Ehrlich, Georg (1897–1966), Bildhauer, Graphiker und Maler

Ehrlich Georg, Bildhauer, Graphiker und Maler. Geb. Wien, 22. 2. 1897; gest. Luzern (CH), 1. 7. 1966 (Ehrengrab: Wiener Zentralfriedhof); mos. Sohn von Kurt Ehrlich, Vertreter einer deutschen Kohlefirma, und Rosa Ehrlich, geb. Kohn; ab 1930 verheiratet mit der Malerin Bettina Bauer. – Bereits seit der frühen Kindheit künstlerisch aktiv, besuchte E. mit 15 Jahren die Wiener Kunstgewerbeschule bei →Oskar Strnad und →Franz Čižek. 1916 wurde E. zum Kriegsdienst einberufen, den er in der Folge mit künstlerischen Mitteln verarbeitete. 1919 fand die erste Ausstellung seiner Werke in der Künstlergruppe Freie Bewegung statt und die Galerie Würthle publizierte zehn seiner Lithographien. 1921 entstand eines seiner wichtigsten Werke, die Mappe „Zehn Steinzeichnungen zur Bibel“, durch deren Veröffentlichung er das Kunsthistorikerehepaar Erica und Hans Tietze kennenlernte, die zu seinen engen Freunden wurden und immer wieder über seine Werke schrieben. Im selben Jahr zog E. nach München, wo er einerseits mit der Schauspielerin Elisabeth Bergner, die zu seinem bevorzugten Modell wurde, und andererseits mit dem einflussreichen Kunsthändler Hans Goltz, welcher erstmals seine Graphik umfassend ausstellte, zusammentraf. 1922 ging E. nach Berlin und lernte dort den Verleger und Kunsthändler Paul Cassirer kennen, musste aber aufgrund finanzieller Schwierigkeiten den Aufenthalt abbrechen und nach Wien zurückkehren. Sein Fokus fiel von nun an vermehrt auf das Porträt (Elisabeth Bergner; Familie Tietze; Alma Mahler-Werfel; Arnold Zweig). 1923 trat E. dem Hagenbund bei, gestaltete bereits im Frühjahr 1924 das Plakat für dessen 47. Ausstellung und wurde auch in das Hängekomitee aufgenommen. Besonders intensive Freundschaften schloss er dort mit Ludwig Heinrich Jungnickel und Josef Floch. Er wandte sich immer mehr der Plastik zu, während die Arbeit auf dem Papier als Vorbereitung zu seinen Skulpturen diente. Anfang 1930 lernte E. durch die Malerin Franziska Zach die Künstlerkollegin Bettina Bauer kennen. Es folgten gemeinsame Reisen ins Stubaital und in die Normandie, wo er sich dem Landschaftsaquarell widmete. Die folgenden Sommer verbrachte das Ehepaar in Grado, auf dem Anwesen der Familie Bauer, und unternahm ausgedehnte Reisen durch Italien. 1931 beteiligte sich E. mit seinen Arbeiten an der Internationalen Kunstausstellung in Brüssel, im Folgejahr stellte er zum ersten Mal bei der Biennale in Venedig aus. In der Folge erhielt er immer mehr öffentliche Aufträge, meist für Bronzen, und seine Ausstellungen führten ihn u. a. nach London, Köln oder Paris. 1937 stellte er das letzte Mal im Wiener Hagenbund aus. Aufgrund der politischen Ereignisse entschied er nach England zu emigrieren. Hier erhielt er viele Aufträge von britischen Aristokraten und Intellektuellen. 1940 erwarb das Toledo Museum of Art in Ohio eine seiner Büsten und kurz darauf wurden seine Werke in Chicago präsentiert. Im selben Jahr stellte er auch an der Royal Acadamy of Arts in London aus, wurde jedoch kurz danach auf der Isle of Man interniert. Obwohl E. und seine Frau nach einigen Monaten ein Affidavit für die USA erhielten, blieben sie in England und E. gestaltete u. a. in Coventry das Mahnmal „Pax“ für die Opfer der deutschen Luftangriffe. In der Nachkriegszeit beschickte E. schon nach kurzer Zeit wieder Ausstellungen in ganz Europa und den USA und widmete sich fast ausschließlich der Bildhauerei. Immer wieder griff er auf die Themen der 1920er- und 1930er-Jahre zurück, so z. B. die Auferstehung, Mutter und Kind oder generell die kindliche Unschuld. In diesen Jahren lernte er den britischen Komponisten Benjamin Britten kennen, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verband und der ein großer Sammler seiner Werke wurde. E. verbrachte zwar immer wieder einige Wochen in Wien, jedoch wollte er nicht mehr dauerhaft in die frühere Heimat zurückkehren. Aus gesundheitlichen Gründen verbrachte E. mit seiner Frau die letzten Lebensjahre fast ausschließlich in Ascona und Grado. Er verstarb während eines Sanatoriumsaufenthalts in Luzern. E. erhielt 1961 den Preis der Stadt Wien für Bildhauerei.

L.: AKL; Hdb. der Emigration 2; E. Tietze-Conrat, G. E., 1956; R. Waissenberger – R. Mikula, G. E. Plastik und Zeichnungen, Wien 1976 (Kat.); A. Hoerschelmann, G. E. 1897–1966, Wien 1997 (Kat.); G. E. Graphische Arbeiten, ed. B. Kreuter, 2002 (mit Bild); G. E. (1897–1966). Von der Zeichnung zur Bronze, ed. R. Oberbeck, St. Gilgen 2004 (Kat.); R. Oberbeck, G. E. (1897–1966). Zwischen Tradition und subtiler Innovation, geisteswiss. DA Salzburg, 2006; Zwischen den Kriegen – Österreichische Künstler 1918–39, ed. R. Leopold, Wien 2007 (Kat.).
(S. Bübl)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)