Erben, Sigmund (Siegmund) (1863–1942), Internist und Neurologe

Erben Sigmund (Siegmund), Internist und Neurologe. Geb. Neutra, Ungarn (Nitra, SK), 25. 4. 1863; gest. Ghetto Theresienstadt, Protektorat Böhmen und Mähren (CZ), 12. 12. 1942; mos., ab 1918 röm.-kath. Sohn des Buchhändlers und Verlegers Emanuel Erben (gest. Wien, 19. 10. 1885) und der Rosa Erben, geb. Heit (1842–1924); ab 1904 verheiratet mit Maria Erben, geb. Iritzer (1877–1965). – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Wien-Landstraße studierte E. ab 1880 Medizin an der Universität Wien; 1886 Dr. med. Seine Fachausbildung erwarb er an der I. medizinischen Klinik bei →Hermann Nothnagel sowie an der II. medizinischen Klinik bei dem Internisten →Otto Kahler sowie bei →Friedrich Kraus. Nach fünfjährigem Spitalsdienst als Sekundararzt am Allgemeinen Krankenhaus wurde er 1891 zum Leiter des Ambulatoriums für Nervenkranke der Wiener Krankenkassen bestellt und verblieb in dieser Funktion rund drei Jahrzehnte. Außerdem war er als Sachverständiger für Neurologie beim Landesgericht Wien beeidet. 1901 habilitierte er sich als Privatdozent für Innere Medizin, 1912 wurde er zum ao. Professor ernannt. Seine Lehrtätigkeit übte er bis 1934 aus. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 war E. als sogenannter Fachbehandler für Nerven- und Geisteskrankheiten zur Behandlung ausschließlich jüdischer Patienten zugelassen. Im Oktober 1942 wurde er gemeinsam mit seiner Frau ins Ghetto Theresienstadt deportiert, wo er wenig später starb. E. befasste sich u. a. mit der Auswirkung der Schwerkraft auf die menschlichen Bewegungen, mit dem nervösen Herzen (Vagussymptom), mit Ischias, Schwindel, Unfallneurosen und der Vortäuschung von Krankheitssymptomen. Seine in mehreren Auflagen erschienene Schrift „Diagnose der Simulation nervöser Symptome“ (1912, 3. Aufl. 1930) wurde zu einem Standardwerk auf diesem Gebiet. Im 1. Weltkrieg beschäftigte er sich insbesondere mit den psychiatrischen und neurologischen Auswirkungen des Kriegsgeschehens auf Soldaten. Hofrat E. war Namensgeber für neurologische Erscheinungen wie das von ihm beschriebene Kniephänomen (kühlere Temperatur der Kniescheibe am erkrankten Bein im Vergleich zum gesunden bei Ischialgie-Patienten) und das Pulsphänomen (vorübergehende Verlangsamung des Pulses beim Vornüberbeugen, Hocken usw.). In Abgrenzung zur Psychoanalyse sah er die Ursache psychischer Störungen hauptsächlich in der erblichen Konstitution begründet. Er war Mitglied des Vereins für Psychiatrie und Neurologie, der Gesellschaft für Innere Medizin in Wien sowie ab 1899 der Gesellschaft der Ärzte in Wien.

Weitere W. (s. auch UA): Neue Beiträge zur Kenntniss der Reflexe, in: WMW 40, 1890; Zur Klinik und Pathologie des Ischias, in: WKW 7, 1894; Ischias skoliotica (Skoliosis neuralgica). Eine kritische Studie, 1897; Über ein Pulsphänomen bei Neurasthenikern, in: WKW 11, 1898; Klinische Untersuchungen über Muskelrheumatismus (Nackenschmerz, Kreuzschmerz), 1898; Über die geläufigste Form der traumatischen Neurose, in: WMW 54, 1904; Über die motorischen Reizerscheinungen bei Kriegsteilnehmern, in: WKW 29, 1916; Wer ist nervös?, 1925; Über Schwindel. Diagnostische und therapeutische Winke für den Praktiker, in: Mitteilungen des Volksgesundheitsamtes im Ministerium für Soziale Verwaltung ..., Sonderbeilage 1927, H. 5.
L.: Neues Wiener Journal, 31. 5. 1925; Fischer (mit Bild); Jb. der Wr. Ges.; Ärzteblatt für die deutsche Ostmark. Amtliches Mitteilungsblatt für die Ärzte Österreichs 1, 1938, S. 228; H.-G. Hofer, Nervenschwäche und Krieg. Modernitätskritik und Krisenbewältigung in der Österreichischen Psychiatrie (1880–1920), 2004, S. 236, 241, 249, 374f.; DÖW, Datenbank Shoah-Opfer (online, Zugriff 2. 1. 2018); AVA, IKG, UA (mit tw. W.), alle Wien.
(Ch. Kanzler)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)