Csokor (Čokor), Johann Nepomuk (Istvan) (1849–1911), Veterinärmediziner

Csokor (Čokor) Johann Nepomuk (Istvan), Veterinärmediziner. Geb. Wien, 4. 4. 1849; gest. Mödling (Niederösterreich), 7. 1. 1911; röm.-kath. Sohn des Alexander Csokor, Beamter der Kaiser Ferdinands-Nordbahn, der der serbischen, griechisch-orientalischen Gemeinde in Wien entstammte, und der Anna Csokor, geb. Schindler; ab 1877 mit Emilie Csokor, geb. Müller, verheiratet. – C. besuchte das orthodoxe Gymnasium in Karlowitz in Syrmien und maturierte 1867 in Pest. Im Anschluss daran studierte er Medizin an der Universität Wien, unterbrochen durch seinen Militärdienst 1870/71; 1874 Dr. med. Bereits 1873 begann C. seine veterinärmedizinische Laufbahn als Pensionär am Militär-Thierarznei-Institut in Wien. 1875 schloss er das Studium der Tierheilkunde ab, erhielt eine Assistentenstelle an der Lehrkanzel für Anatomie und Physiologie, wurde mit Vorlesungen über Histologie und Parasitenkunde betraut und führte den histologisch-mikroskopischen Unterricht ein. Ab 1876 als temporärer und ab 1879 als permanenter Lehrbeauftragter an der Lehrkanzel für Zootomie tätig, wurde C. 1880 zum Professor für allgemeine Pathologie und gerichtliche Veterinärmedizin ernannt. 1883 trat er als Adjunkt die Nachfolge von Andreas Bruckmüller an, 1884 vertiefte er seine Kenntnisse bei Robert Koch in Berlin. 1890 lehrte er zudem Fleischbeschau. Bereits ab 1889 auch ao. Professor für infektiöse und parasitäre Krankheiten, wandte er sich vermehrt der Parasitologie zu, sodass 1906 ein Lehrstuhl für diese Disziplin eingerichtet wurde. C. begründete zudem die Stationen für diagnostische Tierimpfung und machte diese weithin bekannt. Daneben lehrte er ab 1890 als Privatdozent und ab 1895 als unbesoldeter ao. Professor der Veterinärmedizin an der Wiener Universität. Weiters fungierte er als Sachverständiger für Seuchentilgung bei der Armee und wurde 1874 zum Oberarzt der Reserve ernannt. 1909 trat er als o. Professor und Hofrat in den Ruhestand. Mit C. gelangte eine dynamische und vielseitig begabte Persönlichkeit an die Lehrkanzel für Anatomie und Physiologie. Er beschäftigte sich vorwiegend mit infektiösen Krankheiten, darunter Rotz, Tuberkulose, Aktinomykose, Tollwut und Geflügelpocken. Ausführlich widmete er sich der experimentellen Pathologie und initiierte einen Zubau für Versuchstierstallungen. Während seiner mehr als 33-jährigen Dienstzeit bereicherte er die Lehrkanzel für pathologische Anatomie und Zoologie durch eigene Präparationsarbeiten sowie umfangreiche und wertvolle Sammlungen, das Ergebnis wiederholter Studienreisen, darunter zur zoologischen Station in Neapel. Als Mitarbeiter mehrerer wissenschaftlicher Zeitschriften (u. a. „Oesterreichische Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Veterinärkunde“, „Allgemeine Wiener medizinische Zeitung“ und „Wiener klinische Wochenschrift“) sowie Jahresberichte veröffentlichte er zahlreiche Fachbeiträge und war zudem 1899 Mitherausgeber des 3. Bands der „Zeitschrift für Thiermedicin“. Erwähnenswert ist sein „Lehrbuch der gerichtlichen Thierheilkunde“ (1898, 2. Aufl. 1902 als „Lehrbuch der gerichtlichen Thiermedicin und der thierärztlichen Gesetzeskunde“). C. entdeckte eine neue Art der Haarsackmilbe und beschrieb einen in Österreich damals noch unbekannten Rundwurm im Schweinemagen. Er erhielt u. a. 1898 das Ritterkreuz und 1909 das Offizierskreuz des Franz Joseph-Ordens und war Ritter des serbischen St. Sava-Ordens. Darüber hinaus war er Mitglied der Gesellschaft der Ärzte sowie Ehrenmitglied der serbischen Gesellschaft der Ärzte in Belgrad und der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Charkow im zaristischen Russland.

Weitere W.: Ueber Haarsackmilben und eine neue Varietät derselben bei Schweinen, in: Verhandlungen der kaiserlich-königlichen zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien 29, 1880; Ueber den feineren Bau der Geflügelpocke, in: Mittheilungen des Ornithologischen Vereines in Wien 8, 1884; Leben und Wirken der Schmarotzer, in: Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien 35, 1895; Die Wuthkrankheit, ebd. 37, 1897; Das Geschmacks- und das Geruchsorgan, in: Handbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Haustiere 1, ed. W. Ellenberger, 1906.
L.: NFP, 8. 1. 1911; Eisenberg 2; Fischer; Inauguration Univ. Wien 1911/12, 1911, S. 35ff.; A. Tschermak, in: Berliner tierärztliche Wochenschrift 34, 1911, S. 63; G. Günther, Die Tierärztliche Hochschule in Wien, 1930, S. 61; 200 Jahre Tierärztliche Hochschule in Wien, 1968, s. Reg.; W. Lechner, in: Wiener Tierärztliche Monatsschrift 57, 1970, S. 165ff.; Ch. Stanek – Ch. Mache, ebd. 86, 1999, S. 201ff.; Historisches Archiv der Veterinärmedizinischen Universität, UA, beide Wien.
(Ch. Mache)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)