Braumüller, Johann (1848–1928), Lehrer

Braumüller Johann, Lehrer. Geb. Penzing, Niederösterreich (Wien), 23. 4. 1848; gest. Klagenfurt (Klagenfurt am Wörthersee, Kärnten), 17. 12. 1928; röm.-kath. Sohn eines Eisenhändlers, Vater des Professors an der Klagenfurter Lehrerbildungsanstalt Hermann Braumüller (1886–1977); ab 1896 verheiratet. – Nach Absolvierung des Piaristengymnasiums in Wien studierte B. ab 1869 an der dortigen Universität Geographie bei →Friedrich Simony und →Wilhelm Tomaschek, Geschichte bei →Josef von Aschbach, P. →Albert Jäger und →Max Büdinger sowie Germanistik bei →Wilhelm Scherer; 1873 Lehramtsprüfungen für Obergymnasien für Geographie und Geschichte, 1874 für deutsche Sprache. 1874 Supplent, 1875 Professor für diese Fächer sowie für Pädagogik an den Bildungsanstalten für Lehrer und Lehrerinnen zu Klagenfurt, fungierte er 1887–92 als verantwortlicher Redakteur des „Kärntner Schulblatts“, 1890–1900 als Stadtschulinspektor und damit Mitglied des Stadtsenats in Klagenfurt sowie 1897–1907 als Leiter der höheren Töchterschule in Klagenfurt. 1909 trat er als Schulrat in den Ruhestand. B.s zentrales berufliches Anliegen war es, zur Stärkung des Selbstbewusstseins und zur Verbesserung der Position des Lehrers im gesellschaftlichen Gefüge das bisher handwerksmäßig orientierte und strukturierte Fach Pädagogik wissenschaftlichen Ansprüchen anzunähern. Für den bildungshistorischen Aspekt bedeutete dies etwa anstelle der herkömmlichen Lehrbücher (wie z. B. Robert Niedergesäßʼ „Leitfaden der Geschichte der Pädagogik“, 1880) sich an den Klassikern der Pädagogik, u. a. von Johann Amos Comenius, Jean-Jacques Rousseau, Christian Gotthilf Salzmann, Johann Friedrich Herbart oder Friedrich Adolph Wilhelm Diesterweg, zu orientieren. Für B. selbst bzw. für seine Interpretation dieser Klassiker war der zu dieser Zeit in Kärnten vorherrschende nationalliberale Zeitgeist bestimmend. Hinsichtlich des systematischen Aspekts sah B. Gustav Adolf Lindners „Lehrbuch der empirischen Psychologie, als inductiver Wissenschaft“ (1872) als vorbildhaft an, da dort sowohl der zielorientierte (Herbartianismus) als auch der empirisch-faktenorientierte Ansatz (Empirismus) Berücksichtigung finde. Als umfassenden Systemansatz favorisierte und proklamierte B. im Anschluss an den in Meran ansässigen und auf journalistischer bzw. literarischer Ebene mit ihm kooperierenden deutschen Darwinisten und radikalen, sich eng an Rousseau orientierenden Reformpädagogen Ewald Haufe ein „System der natürlichen Erziehung“; dieses ist sowohl als Nachahmung des Naturprozesses als auch als Berücksichtigung der allgemeinen menschlichen und individuellen Natur zu verstehen, sodass von einer Koinzidenz von Evolution und Edukation, von einer Analogie des Lernprozesses zum Werdeprozess der Welt gesprochen werden kann. Die Probe aufs Exempel lieferte B. im Fach Geschichte bzw. in der Abhandlung „Die Anwendung der Entwicklungslehre in der Weltgeschichte“ (in: Kärntner Schulblatt 6, 1892). Dort zielt das Prinzip bzw. das Bemühen, den Dingen auf den Grund zu gehen und damit von der geistigen Handwerkszunft zur Wissenschaft, vom Demonstrieren zum Argumentieren fortzuschreiten, darauf ab, dass in ähnlicher Weise wie in der Naturwissenschaft auch in der Geschichte nicht nach Geschehnissen, sondern nach Gesetzen Ausschau gehalten wird. Darüber hinaus trat er als Vortragender und im Zusammenhang damit als im „Kärntner Schulblatt“ sowie in der „Carinthia II“ zur Systematischen Geschichte, zur Geschichte der (österreichischen) Schule bzw. der (Klagenfurter) Lehrerbildungsanstalten, zu Fragen der Pädagogik, aber auch zur österreichischen Literaturgeschichte, zur deutschen Sprachgeschichte sowie zur Allgemeinen und insbesondere zur Historischen Geographie publizierender Autor hervor. B. engagierte sich u. a. auch in mehreren Funktionen im Verein Naturkundliches Landesmuseum für Kärnten.

Weitere W. (s. auch Lechner): Die Entwicklung der Klagenfurter Lehrerbildungsanstalt seit 1869, in: Bericht der k.k. Lehrerbildungsanstalt in Klagenfurt 3, 1882; Die natürliche Erziehung, oder das objective System der Pädagogik. Nach E. Haufe, in: Kärntner Schulblatt 5, 1891; Kärntner Heimats-Atlas. Stufengang des ersten geographischen Unterrichts an den Volksschulen Kärntens, 1895; Die Erweiterung unserer Kenntnis von der Erde im 19. Jahrhunderte, in: Carinthia II, 91, 1901.
L.: R. Puschnig, in: Carinthia II, 139/140, 1930, S. 80; Kärntischer Lehrerkalender ... für das Jahr 1892, 10, 1892, S. 85; G. Graber, in: Festschrift der Bundes-Lehrer- und Lehrerinnen-Bildungs-Anstalt in Klagenfurt. 7. Bericht, 1925, S. 59; Kärntner Schulblatt 18, 1918, S. 31, 29, 1929, S. 1; M. Jonach, Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung in Kärnten, 1999, S. 240ff.; E. Lechner, Der Lehrerbildner J. B. (1848–1928) als Verfasser von Arbeiten zur Historischen und Systematischen Pädagogik, 2012 (mit Bild und W.); UA, Wien; Dompfarre Klagenfurt, Klagenfurt am Wörthersee, Kärnten.
(E. Lechner)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)