Diesendorf, Walter (1906–1975), Elektrotechniker

Diesendorf Walter, Elektrotechniker. Geb. Wien, 14. 12. 1906; gest. Sydney (AUS), 29. 12. 1975 (begraben: Sydney, AUS). Sohn des jüdischen Kaufmanns Eliukim Wolf Diesendorf (1849–1915) und der Helene Diesendorf, geb. Thau (1865–1935); ab 1938 mit der ebenfalls aus Wien stammenden Lehrerin Margareta Amalia Gisela Maté verheiratet. – D. studierte ab 1924 Elektrotechnik an der Technischen Hochschule in Wien; 1929 Ingenieur, 1934 Dr. techn. Während seiner Studienzeit war er Mitglied der Vereinigung der Sozialistischen Studenten. 1928–38 arbeitete er für die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) in Wien. Einen Monat nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 flüchtete er in die Tschechoslowakei, von wo aus er einen Antrag auf ein Visum für Australien stellte. Mitte Dezember 1938 kam D. in Melbourne an. Drei Monate später fand er eine Stelle als Assistenzingenieur beim Sydney County Council. Die Vergabe dieser Position an einen Ausländer führte zu massiven Protesten und großem medialem Echo. Die Stadtverwaltung blieb jedoch bei ihrer Entscheidung, die sie in einer öffentlichen Aussendung damit begründete, dass kein anderer Ingenieur in Australien über D.s Ausbildung und Erfahrung verfüge. Während des 2. Weltkriegs war D. maßgeblich an der Planung eines unterirdischen Hochleistungsstromnetzes in Sydney beteiligt. Nach Kriegsende arbeitete er an der Anbindung der neu erschlossenen Kohlereviere in New South Wales an das staatsweite Stromnetz. 1950 wechselte D. zum Snowy Mountains Hydroelectric Scheme, einem der größten Wasserkraft- und Bewässerungsprojekte dieser Zeit. Seine intensive Arbeit sowie diverse Forschungsreisen nach Europa und in die USA führten zur Etablierung eines 330.000 Volt-Hochspannungsnetzes in Australien. 1967 zog sich D. von seiner Arbeit als Ingenieur zurück und nahm einen Lehrauftrag an der University of Sydney an. Bereits 1943 hatte er nebenberuflich erste Lehrerfahrungen am Sydney Technical College sammeln können. Das Wintersemester 1970/71 verbrachte er als Gastprofessor am Rensselaer Polytechnic Institute in den USA. Sein in dieser Zeit veröffentlichter Aufsatz „Overvoltages on High Voltage Systems“ entwickelte sich zum Standardtext. D. war Mitglied der Institution of Engineers of Australia, des International Council on Large Electric Systems sowie der Société des Ingénieurs de France. 1955 und 1962 wurde er mit dem renommierten Electrical Engineering Prize of the Institution of Engineers ausgezeichnet.

Weitere W.: Über die Entkopplung paralleler Hochspannungsleitungen mittels Ausgleichspule und Saugspule, techn. Diss. Wien, 1933; The 330kV Transmission System in New South Wales, in: Journal of the Institution of Engineers 27, 1955; The Snowy Mountains scheme: phase 1, the Upper Tumut projects, 1961; Pumping for hydro-electric power generation 1, fields of application, 1961; Report on remote control and telemetering installations for Murray Development and system control, Snowy Mountains Hydro Electric Authority, 1963; Insulation co-ordination in high-voltage electric power systems, 1974.
L.: Hdb. der Emigration 2; Hdb. jüd. AutorInnen; J. Diesendorf, in: Strauss to Matilda. Viennese in Australia 1938–88, ed. K. Bittmann, 1988, S. 23ff. (mit Bildern); Australian Dictionary of Biography 14, 1996; IKG, Wien.
(Ph. Strobl)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)