Fischer, Paul (1876–1942), Violinist

Fischer Paul, Violinist. Geb. Wien, 31. 8. 1876; gest. ebd., 4. 11. 1942 (beigesetzt: Pfarrfriedhof Kahlenbergerdorf, Wien 19); 1913 aus der Israelitischen Kultusgemeinde ausgetreten (Wiedereintritt 1931?). Sohn des Kantors des Wiener Stadttempels Adolf Fischer (geb. Pohrlitz, Mähren / Pohořelice, CZ, 1822; gest. Wien, 26. 2. 1888) und seiner Frau Johanna Fischer, geb. Butschowitzer (geb. Pohrlitz, 8. 3. 1836; gest. Wien, 14. 11. 1914), Bruder von Dr. iur. Jacques Fischer (geb. 21. 5. 1858; gest. 21. 8. 1896), Direktor der Oesterreichischen Disconto-Gesellschaft, und Hugo Fischer, Bürovorstandstellvertreter der Länderbank (geb. 22. 1. 1864), Vater von Paul Fischer (1914–1941) und Otto Fischer (1921–1997); ab 1913 mit Leopoldine Fischer, geb. Pohl (s. u.), verheiratet. – Nachdem er das Untergymnasium absolviert hatte, besuchte F. das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien und studierte im Hauptfach Violine in der sogenannten Vorbildungsstufe 1886–89 bei →Sigmund Bachrich und danach in der Ausbildungsstufe bei →Jakob Moritz Grün. 1892 erhielt er das Diplom als Abiturient für Violine. 1895–98 diente er beim Militär. 1898 wurde F. an das Hofoperntheater und 1899 als Stimmführer der ersten Geigen bei den Wiener Philharmonikern engagiert. Er war Mitglied der Hofmusikkapelle, hatte den Titel eines Hofmusikers inne und wurde 1926 zum Professor ernannt. Zudem wirkte er 1916 im eigens für die Wiener Kriegsausstellung gegründeten Streichorchester der Wiener Deutschmeister-Kapelle sowie 1899 und 1931 im Bayreuther Festspielorchester mit. Darüber hinaus widmete sich F. sein Leben lang intensiv der Kammermusik: 1893–95 als Bratschist im Streichquartett von →Ludwig Maria (Luigi) von Kunits, 1903–04 als Geiger in der Trio-Vereinigung Violin-F.-Klengel mit Moriz Violin (Klavier) und Julius Klengel (Violoncello) und ab 1905 als zweiter Geiger im weltberühmten Rosé-Quartett, mit dem er zahlreiche Tourneen unternahm und viele bedeutende Werke der Kammermusikliteratur zur Uraufführung brachte, wie Arnold Schönbergs Streichquartette op. 7 und op. 10 sowie dessen Kammersymphonie (gemeinsam mit der Bläservereinigung der Wiener Hofoper), Karl Weigls Streichsextett, Erich Wolfgang Korngolds Suite oder Alexander Zemlinskys zweites Streichquartett. Überdies war F. ein gefragter Partner bei zahlreichen Kammermusikkonzerten. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich wurde er wie die meisten jüdischen Orchestermitglieder im März 1938 beurlaubt. Im Juni 1938 folgte die Zwangspensionierung, im Dezember darauf die nachträgliche Kündigung. Seine Pension wurde massiv gekürzt und zudem auch drei Monate nicht überwiesen. F., der an schwerer Neuritis litt, wurde 1942 delogiert und gewaltsam in eine Sammelwohnung im 2. Bezirk gebracht. Nach dem Tod seines Sohns Paul 1941 mit nur 26 Jahren verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. F. verstarb im jüdischen Krankenhaus in Wien 2. Seine Frau, die Tänzerin Leopoldine Fischer, geb. Pohl (geb. Hodolein, Mähren / Olomouc, CZ, 8. 9. 1887; gest. Wien, 15. 5. 1948), war die Tochter von Antonie Pohl, einer Tänzerin an der Hofoper (Corps 1865–68, 1869 ausgetreten). Leopoldine F. wurde 1903 als Ballett-Elevin an die Hofoper engagiert, 1905 in das Corps aufgenommen, 1906 zur Koryphäe und 1912 zur Solotänzerin ernannt. Als solche wirkte sie u. a. in den Opern „Aphrodite“ von Max von Oberleitner, „Samson et Dalila“ von Camille Saint-Saëns, „Die verkaufte Braut“ von →Friedrich Smetana, „Carmen“ von Georges Bizet, in Oscar Straus’ Tanzspiel „Die Prinzessin von Tragant“ und in der Ballettpantomime „Des Teufels Großmutter“ von →Oskar Nedbal mit. Nach ihrer Hochzeit trat sie aus dem Ballett aus. 1942 wurde sie mit ihrer Familie delogiert und in eine Sammelwohnung im 2. Bezirk gebracht.

L.: Teplitz-Schönauer Anzeiger, 16. 10. 1916; Müller; B. Mayrhofer, „Die Angelegenheit des Judenabbaus geht jetzt ganz ruhig vor sich“, phil. DA Wien, 2005, S. 89f.; Verstummte Stimmen. Die Bayreuther Festspiele und die „Juden“ 1876 bis 1945, 2. Aufl. 2012, S. 344 (mit Bild); B. Mayrhofer – F. Trümpi, Orchestrierte Vertreibung, 2014, S. 63ff. (mit Bild); Das Rosé-Quartett. Mit einem Vorwort von J. Korngold, o. J. (mit Bild); IKG, Wien; Universität für Musik und darstellende Kunst Wien; Forschungsdatenbank BioExil Primavera Driessen Gruber, Wien. – Leopoldine F.: R. Raab, Biographischer Index des Wiener Opernballetts …, 1994; Spielplanarchiv der Wiener Staatsoper (online, Zugriff 20. 4. 2015).
(R. Müller)   
Zuletzt aktualisiert: 30.11.2015  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 4 (30.11.2015)