Ertl, Mori(t)z Ritter von (1859–1934), Politiker und Beamter

Ertl Mori(t)z Ritter von, Politiker und Beamter. Geb. Wien, 14. 1. 1859; gest. ebd., 1. 7. 1934; röm.-kath. Sohn eines früh verstorbenen Seidenfabrikanten, Stiefsohn von →Friedrich von Stach, Bruder des Schriftstellers →Emil Ertl. – E. besuchte das Gymnasium in Wien und Meran (Merano) und studierte nach der Matura 1878 an der Universität Wien sowie – angeblich – an der Universität Berlin Jus; 1883 Dr. jur. in Wien. 1882/83 diente er als Einjährig-Freiwilliger beim Artillerieschützenbataillon 1 und nahm in der Folge an mehreren Waffenübungen, zuletzt als Oberleutnant der Reserve, teil. 1884 begann er seine Beamtenlaufbahn als Konzeptspraktikant in der Statistischen Zentralkommission in Wien, war 1886–87 bei der niederösterreichischen Statthalterei beschäftigt und wurde 1890 ins Ackerbauministerium berufen, wo er ab 1906 als Ministerialrat (1904 Titel und Charakter), ab 1911 als Sektionschef (1909 Titel und Charakter) tätig war und 1918 in den Ruhestand versetzt wurde. E. fungierte von Juni bis Ende August 1917 interimistisch als Ackerbauminister und gehörte im selben Jahr der Kommission für Kriegs- und Übergangswirtschaft an. Nach seiner Pensionierung war E. führend in der neu geschaffenen Gesellschaft zur Förderung des Verbrauchs von Milch und heimischen Molkereiprodukten tätig, ferner fungierte er ab 1925 als Verwaltungsrat der Artmann & Comp. AG und als Vizepräsident des Österreichischen Handels- und Approvisionierungsvereins. E., beeinflusst von den Ideen Karl von Vogelsangs und ein hervorragender Kenner der europäischen landwirtschaftlichen Genossenschaftsszene, war nicht nur an der Erstellung des Gesetzesentwurfs über landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften und jenes für die Schaffung eines Viehverwertungsfonds beteiligt, er gab darüber hinaus den Anstoß zur Errichtung der österreichischen Vieh- und Fleischverwertungsgesellschaft. 1906 mit dem Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens und 1916 mit dem Kommandeurkreuz des Leopold-Ordens ausgezeichnet, wurde er 1912 nobilitiert und 1917 zum Geheimen Rat ernannt.

W.: Das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen in Deutschland, 1899 (gem. m. S. Licht); Versuch einer Agrarreform in Österreich, 1899; Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften (Syndicates agricoles) in Frankreich, 1910 (gem. m. L. Frh. von Hennet); Das sozialdemokratische Agrarprogramm und der russische Bolschewismus, o. J.; etc.
L.: F. Ott – W. Wieser, Die k. k. Ackerbauminister und die Landwirtschaftsminister der Republik, in: 100 Jahre Landwirtschaftsministerium, red. O. Dornik, 1967, S. 87; G. Enderle-Burcel – M. Follner, Diener vieler Herren. Biographisches Handbuch der Sektionschefs der Ersten Republik und des Jahres 1945, 1997; E. Lebensaft – Ch. Mentschl, Feudalherren – Bauern – Funktionäre. Österreichs Agrarelite im 20. Jahrhundert, 2003; UA, Wien.
(E. Lebensaft – Ch. Mentschl)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)