Czermak (Čermák), Joseph Julius (1799–1851), Mediziner

Czermak (Čermák) Joseph Julius, Mediziner. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 1. 6. 1799; gest. Wien, 14. 3. 1851; röm.-kath. Sohn des Mediziners Joseph Czermak d. Ä. (1767–1822), Bruder des Mediziners Johann Nep. Czermak d. Ä. (1797–1843), Onkel von →Johann Nep. Czermak d. J. , von →Jaroslav Czermak und →Joseph Czermak d. J.; ab 1825 verheiratet. – C. erhielt zunächst Privatunterricht und besuchte dann das Akademische Gymnasium. Ab 1815 studierte er Medizin an den Universitäten Prag und Wien. 1821 vertiefte er seine Kenntnisse auch auf einer Studienreise nach Dresden und Leipzig; 1823 Dr. med. in Wien. Zunächst Prosektor und danach Assistent an der Lehrkanzel für Anatomie, verlief seine Bewerbung um die physiologische Lehrkanzel an der Universität Pavia erfolglos. 1825 übernahm C. als Nachfolger von →Mihály Ignác von Lenhossék provisorisch die Lehrkanzel der Physiologie und höheren Anatomie in Wien und widmete sich vor allem der bis dahin in Wien kaum vertretenen vergleichenden Anatomie. Insbesondere interessierte er sich für mikroskopische Untersuchungen des Blutes. C. gelang es rasch, seine Schüler, darunter →Josef Hyrtl, der später sein Assistent wurde, für dieses Fach zu begeistern. 1827 zum Prof. für theoretische Medizin und gerichtliche Arzneikunde an die Universität Graz berufen, wurde er, noch ehe er seine Vorlesungstätigkeit beginnen konnte, zum o. Prof. für Physiologie und höhere Anatomie an der Universität Wien ernannt. Studienreisen führten ihn 1827 an die nördliche Adriaküste, wo er vor allem über die Anatomie der Seetiere forschte, und 1828 nach Paris, um im Muséum national d’histoire naturelle zu arbeiten. 1833 reiste er ein weiteres Mal zu vergleichend anatomischen Studien nach Italien. 1848 wurde er seines Amtes an der Universität enthoben, wirkte jedoch als praktischer Arzt weiter. C. verfasste zahlreiche Artikel über vergleichende Anatomie, Histologie, Mikroorganismen sowie Entwicklungsgeschichte und schuf den Grundstock für eine beachtliche Präparatesammlung. Als praktischer Arzt widmete er sich insbesondere Infektionskrankheiten. Er galt als anerkannter Choleraforscher, befasste sich aber auch mit Tuberkulose und der Wirkung von Schlangengift. Seine Untersuchungen über die Veränderung des Blutes sowie der Darmschleimhaut bei Cholerapatienten wurden in dem 1832 von Auguste Gerardin und Paul Gaimard veröffentlichten Werk „Du choléra-morbus en Russie, en Prusse et en Autriche pendant les anneés 1831 et 1832“ publiziert. In seinen letzten Jahren befasste er sich vor allem mit histologischen Untersuchungen zur Struktur der Geweihe und Knochen. Ab 1829 war er Mitherausgeber der „Medicinischen Jahrbücher des kaiserlich-königlichen österreichischen Staates“. C. war u. a. ab 1835 korrespondierendes Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft zu Halle, ab 1839 der Académie Royale de Médecine in Paris, ab 1840 der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg, ab 1841 der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Heidelberg, ab 1843 der Société royale des sciences médicales et naturelles de Bruxelles sowie ab 1845 der Accademia scientifico-letteraria dei Concordi in Rovigo. Weiters fungierte er 1832 als Sekretär der zoologischen Sektion bei der Versammlung der deutschen Naturforscher und Ärzte, ab 1838 gehörte er dem Vorstand der Gesellschaft der Ärzte in Wien an (1. bzw. 2. Sekretär).

Weitere W.: s. John.
L.: Hirsch; Lesky, s. Reg.; Otto; Wurzbach; Zeitschrift der k. k. Gesellschaft der Ärzte zu Wien 7, 1851, S. 495ff.; W. John, Personalbibliographien von Professoren und Dozenten der Physiologie, Psychiatrie und Ohrenheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im ungefähren Zeitraum von 1790–1878, med. Diss. Erlangen-Nürnberg, 1971, S. 14ff., 241 (m. W.); K. Kapronczay, in: Orvosi Hetilap 117, 1977, S. 3176f.; H. H. Egglmaier, Das medizinisch-chirurgische Studium in Graz, 1980, s. Reg. (m. L.); K. H. Tragl, Geschichte der Gesellschaft der Ärzte in Wien seit 1838, 2011, s. Reg.; UA, Wien; Mitteilung Marie Makariusová, Praha, CZ.
(D. Angetter)   
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)