Conrad von Hötzendorf, Franz Graf (1852–1925), General

Conrad von Hötzendorf Franz Graf, General. Geb. Penzing, Niederösterreich (Wien), 11. 11. 1852; gest. Mergentheim, Deutsches Reich (D), 25. 8. 1925 (1925–2012 Ehrengrab: Friedhof Hietzing, Wien); röm.-kath. Sohn des Offiziers Franz Conrad von Hötzendorf (geb. 26. 6. 1793; gest. 30. 3. 1878) und von Barbara Conrad von Hötzendorf, geb. Kübler (geb. 1. 9. 1825; gest. 1. 8. 1915); ab 1886 verheiratet mit Wilhelmine Conrad von Hötzendorf, geb. von le Beau (geb. 27. 12. 1860; gest. 29. 4. 1905), ab 1915 mit Virginia Gräfin Conrad von Hötzendorf, geschiedene Laura Baronin Reininghaus, geb. Agujari, adoptierte Agujari-Kárász. – C. absolvierte ab 1863 die Kadettenschule in Hainburg, ab 1867 die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, wo er 1871 als Leutnant zum 11. Feldjäger-Bataillon ausgemustert wurde, und ab 1874 die Kriegsschule in Wien. Seine Teilnahme am Okkupationsfeldzug in Bosnien-Herzegowina 1878/79 im 4. Infanterie-Truppen-Divisionskommando war sein erster Militäreinsatz. Danach nahm er noch an der Niederwerfung des Aufstands in Süddalmatien 1882/83 teil. C. lernte leidenschaftlich gern Sprachen und interessierte sich außerordentlich für Geographie und Gesellschaft. 1878–83 wurde er dementsprechend beim Generalstab im Landesbeschreibungsbüro in Wien eingesetzt; 1887 Major. 1888–92 fungierte C. als Lehrer an der Kriegsschule in Wien. In dieser Zeit begann er sich mit militärwissenschaftlichen Publikationen europaweit einen Namen als Autor zu machen. 1890 Oberstleutnant, kehrte C. 1892 wieder in den Truppendienst zurück und führte bis 1894 das Infanterieregiment Nr. 93 in Olmütz (1893 Oberst). 1895 übernahm er das Kommando des prestigeträchtigen Infanterieregiments Nr. 1 in Troppau. 1899 Generalmajor, fungierte er bis 1903 als Kommandant der 55. Infanteriebrigade in Triest und war damit höchster militärischer Repräsentant in der Hafenstadt. 1903 Feldmarschallleutnant, kommandierte er bis 1906 die 8. Infanterie-Truppen-Division in Innsbruck. Danach wurde er auf Betreiben von Erzherzog →Franz Ferdinand zum Chef des Generalstabs berufen; 1908 Feldzeugmeister und General der Infanterie. Als Verfechter eines sozialdarwinistischen Weltbilds verfolgte C. in seiner Amtsführung einen offensiven, auf Präventivkriege angelegten Ansatz. Durch rasche, begrenzte Kriege sollten die von ihm als Hauptfeinde der Monarchie gesehenen Königreiche Serbien und Italien in die Schranken gewiesen oder überhaupt inkorporiert werden. Dies erregte insbesondere in der kaiserlichen Hofkanzlei, aber auch im Ministerium des Äußern Widerspruch. V. a. seine laufenden Konflikte mit →Aloys Graf Lexa von Aehrenthal führten 1911 letztlich zu seinem Rücktritt als Chef des Generalstabs. In den darauffolgenden Monaten blieb C. jedoch als Armeeoberinspektor an entscheidender Stelle tätig und verhandelte mit Rumänien eine Militärkonvention. 1912 wurde er neuerlich zum Chef des Generalstabs ernannt und drängte weiterhin auf einen möglichst raschen Krieg gegen Serbien und Italien. Nach der Ermordung des Thronfolgers 1914 in Sarajevo sah er die Chance für den lange geforderten Krieg, auf den er trotz Bedenken über die mittlerweile offenbar gewordene Stärke der potenziellen Kriegsgegner und der Gefahr eines Mehrfrontenkriegs setzte. Im Schatten der militärischen Niederlagen im Herbst und Winter 1914/15, an denen C. durch Fehlentscheidungen und Zögern mitverantwortlich war, wurden im Hinterland der Fronten gegen Russland und Serbien auch Tausende pauschal als verdächtig verfolgte Zivilisten kurzerhand standrechtlich abgeurteilt und getötet, vertrieben oder in Zivilinterniertenlager verbracht. 1915 Generaloberst, 1916 Feldmarschall, bildete sich zwischen Kaiser →Karl und ihm kein Vertrauensverhältnis mehr, weshalb C. 1917 als Chef des Generalstabs abgelöst wurde. Daraufhin wurde ihm 1917/18 das Kommando der nach ihm benannten Heeresgruppe „Conrad“ in Tirol zugewiesen. Nach ausbleibenden Erfolgen erfolgte Mitte Juli 1918 die Enthebung aus der Kriegsverwendung und gleichzeitig die Erhebung zum Obersten aller Garden, Anfang Dezember desselben Jahres wurde er pensioniert. Nach dem Krieg lebte C. zurückgezogen und widmete sich dem Verfassen seiner in der Militärgeschichte bis heute rezipierten Dienst- und Kriegserinnerungen. Zeit seines Lebens war er begeisterter Alpinist. C. starb während eines Kuraufenthalts. Sein Begräbnis in Wien manifestierte sich zum politischen Akt, in dem die „alte Größe“ und „militärische Kraft“ der Habsburgermonarchie insbesondere von christlich-sozialen und monarchistischen Politikern begangen wurde. Sein Ehrengrab wurde 2012 in ein Historisches Grab umgewandelt. 1908 erhielt er den Orden der Eisernen Krone I. Klasse, 1911 das Großkreuz des Leopold-Ordens, 1917 das Großkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens sowie den Orden Pour le mérite mit Eichenlaub. C. war lebenslängliches Mitglied des österreichischen Herrenhauses, fünffacher Ehrendoktor österreichischer Hochschulen und Chef des königlich preußischen 5. Garde-Regiments zu Fuß. 1909 wurde er Inhaber des 39. Infanterieregiments. 1907 Geheimer Rat; 1910 erfolgte die Erhebung in den Freiherren- sowie 1918 in den Grafenstand.

W. (s. auch Broucek – Peball): Zum Studium der Taktik, 2 Bde., 1891; Aus meiner Dienstzeit 1906–19, 5 Bde., 1921–25. – Nachlass: KA, Wien.
L.: Adlgasser; C. v. H. Private Aufzeichnungen …, ed. K. Peball, 1977 (mit Bild); P. Broucek – K. Peball, Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, 2000, S. 326ff. (mit W.); L. Sondhaus, F. C. v. H.: Architect of the Apocalypse, 2000 (mit Bild); W. Dornik, Des Kaisers Falke. Wirken und Nach-Wirken von F. C. v. H., 2013 (mit Bild); KA, Wien.
(W. Dornik)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)