Blau (Blau-Lang), Tina (Regina Leopoldine) (1845–1916), Malerin

Blau (Blau-Lang) Tina (Regina Leopoldine), Malerin. Geb. Wien, 15. 11. 1845; gest. ebd., 31. 10. 1916 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); mos., ab 1883 evang. AB. Tochter des Militärarztes und späteren Zahnarztes Simon Blau (geb. Prag, Böhmen / Praha, CZ, 28. 2. 1811; gest. Wien, 2. 12. 1880) und der Theresia Blau, geb. Schlesinger (geb. Battelau, Mähren / Batelov, CZ, 24. 12. 1811; gest. Wien, 5. 8. 1894); ab 1883 verheiratet mit dem Münchner Pferde- und Schlachtenmaler Heinrich Lang (geb. Regensburg, Bayern/D, 24. 4. 1838; gest. München, Bayern/D, 8. 7. 1891). – Gefördert vom Vater, nahm B. mit 14 Jahren ersten Malunterricht bei Antal Hanély, ab 1860 bei →August Schaeffer von Wienwald, der sie zum Malen in der freien Natur (Mähren, Siebenbürgen 1861–62) motivierte; 1865 besuchte sie die Malschule von Josef Matthäus Aigner. Bereits 1867 nahm sie mit „Kalkofen bei Abendbeleuchtung“ an einer Ausstellung im Österreichischen Kunstverein teil. 1869–73 hielt sie sich in München auf, wo sie in Ausstellungen die französischen Realisten (Schule von Barbizon) studierte und die private Malschule des Münchner Historienmalers Wilhelm Lindenschmit des Jüngeren besuchte; dazwischen weilte sie immer wieder in Österreich. Ab 1872 kam sie in Kontakt mit der Künstlerkolonie um →Emil Jakob Schindler und bereiste mit diesem gemeinsam 1873–74 Ungarn (u. a. Szolnok) und 1875 Holland (hier nahmen ihre Bilder einen warmen rötlich-braunen Farbton an). Ab 1877 unterhielt B. ein gemeinsames Prater-Atelier mit Schindler, das sie 1879 übernahm, und es entstanden ihre ersten Praterbilder. Es folgten Reisen nach Italien – 1876 Venedig, 1879 Rom und Neapel, 1885 Rom –, wobei in ihren Arbeiten unter dem Eindruck des südlichen Lichts eine Aufhellung der Farbpalette stattfand. Ihr 1882 im Wiener Künstlerhaus präsentiertes Hauptwerk „Frühling im Prater“ (Österreichische Galerie Belvedere, 1899 angekauft) erfuhr wegen seiner Helligkeit vorerst Ablehnung, wurde aber auf Fürsprache von →Hans Makart ausgestellt, 1883 (auf Einladung des französischen Kulturministers Antonin Proust) im Pariser Salon präsentiert und mit der Auszeichnung Mention honorable prämiert. In der Folge reiste sie nach Barbizon und Fontainebleau und stattete das Palais Zierer (Wien 4, 1882) mit Deckenfresken (Blumenmotive) aus. Ihr 1888/89 entstandenes Werk „Gestürzte Größe“ wurde auf den Weltausstellungen Paris (1889) und Chicago (1893) ausgezeichnet. Ab 1889 wirkte B. als Lehrerin für Landschaft und Stillleben an der 1884 gegründeten Damenakademie des Münchner Künstlerinnen-Vereins. Nach dem Tod ihres Ehemanns übersiedelte sie 1894 nach Wien und unterrichtete 1898–1915 an der 1897 gegründeten Kunstschule für Frauen und Mädchen; 1904–08 unternahm sie Reisen nach Holland, Istrien sowie 1914 nach Ungarn. B. unterhielt Kontakte zu →Auguste Fickert, →Marie Freifrau Ebner von Eschenbach und →Rosa Mayreder, die ab 1899 B.s Malkurse besuchte und unter dem Pseudonym Franz Arnold Rezensionen über B.s Arbeiten verfasste. Ihr Œuvre zeigte die Künstlerin auf zahlreichen internationalen und