f. (mit Bild); H. Kinzel, in: Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft 88, 1975, S. 485ff. (mit Bild und W.); F. A. Stafleu – E. A. Mennega, Taxonomic literature, Suppl. 2, 1993, S. 158f.; UA (mit Bild), Wien; Kommunalfriedhof, Salzburg, Salzburg; Mitteilung Matthias Svojtka, Wien.
(D. Angetter)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)