Chlumecký, Johann Freiherr von (1834–1924), Politiker und Beamter

Chlumecký Johann Freiherr von, Politiker und Beamter. Geb. Zara, Dalmatien (Zadar, HR), 23. 3. 1834; gest. Bad Aussee (Steiermark), 11. 12. 1924; röm.-kath. Sohn des Gutsbesitzers, Gubernialrats und Hofrats Anton Ritter von Chlumecký, Vater des Statthalterei-Sekretärs Leopold Freiherr von Chlumecký (geb. Wien, 3. 2. 1873); ab 1867 verheiratet mit Leopoldine Freifrau von Chlumecký, geb. von Liebenberg de Zittin (geb. Baden, Niederösterreich, 21. 10. 1848; gest. Wien, 27. 12. 1916). – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Brünn 1844–51 studierte C. 1851–55 Rechtswissenschaften an der Universität Wien; 1855 Dr. iur. Danach arbeitete er ab 1855 als Rechtspraktikant und 1856 als Auskultant. 1858 wurde C. Adjunkt und im Folgejahr Supplent in Strafsachen am Landesgericht Brünn. 1861 der Staatsanwaltschaft Brünn zugeteilt, wirkte er als Staatsanwaltssubstitut. Nachdem er 1867 den Gerichtsdienst verlassen hatte, avancierte C. 1868 zum Vizepräsidenten der Statthalterei in Brünn. Aus Protest gegen die politische Entwicklung trat er 1870 aus dem Staatsdienst aus. 1871 wurde er zum Ackerbauminister im Kabinett von →Adolf Fürst Auersperg berufen. Während seiner bis 1875 dauernden Amtszeit erwirkte er eine Reorganisation der Staatsdomänenverwaltung, eine Reform des land- und forstwirtschaftlichen Unterrichtswesens sowie die 1872 erfolgte Gründung der Hochschule für Bodenkultur in Wien. 1875 wechselte er ins Handelsministerium, wo er die Nachfolge von →Anton von Banhans antrat. In dieser Funktion trat C. für eine Sanierung der staatlich garantierten Privatbahnen ein, die schließlich im Eisenbahnexpropriationsgesetz von 1878 mündete. Daneben war er lange Zeit parlamentarisch aktiv: 1865–1906 Mitglied des mährischen Landtags sowie 1870–97 Abgeordneter im Reichsrat, wo er 1885–88 2. Vizepräsident, 1888–93 1. Vizepräsident und schließlich 1893–97 Präsident des Abgeordnetenhauses war. Während seiner Zeit als Abgeordneter gehörte C. verschiedenen liberalen Parteien an. Nach seiner Demission als Minister wurde er 1897 zum Mitglied des Herrenhauses auf Lebenszeit ernannt, schloss sich in dieser Funktion der Verfassungspartei an und fungierte als deren Obmann-Stellvertreter. C. war auch wesentlich beteiligt am Zustandekommen des Mährischen Ausgleichs von 1905. Neben seiner politischen Karriere fungierte er 1895–1913 als Präsident des Österreichischen Handelsmuseums in Wien sowie 1897–1910 als Präsident der Südbahngesellschaft. Ab 1900 Vizepräsident der Wiener freiwilligen Rettungs-Gesellschaft, fungierte er 1903–19 als deren Präsident. 1902 trat C. als Mitgründer der Allgemeinen Anti-Duell-Liga für Österreich auf und wirkte bis 1919 als deren Vizepräsident. 1873 erhielt C. den Orden der Eisernen Krone I. Klasse sowie die Geheimratswürde, 1879 das Großkreuz des Leopold-Ordens und 1907 das Großkreuz des St. Stephan-Ordens. 1889 erfolgte die Erhebung in den Freiherrnstand.

L.: WZ 22., Tages-Post (Linz), 23. 3. 1894; WZ, 22. 3., NFP, 12. 12. 1924; Adlgasser; NDB; F. Ott – W. Wieser, in: 100 Jahre Landwirtschaftsministerium, 1967, S. 65f.; E. Rutkowski, Briefe und Dokumente zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie 1, 1983, S. 29; J. Malíř u. a., Biografický slovník poslanců moravského zemského sněmu v letech 1861–1918, 2012 (mit Bild); AVA, UA, beide Wien; Pfarre Bad Aussee, Steiermark.
(P. Swoboda)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 2, 1954), S. 144
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