nationalen Ausstellungen, u. a. auf der Weltausstellung in Antwerpen (1885), der Jubiläums-Ausstellung in Berlin (1886), 1890 – als Wanderausstellung konzipiert – im Münchner Kunstverein (dann in Berlin, Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig) und in Wien (1900: Kunsthandlung S. Kende; 1909, 1914: Galerie Arnot). B. ist als Freilichtmalerin unter der Wiener Künstlerschaft ihrer Zeit eine Ausnahmeerscheinung. Sie orientierte sich nicht am romantisch geprägten Stimmungsimpressionismus, sondern entwickelte unter dem Einfluss der französischen Realisten eine nüchterne, wirklichkeitsnahe Malweise. Die anfänglich noch tonig gemalten Bilder wurden nach den Italienreisen immer heller und kleinteiliger. Neben kleinen Skizzen entstanden großformatige Bilder mit fleckig impressionistischem Farbauftrag unter Einbeziehung der ortsspezifischen Lichtverhältnisse, zum Teil in kräftigen Farben. B. schilderte das moderne Leben der kleinen Leute, wobei sie ihren Motiven eine unsentimentale, kühle, fast wissenschaftliche Objektivität der Natursicht zugrunde legte. 1894 erhielt sie die Königlich Bayerische Medaille am Band, 1897 die Kleine goldene Medaille der Wiener und 1912 die Große goldene Staatsmedaille der Salzburger Künstlergenossenschaft. Ab 1909 war sie korrespondierendes Mitglied des Aquarellisten-Clubs.

Weitere W.: s. ÖKL; Versteigerung; Roser-de Palma; Pleinair; Natter – Jesina. – Teilnachlass: Österreichische Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und alten Drucken), Wienbibliothek im Rathaus (Handschriftensammlung), beide Wien.
L.: AKL; Czeike; Fuchs, 19. Jh.; Fuchs, Erg.Bd.; ÖKL (mit W.); Thieme–Becker; Vollmer; K. Murau, Wiener Malerinnen, 1895, S. 5ff.; A. Hirsch, Die bildenden Künstlerinnen der Neuzeit, 1905, S. 72ff.; Versteigerung des Künstlerischen Nachlasses der Landschaftsmalerin T. B., 1917 (mit W.); Z. Ebenstein, in: Mitteilungen der Österreichischen Galerie 12, 1968, Nr. 56, S. 71ff.; A. Roser-de Palma, Die Landschaftsmalerin T. B., phil. Diss. Wien, 1971 (mit W.); Z. Ebenstein, T. B. 1845–1916. Eine Wiener Malerin, Wien 1971 (Kat.); dies., in: Mitteilungen der Österreichischen Galerie 18, 1974, Nr. 62, S. 97ff.; H. Giese, in: Parnass 12, 1992, Nr. 4, S. 36ff.; S. Plakolm-Forsthuber, Künstlerinnen in Österreich 1897–1938, 1994, s. Reg.; Pleinair. Die Landschaftsmalerin T. B. 1845–1916, ed. T. G. Natter, Wien 1996 (Kat., mit Bild und W.); J. Stelzer, Die holländischen Arbeiten im Werk von T. B., geisteswiss. DA Wien, 1999; T. G. Natter – C. Jesina, T. B. (1845–1916), 1999 (mit Bild und W.); A. Ch. Winklbauer, in: Jahrhundert der Frauen, ed. I. Brugger, Wien 1999, S. 61ff., 338 (Kat.); Geschichte der bildenden Kunst in Österreich 5, ed. G. Frodl, 2002, s. Reg.; A. Winklbauer, in: Stimmungsimpressionismus, ed. G. Frodl – V. Traeger, Wien 2004, S. 64ff. (Kat., mit Bild); J. M. Johnson, The Memory Factory. The Forgotten Women Artists of Vienna 1900, 2012, S. 19ff.
(S. Plakolm-Forsthuber)   
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2015  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 1, 1954), S. 92
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