Eisenmenger, Rudolf Hermann (1902–1994), Maler und Graphiker

Eisenmenger Rudolf Hermann, Maler und Graphiker. Geb. Piskitelep, Siebenbürgen (Simeria, RO), 7. 8. 1902; gest. Wien, 3. 11. 1994; evang. AB. Sohn von Dr. Rudolf Eisenmenger, Erfinder des „Biomotors“, eines Vorläufers der Eisernen Lunge, und Leiter des Sanatoriums in Hermannstadt, und der Hermine Eisenmenger, geb. Graffius, Großneffe von →August Eisenmenger; ab 1930 mit Sigilde Ertl (1905–1959), ab 1960 mit Ingeborg Ertl (1909–1993) verheiratet. – E. besuchte das Gymnasium in Hermannstadt, 1921 übersiedelte die Familie nach Wien, wo er 1921–29 Malerei an der Akademie der bildenden Künste bei →Hans Tichy und →Rudolf Bacher studierte (1926 und 1927 Meisterschul-Preis, 1929 Rom-Preis). Bald profilierte er sich als Öl- und Aquarellmaler, als hervorragender Zeichner (u. a. Tusche, Rötel, Silberstift) sowie als Meister in wandgebundenen Techniken. Als freischaffender Maler beteiligte er sich an vielen Ausstellungen, u. a. 1930 im Wiener Künstlerhaus (KH); 1932 erfolgte dort die erste umfassende Kollektivausstellung, die zahlreiche Aufträge und Bildankäufe zur Folge hatte. Die Teilnahme an der Biennale in Venedig (1936) mit dem Bild „Sinkende Nacht“ brachte ihm auch internationale Anerkennung. Auf Drängen von Hans Ranzoni beteiligte sich E. mit zwei Entwürfen am Kunstwettbewerb der IX. Olympischen Spiele in Berlin und gewann mit „Läufer vor dem Ziel“ die Silberne Olympiamedaille. Für die 75. Jubiläumsausstellung des Wiener KH gestaltete er die beiden Monumentalwerke „Das Leben“ und „Der Tod über allem Irdischen“, wofür er den Preis der Stadt Wien erhielt. Etliche Aufträge, u. a. als Porträtmaler („Die Kinder des Baron Rothschild“, 1937) sowie die künstlerische Ausgestaltung des großen Spielsaals des Kur-Casinos in Baden mit 24 Wandtafeln („Die Suche nach dem Glück“) folgten 1937. In diesem Jahr war E. auch bei der ersten großen Ausstellung im Haus der Deutschen Kunst in München mit „Volkslied“ und „Sinkende Nacht“ vertreten. Seine Arbeiten schlossen an die tradierten Werte des 19. Jahrhunderts an, dies zeigte sich besonders im großformatigen, gefühlsbetonten lyrischen Tafelbild. E., ab Februar 1933 Mitglied der NSDAP, wurde 1939 Vorsitzender der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus) und übernahm auf Drängen der Kollegen nach dem Zusammenschluss sämtlicher Künstlervereinigungen Wiens nun auch den Vorsitz der Gesellschaft bildender Künstler Wiens. Während seiner Tätigkeit unterstützte er seine Kollegen mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, so verzichtete er zugunsten Not leidender Künstler auf seine Funktionspauschale. 1944 konnte er außerdem die Beschlagnahme des KH zur Verwendung als Rüstungsbetrieb verhindern. 1939 fand E.s größte Ausstellung mit 62 Ölbildern, 54 Aquarellen und anderen Arbeiten in Bielefeld und Kassel statt und er war auf allen damals wichtigen Kunstausstellungen (Biennale in Venedig, München, Berlin) vertreten. Während des 2. Weltkriegs entstanden fünf öffentliche, zum Teil wandgebundene monumentale Auftragswerke und Tapisserieentwürfe (Wiener Rathaus, Bahnhof Wels, Rathaus Chemnitz) in einem der Zeit entsprechenden, verhärteten Stil mit klassizistischem Habitus. 1941 malte E. sein damals bekanntestes Gemälde „Die Nacht begleitet den Morgen“. Aufgrund seiner Funktionen in der Zeit von 1938 bis 1945 gestalteten sich die Nachkriegsjahre für E. schwierig: Verlust des Ateliers in Wien 4, Beschlagnahme seines Wohnhauses in Rodaun, 1945 Ausschluss aus dem KH, 1947 Wiederaufnahme (persönliche Bürgschaft von Stadtrat Viktor Matejka). In der Wiederaufbauzeit nach 1947 beteiligte sich E. erneut erfolgreich an öffentlichen Ausschreibungen und Wettbewerben und war ab 1949 wieder im leitenden Ausschuss des KH tätig. 1950 folgten für den neuen Festsaal der Wiener Staatsoper 171 m² Tapisserieentwürfe und Kartons, als Vorlage für das größte jemals in Österreich gewebte Tapisseriewerk. E. gelang damit die Verbindung zum internationalen Kunstschaffen in dieser Gattung und er erzielte dadurch viele Aufträge (u. a. Flughafen Wien-Schwechat, Unilever Rotterdam, Wiener Städtische Versicherung, Technische Hochschule). 1955 gewann er die Ausschreibung für den Eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper mit dem 170 m² großen Gemälde „Orpheus und Eurydike“ auf 23-karätigem Blattgoldgrund. 1951 wurde E. als ao. Professor und Institutsvorstand an die Technische Hochschule berufen, 1959 o. Professor, 1957–60 Senator, 1961/62 Dekan der Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur, 1972 Emeritierung. E. prägte das Kunstgeschehen Österreichs fast 70 Jahre mit und ist als wichtiges Bindeglied zwischen Tradition und Moderne zu sehen. Im Tafelbild nach 1950 gelang ihm eine einzigartige Wiederbelebung des Symbolismus in Österreich, die ihren Niederschlag in vielen farbkräftigen Werken wie etwa „Horchende“, „Präludium“, „Träumende“, „Frühling“ und „Der Letzte“ findet. Zu seinem Œuvre zählen auch zahlreiche bedeutende religiöse Werke wie Kreuzwege für die Kirche von St. Christoph in Baden und St. Erhard in Wien-Mauer (Mosaik). E. fungierte 1963–72 als künstlerischer Beirat in der Kunstkommission der Universität Wien und war ab 1930 Mitglied, ab 1972 Ehrenmitglied des KH. Er erhielt u. a. das Österreichische Verdienstkreuz für Kunst und Wissenschaft und die Goldene Ehrenmedaille des KH (1936), den Albrecht-Dürer-Preis (1942) und den Professorentitel (1943), das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse (1957), den Goldenen Lorbeer des KH (1972) und das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (1973).

Weitere W.: s. Missbach, 1986.
L.: AKL; Czeike; Emődi; Vollmer; P. Verlet u. a., Das große Buch der Tapisserie, 1965, S. 160; M. Missbach, R. H. E., 5 Bde., phil. Diss. Wien, 1986 (mit Bild und W.); M. G. Davidson, Kunst in Deutschland 1933–45, 2/1, 1991; M. Missbach, R. H. E., Wien 2002 (Kat., mit Bild); ABK, evang. Pfarre Gumpendorf, TU, alle Wien; Bundesarchiv Berlin, D.
(M. Missbach)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)

Medien
Am Weg, um 1985
Begegnung (Entwurf), 1944
Eiserner Vorhang (Entwurf) für Staatsoper Wien, 1954/55