Esders, Stefan (1852–1920), Unternehmer

Esders Stefan, Unternehmer. Geb. Haren (Ems), Hannover (D), 6. 7. 1852; gest. Wien, 15. 9. 1920; röm.-kath. Sohn des Schiffseigentümers Johann Bernhard Esders und von Maria Elisabeth Esders, geb. Nagel; verheiratet mit Maria Esders, geb. Barse. – Aus einer alteingesessenen Harener Schifferfamilie stammend, erlernte E. nach dem Besuch der höheren Schule den Beruf eines Kaufmanns. In den 1870er-Jahren übersiedelte er nach Brüssel, wo er zunächst als Rayonchef in einem Warenhaus beschäftigt war. Gemeinsam mit Heinrich Weltmann gründete er 1877 das Textilgeschäft „À la grande fabrique“, das mit dem Verkauf von Hosen und Anzügen aus eigener Fertigung rasch zu einem Großunternehmen expandierte. Bald folgte die Eröffnung von Filialen in Antwerpen, Hamburg, Rotterdam und Breslau (Wrocław), später in St. Petersburg, die alle als Familienbetriebe geführt wurden. 1895 eröffnete E., der im selben Jahr auch seinen Wohnsitz nach Wien verlegte, in der Mariahilfer Straße (Wien 6) das Warenhaus „Zur großen Fabrik“. Erbaut nach Plänen von →Friedrich Schachner, verfügte das späthistoristische Gebäude über fünf Geschoße, in denen Verkaufs- und Produktionsräume sowie anfangs auch Wohnungen untergebracht waren. Die Große Fabrik zählte neben Herzmansky und Gerngroß zu den größten Warenhäusern der Reichshauptstadt. Das breit gefächerte Sortiment umfasste Herrenbekleidung sowie Wäsche, Hüte, Schuhe etc. und wurde später um Damen- und Kinderbekleidung erweitert. Durch Einkauf großer Rohstoffmengen und serienmäßige Fertigung konnte die Ware bei solider Qualität zu günstigen Preisen angeboten werden, wodurch auch weniger begüterte Käuferschichten gewonnen wurden. Für seine Angestellten führte E. ein System der Gewinnbeteiligung ein. Seine modernen Geschäftsmethoden stießen zunächst auf erbitterten Widerstand der Vertreter des selbstständigen Kleingewerbes, die darin eine existenzbedrohende Konkurrenz für Schneider und Detailhändler sahen. Der Unternehmer sah sich mit antisemitisch gefärbten Angriffen aus dem christlichsozialen Lager konfrontiert, indem die bislang den jüdischen Konfektionären unterstellten Geschäftspraktiken nunmehr auch einem Katholiken zugeschrieben wurden. E. trat als Stifter der Kaasgrabenkirche (Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Schmerzen) in Wien-Grinzing hervor. 1910 wurde das auf einem von ihm erworbenen Grundstück nach Plänen von Franz Kupka und Gustav Orglmeister in neobarockem Stil erbaute Gotteshaus eingeweiht. Im Eingangsbereich befindet sich ein Medaillon mit dem Porträt des Bauherrn, der 1920 in der Krypta beigesetzt wurde. Ferner ließ E. auf dem Gelände eine Villa mit Park errichten. E. war Kommandeur des päpstlichen St. Gregor-Ordens mit dem Sterne und Ritter des belgischen Kronen-Ordens.

L.: RP, 17., 21. 9. 1920; NFP, 19. 9. 1920; Czeike; A. Lehne, in: ders., Wiener Warenhäuser 1865–1914, 1990, S. 150; G. Meißl, ebd., S. 61ff.; Ch. Haverkamp, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes 53, 2007, S. 9ff.
(Ch. Kanzler)   
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 1 (Lfg. 3, 1956), S. 268
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Medien
Totenanzeige, in: Neue Freie Presse vom 18.9.1920