Czermak, Emmerich (Emerich) (1885–1965), Politiker und Pädagoge

Czermak Emmerich (Emerich), Politiker und Pädagoge. Geb. Datschitz, Mähren (Dačice, CZ), 18. 3. 1885; gest. Wien, 18. 4. 1965; röm.-kath. Sohn des Finanzbeamten Josef Czermak (gest. 1918) und der Sophie Czermak, geb. Fiala, Bruder des Theologen Theodor Czermak (geb. Datschitz, 4. 11. 1882; gest. Wien, 5. 10. 1948), Vater u. a. des Kinderarztes und Sozialmediziners Hans Czermak (geb. Krems/Krems an der Donau, Niederösterreich, 18. 7. 1913; gest. Wien, 12. 12. 1989); verheiratet mit Johanna Czermak, geb. Drexler. – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Iglau (Matura 1903) studierte C. ab 1903/04 Geschichte und Geographie an der Universität Wien, wo er der katholischen Hochschulverbindung Nordgau beitrat; 1907 Dr. phil., 1908 Lehramtsprüfung für Geschichte und Geographie für Gymnasien und Realschulen. Seine Laufbahn als Lehrer begann er bereits 1907 am Realgymnasium in Stockerau, 1909–16 unterrichtete er an der Real- und Handelsschule in Krems, wo er 1914 auch Mitglied des Gemeinderats wurde, und danach wieder in Stockerau. 1921 zog er in den dortigen Gemeinderat ein und fungierte ab diesem Jahr als Obmann der Landes-Lehrerernennungskommission sowie des christlichsozialen Volksverbands. Im selben Jahr wurde er in den niederösterreichischen Landtag gewählt, dem er bis 1934 angehörte. 1927 übernahm er das Amt des Vizebürgermeisters in Stockerau. 1928 wechselte C. als Direktor an das Gymnasium in Hollabrunn. 1929–32 fungierte er als Bundesminister für Unterricht, ab 1933 als letzter Obmann der christlichsozialen Partei, bis diese 1934 aufgelöst wurde und in der Vaterländischen Front aufging. Anschließend war C. bis 1938 Mitglied des ständischen Landtags sowie 1934–38 zunächst geschäftsführender Präsident, dann Vizepräsident des Landesschulrats für Niederösterreich. 1938 fristlos entlassen und kurzfristig von der Gestapo verhaftet, arbeitete er in der Folge als Versicherungsagent. 1945 wurde er rehabilitiert und fungierte als öffentlicher Verwalter der Viktoria-Versicherungs-AG sowie ab 1953 als Präsident der 1946 gegründeten Österreichisch-Holländischen Gesellschaft. C. war Gründungsmitglied des Österreichischen Cartellverbands (ÖCV), der 1933 aus der Abspaltung vom deutschen Cartellverband hervorgegangen war, und stand politisch →Engelbert Dollfuß nahe, der bereits 1920 auf der Versammlung des Cartellverbands (CV) den (in der Abstimmung abgelehnten) Antrag gestellt hatte, nur Studenten mit nachweisbarer „deutsch-arischer“ Abstammung als Mitglieder zuzulassen. 1936 verlautbarte C. bei einer Schulungstagung für junge Funktionäre, dass die „Judenfrage“ innerhalb des ÖCV gelöst und der „Arierparagraph“ erfüllt sei. Auf sein Betreiben hin wurden Studenten an österreichischen Hochschulen in nationale Gruppen gegliedert, wobei deutschsprachige Studenten jüdischer Religionszugehörigkeit aus der deutschen „Studentennation“ ausgeschlossen wurden. Die Minderheitenrechte, die Juden als eigener „Nation“ zugesprochen werden sollten, seien allemal als mindere Rechte zu beurteilen, gedacht als Erschwernis der Assimilation. C. unterschied sich in seinem Antisemitismus nicht wesentlich von anderen führenden Mitgliedern des ÖCV in dieser Zeit, ebenso wenig stieß er auf nennenswerten Widerstand. Neben den rassistischen und völkischen Elementen ist C.s Antisemitismus durchtränkt von Nationalismus, Antiliberalismus und Antiintellektualismus, wie seine Schrift „Verständigung mit dem Judentum?“, erschienen in E. C. – Oskar Karbach, „Ordnung in der Judenfrage“ (1933), deutlich zeigt. Der „Jude“ sei „wurzellos“ und „entartet“ und bleibe inmitten des „Gastvolkes“ ein „Fremdkörper“, der Antisemitismus sei ein legitimes Abwehrinstrument der Assimilation, die sowohl das „Gastvolk“ als auch die Juden selbst schwer belaste. Am Beispiel C.s zeigt sich, dass Gegnerschaft zum Nationalsozialismus bei gleichzeitigem Antisemitismus nicht notwendigerweise ein Widerspruch war. C. erhielt das Großkreuz des päpstlichen St. Gregor-Ordens und 1932 das Große Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich. 1955–63 fungierte er als Präsident der Pfadfinder Österreichs, ab 1963 als deren Ehrenpräsident.

Weitere W.: Geschichte Hermanns, Markgrafen von Baden und Herzogs von Oesterreich und Steier, phil. Diss. Wien, 1907 (auch in: Jahresbericht über die Niederösterreichische Landes-Oberrealschule ... Krems 1911/12, 1912); Der CV und die Judenfrage, in: Der CV, Träger des katholischen Farbstudententums und die neue Zeit, ed. R. Krasser, 1936; Demokratie und Wahlrecht, 1948. – Teilnachlässe: AVA, Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, beide Wien.
L.: NFP, 22. 5. 1932; WZ, 18. 3. 1965; L. Jedlicka, in: Österreich in Geschichte und Literatur 8, 1964, S. 268ff., 323ff., 358ff.; B. F. Pauley, From Prejudice to Persecution, 1992, S. 164ff. (mit Bild); Biographisches Handbuch des NÖ Landtages und der NÖ Landesregierung 1921–95, 1995; St. Neuhäuser, in: „Wir werden ganze Arbeit leisten ...“. Der austrofaschistische Staatsstreich 1934, ed. St. Neuhäuser, 2004, S. 75, 90, 105f.; Niederösterreich im 20. Jahrhundert 3, ed. St. Eminger u. a., 2008, s. Reg.; K. Stögner, in: Handbuch des Antisemitismus 2/1, 2009, S. 157f.; E. Bezemek – M. Dippelreiter, Politische Eliten in Niederösterreich, 2011; Antisemitismus in Österreich 1933–38, ed. G. Enderle-Burcel – I. Reiter-Zatloukal, 2018, s. Reg.; Biographisches Lexikon des ÖCV (online, Zugriff 3. 4. 2018); UA, Wien.
(K. Stögner)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)