Brassloff, Stephan (1875–1943), Rechtswissenschafter

Brassloff Stephan, Rechtswissenschaftler. Geb. Wien, 18. 6. 1875; gest. Ghetto Theresienstadt, Protektorat Böhmen und Mähren, (Terezín, CZ), 28. 2. 1943; mos. Aus bürgerlichem Haus, verehelicht mit Ottilie Brassloff (geb. 3. 10. 1875; gest. Ghetto Theresienstadt, 21. 9. 1942). – In Wien und Prag aufgewachsen, maturierte B. 1893 am Gymnasium in Wien-Döbling und studierte Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien; 1898 Dr. jur. Nach Rechtspraxis bei verschiedenen Gerichten in Wien (1898–99) und Konzipiententätigkeit in einer Wiener Anwaltskanzlei (1899–1902) absolvierte B. ein Jahr an der Universität Leipizig bei →Ludwig Mitteis. 1903 habilitierte er sich mit der 1902 erschienenen Arbeit „Zur Kenntnis des Volksrechts in den romanisirten Ostprovinzen des römischen Kaiserreiches“ an der Universität Wien für Rechtsgeschichte des Altertums. Ab 1905 korrespondierendes Mitglied des Österreichischen Archäologischen Instituts, lehrte B. 1906–22 an der Wiener Handelsakademie Verfassungskunde und Handelsrecht, war ab 1906 Strafverteidiger am Oberlandesgericht Wien sowie Mitglied der rechtshistorischen Staatsprüfungskommission und ehrenamtlich bis 1918 im Hilfsbüro der Gemeinde Wien tätig. 1919 wurde er zum ao. Prof. des Römischen Rechts ernannt. B. beschäftigte sich zunächst v. a. mit dem griechisch-ägyptischen Recht, dann auch mit dem klassischen römischen Recht und mit Epigraphik. Politisch mit der Demokratischen Partei um →Julius Ofner sympathisierend, verfasste er in der Zwischenkriegszeit einige sozialreformerische Schriften, insbesondere zur Gleichberechtigung der Geschlechter. 1928 erschien eine Monographie zum Problem der „Rechtssicherheit“. Ein unter antisemitischen Vorzeichen gegen B. geführtes Disziplinarverfahren wegen angeblich unsittlicher Äußerungen in seinen Vorlesungen endete im Jänner 1926 mit einer Rüge für B., womit seine akademische Karriere praktisch beendet war. 1938 zunächst beurlaubt, dann – ohne Ruhegenüsse – in den Ruhestand versetzt, war B. von Fürsorgeleistungen der Israelitischen Kultusgemeinde abhängig. Im August 1942 wurde er gemeinsam mit seiner Frau ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo beide ums Leben kamen.

Weitere W.: s. Meissel, 2008.
N.: F. Leifer, in: Juristische Blätter 68, 1946, S. 163.
L.: O. Rathkolb, Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien zwischen Antisemitismus, Deutschnationalismus und Nationalsozialismus 1938, davor und danach, in: Willfährige Wissenschaft, ed. G. Heiß u. a., 1989, s. Reg.; S. Loewe, in: Totenbuch Theresienstadt, erweiterte Aufl. 1987, S. 3.2 (m. B.); F.-St. Meissel, Römisches Recht und Erinnerungskultur – zum Gedenken an S. B., in: Vienna Law Inauguration Lectures 1, 2008, S. 1–47 (m. W.); ders. – St. Wedrac, Strategien der Anpassung – Römisches Recht im Zeichen des Hakenkreuzes, in: Vertriebenes Recht – Vertreibendes Recht (im Druck); DÖW, Wien.
(Th. Olechowski)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)