Chiari, Karl (1912–1982), Orthopäde

Chiari Karl, Orthopäde. Geb. Wien, 9. 6. 1912; gest. ebd., 18. 1. 1982; röm.-kath. Enkel von →Ottokar Freiherr von Chiari, Sohn des Linzer Primararztes und späteren Vorstands des Linzer Allgemeinen Krankenhauses Richard Chiari (1882–1929) und von Maria Chiari, geb. Richter (geb. 1885); ab 1938 verheiratet mit Elfriede Chiari, geb. Wittasek (gest. 1941), ab 1944 mit der Orthopädin Elisabeth Fraundorfer. – C. besuchte zunächst das Gymnasium in Linz, später das Schottengymnasium in Wien (Matura 1930) und studierte anschließend dort Medizin; 1936 Dr. med. Zunächst arbeitete er am II. Anatomischen Institut unter Eduard Pernkopf, ab November 1936 bei →Egon Ranzi an der I. Chirurgischen Universitätsklinik. 1938 wechselte er innerhalb dieser Klinik in die orthopädische Abteilung, wo Albert Lorenz, Julius Hass und Gerhard (von) Haberler seine prägenden Lehrer wurden. 1939 erfolgte dort C.s Ernennung zum Oberarzt. Während des 2. Weltkriegs wurde er in der Versorgung Verwundeter, in der sogenannten Krüppelfürsorge sowie auf dem Gebiet der Rehabilitation körperbehinderter Kinder eingesetzt. 1951 übertrug man ihm als Nachfolger von Lorenz die Leitung der orthopädischen Abteilung, 1953 erfolgte seine Habilitation für das Fach Orthopädie; 1961 ao. Professor. Als man 1962 die orthopädische Abteilung als eigenständiges Institut von der I. Chirurgischen Universitätsklinik trennte, erhielt C. als Extraordinarius die Leitung. 1967 wurde ein entsprechendes Ordinariat eingerichtet, das C. übernahm. Er wurde somit zum ersten Direktor der neuen Orthopädischen Universitätsklinik, der er bis zu seinem Tod vorstand. In der Anfangszeit seines Direktorats oblag es C., die neue Klinik organisatorisch und personell weiterzuentwickeln. Er konnte dabei auf die gut funktionierenden Strukturen der orthopädischen Abteilung als Vorgängerinstitution zurückgreifen. Die Einführung moderner orthopädischer Diagnostik und Therapien stand ebenso auf seiner Agenda wie die Etablierung zeitgemäßer Operationstechniken. Mit seinem Mitarbeiter Fritz Meznik erforschte C. die Skoliose, mit Rainer Kotz, seinem späteren Nachfolger an der Universitätsklinik, und Martin Salzer die Therapie von Knochentumoren, mit Wolfgang Schwägerl die Knieendoprothetik und die Rheumaorthopädie sowie mit Karl Zweymüller die Hüftendoprothetik. Über viele Jahre hinweg war C. Betreuer der Waldschule in Wiener Neustadt, einer heilpädagogischen Einrichtung für körperbehinderte Kinder mit angeschlossenem Heim zur medizinisch-therapeutischen Rehabilitation. In der Heilstätte Grimmenstein gründete er eine Abteilung zur Therapie der Knochentuberkulose sowie chronischer orthopädischer Erkrankungen. C. verfasste über 80 wissenschaftliche Arbeiten, die alle Teilbereiche der Orthopädie repräsentieren: die diagnostische, operative, konservative und rehabilitative Orthopädie, letztere insbesondere bei geriatrischen Patienten. Seine Hauptforschungsgebiete waren die Skelett-Tuberkulose sowie die angeborenen Missbildungen der Hüfte, insbesondere die Hüftgelenksluxation. Diese behandelte er mit der später sogenannten C.-Operation: Zur Bildung eines künstlichen Pfannendachs wird der Beckenknochen durchtrennt und der obere Teil seitlich verschoben. Diese Operation, die ab dem 4. Lebensjahr möglich ist, kam zahlreichen Patienten zugute und begründete maßgeblich den Ruhm C.s und der Wiener Medizin in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wegweisend war C. auch auf dem Gebiet der Arthroplastik, einer Operation, bei der die Funktion eines Gelenks wiederhergestellt oder ein natürliches Gelenk durch ein künstliches ersetzt wird. C. war ab 1964 Präsident der Vereinigung der Orthopäden Österreichs, 1969 Präsident, ab 1974 Ehrenmitglied der Deutschen Orthopädischen Gesellschaft, korrespondierendes Mitglied des Royal College of Surgeons und der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädie sowie zahlreicher weiterer Fachgesellschaften in Frankreich, Ungarn, im ehemaligen Jugoslawien, in der Deutschen Demokratischen Republik und in den USA. Die Österreichische Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vergab den Prof. K. C. Preis.

W.: s. Lange.
L.: Czeike; Kürschner, Gel.Kal., 1925ff.; F. Endler, in: WMW 122, 1972, Sp. 407f. (mit Bild); M. Lange, Zeitschrift für Orthopädie und ihre Grenzgebiete 110, 1972, S. 277ff. (mit Bild und W.); H. O. Glattauer, Menschen hinter großen Namen, 1977; F. Meznik, in: WKW 94, 1982, S. 247f.; K. H. Tragl, Chronik der Wiener Krankenanstalten, 2007, s. Reg.; D. Angetter, K. C. – der erste Ordinarius für Orthopädie in Wien (mit Bild, nur online, Zugriff 23. 2. 2019); Pfarre Grinzing, UA, WStLA, alle Wien.
(W. E. Gerabek)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)