Einödshofer, Julius (1863–1930), Dirigent und Komponist

Einödshofer Julius, Dirigent und Komponist. Geb. Wien, 10. 2. 1863; gest. Berlin, Dt. Reich (D), 17. 10. 1930. Ab 1886 mit der Soubrette Marie Grimm-Einödshofer verheiratet. – E. besuchte 1876–82 das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und spielte aushilfsweise als Orchestermusiker in verschiedenen Wiener Theatern, zuletzt auch bei →Eduard Strauß. Ab 1886 war er als Kapellmeister an diversen Theatern der Monarchie tätig, zuerst in Bozen (Bolzano), wo er seine spätere Frau kennenlernte. Nach Stationen in Olmütz (Olomouc) und Innsbruck wurde er 1890/91 Direktor des Theaters in Znaim (Znojmo). In dieser Zeit entstanden erste eigene Bühnenwerke, meist Einakter oder Possen. Schließlich ließ er sich 1892 in der aufstrebenden Metropole Berlin nieder, wo er am neu eröffneten Scala-Theater als Kapellmeister und Komponist engagiert war. Ein Jahr später wirkte er in derselben Funktion am renommierteren Central-Theater, zeitweise mit →Leo Fall als Kollegen. Als Direktor →Richard Schultz 1898 an das damalige Theater unter den Linden wechselte, folgte ihm E. zusammen mit dem Dramaturgen und Textdichter Julius Freund. Unter dem neuen Namen Metropol-Theater entwickelte sich das Haus bald zur führenden Unterhaltungsbühne des mondänen Berlin. Besonders berühmt wurden die spektakulären Metropol-Theater-Revuen, deren erste drei von E. (jeweils auf Texte von Freund) komponiert wurden: „Das Paradies der Frauen“ (1898), „Berlin lacht“ (1899) und „Die verkehrte Welt“ (1900). 1901 wechselte er ans Thalia-Theater, eine reine Possen-Bühne, deren Star der Komiker Guido Thielscher war. Er kreierte 1902 in Jean Krens, Alfred Schönfelds und Leopold Elys Ausstattungsposse „Seine Kleine“ das Couplet „Hab’n Sie nicht den kleinen Cohn geseh’n?“, dessen mit antisemitischen Klischees spielender Text vom Schauspieler Alfred Schmasow stammte. Die Nummer wurde zu E.s größtem Erfolg und nicht nur in Berlin zum Schlager der Saison, sondern sogar in London. Dort wurde sie noch im selben Jahr unter dem Titel „Mr. Mosenstein“ in Ivan Carylls musical comedy „The Girl from Kays“ eingelegt. Später war E. vor allem als freier Dirigent tätig, so ab 1906 im noblen Ostseebad Heringsdorf, dessen berühmtes Kurorchester er bis zum 1. Weltkrieg während der Sommersaison leitete. 1909 übernahm er die musikalische Direktion des Apollo-Theaters in Berlin, zwei Jahre später fand er im zur Eisbahn umgebauten Admiralspalast seine letzte feste Wirkungsstätte. Zehn Jahre lang komponierte E. hier „große Ausstattungsballetts auf dem Eise“, darunter „Die lustige Puppe“ (1912), „Abrakadabra“ (1917) oder „Flirt in St. Moritz“ (1921). Danach zog er sich vom Theaterbetrieb zurück, leitete eine eigene Theateragentur, bekleidete den Vorsitz beim Verband Berliner Theaterkapellmeister und dirigierte im Rundfunk. Kurz vor einer Radiosendung erlitt er einen Herzinfarkt, an dessen Folgen er starb.

Weitere Werke (s. auch MGG II; Gänzl): ca. 50 Bühnenwerke, u. a. 14 Tage Arrest, 1884; Die Spiritisten, 1889; Berliner Vollblut, 1893; Eine tolle Nacht, 1895; Rund um Berlin, 1899; Der Mandarin von Tsing-ling-ting, 1900; Die bösen Mädchen, 1902; Götterweiber, 1904; Tohuwabohu, 1909; Mamas Liebling, 1915; Ja, ihr Mädels müßt dran glauben, 1927. – Lieder; Instrumentalwerke (Märsche, Walzer und andere Tänze).
L.: Frank–Altmann; Kosch, Theaterlex.; MGG II (m. W.); Müller; Riemann, 11. Aufl.; Schmidl; K. Gänzl, The Encyclopedia of the Musical Theatre, 1994 (m. W.); F. Backhaus, in: Abgestempelt. Judenfeindliche Postkarten. Auf der Grundlage der Sammlung W. Haney, ed. H. Gold – G. Heuberger, Frankfurt am Main 1999, S. 235ff. (Kat.); G. Wedel, Autobiographien von Frauen, 2010, S. 288.
(St. Frey)   
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 3, 1956), S. 234
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