Borysiekiewicz, Michael (Michał, Mychajlo) (1848–1899), Ophthalmologe

Borysiekiewicz Michael (Michał, Mychajlo), Ophthalmologe. Geb. Białobożnica, Galizien (Bilobožnycja, UA), 1. 3. 1848; gest. Graz (Steiermark), 18. 9. 1899; griech.-kath. Sohn des ukrainischen griechisch-katholischen Priesters Mychajlo Borysiekiewicz und von Barbara Borysiekiewicz, geb. Kulczycka; ab 1882 verheiratet mit Theresa Riedl (gest. Wien, 1909; begraben: Graz). – B. besuchte zunächst sechs Jahre das Gymnasium in Stanislau und danach jenes in Tarnopol, wo er der ukrainischen patriotischen Organisation Hromada angehörte. Nach der Matura studierte er 1866–72 Medizin an der Universität Wien; 1872 Dr. med., Mag. obstet. und Dr. chir. 1872–74 vertiefte B. seine Ausbildung als Aspirant bei →Ferdinand von Arlt, 1874–80 hatte er eine Assistentenstelle an der ophthalmologischen Abteilung bei →Carl Stellwag von Carion inne. 1881 habilitierte sich B. für Augenheilkunde und spezialisierte sich auf Augenchirurgie sowie auf die pathologische Anatomie des Auges. Seine Forschungen führte er am Institut für allgemeine und experimentelle Pathologie durch. 1880–87 betrieb er auch eine augenärztliche Praxis in Wien. 1887 übernahm B. den Lehrstuhl für Ophthalmologie an der Universität Innsbruck (1889/90 Dekan), 1892 wechselte er als Ordinarius für Ophthalmologie an die Universität Graz, wo er zusammen mit Alois Birnbacher Vorlesungen über pathologische Anatomie der Augen hielt, ein Laboratorium gründete und den Bibliotheksbestand wesentlich erweiterte. 1899 wurde er zum Dekan der medizinischen Fakultät gewählt, konnte das Amt aber nicht mehr ausüben. Wissenschaftlich befasste sich B. u. a. mit der vergleichenden Anatomie und Physiologie der Netzhaut, mit dem Krankheitsbild des Pemphigus conjunctivae, mit Kataraktoperationen, insbesondere mit der intrakapsulären Methode, mit ophthalmologischen Beobachtungen an Geisteskranken sowie mit der Anwendung von Kokain in der augenärztlichen Praxis. B. galt darüber hinaus als der Designer des ersten „künstlichen Auges“ für Blinde. Er stand in fachlichem Austausch mit bekannten Ärzten und Wissenschaftlern, u. a. mit dem Anatomen und Embryologen Wilhelm Roux, mit →Karl Nicoladoni, →Wilhelm Loebisch und →Włodzimierz Łukasiewicz-Łada. Zu seinen Schülern zählten →Adolf Sachsalber und Vinko Lušić-Matković, ihre fachlichen Kenntnisse vertieften bei ihm Bolesław Wicherkiewicz und Karl Bałłaban. Seine häufig auf Deutsch verfassten Beiträge veröffentlichte B. u. a. in den „Klinischen Monatsblättern für Augenheilkunde“, in der „Allgemeinen Wiener medizinische Zeitung“ sowie in der „Wiener Medizinischen Wochenschrift“. Erwähnenswert sind seine „Untersuchungen über den feineren Bau der Netzhaut“, 1887. Regelmäßig besuchte er seine Heimat, wo er Patienten kostenlos behandelte.

Weitere W.: s. Pagel.
L.: Grazer Tagblatt, 18., 19. (Parte), 20. 9. 1899 (Parte); Pagel (mit W.); PSB; Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, ed. F. Huter, 1969, s. Reg.; D. Heid, Personalbibliographien der Professoren und Dozenten der Augenheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien … von 1812 bis 1884, phil. Diss. Erlangen-Nürnberg, 1972, S. 103; R. Fellner – W. Höflechner, Die Augenheilkunde an der Universität Graz, 1973, s. Reg.; F. Daxecker, 125 Jahre Universitäts-Augenklinik in Innsbruck, 1869–1994: Ihre Vorstände, 1994, S. 19ff.; H. Huber, Geschichte der medizinischen Fakultät Innsbruck und der medizinisch-chirurgischen Studienanstalt (1673–1938), 2010, S. 282f. (mit Bild); J. Surman, Habsburg Universities 1848–1918, 2012, S. 247; A. Grzybowski, in: Acta Ophthalmologica 90, 2012, S. 193ff.; ders. u. a., in: Klinika Oczna 116, 2014, S. 219ff. (mit Bild); UA, Wien; UA, Graz, Steiermark; UA, Innsbruck, Tirol.
(M. Nadraga)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)