Flögl, Mathilde (1893–1958), Kunsthandwerkerin, Designerin und Lehrerin

Flögl Mathilde, Kunsthandwerkerin, Designerin und Lehrerin. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 9. 9. 1893; gest. Salzburg (Salzburg), 18. 7. 1958; röm.-kath. Tochter von Alphons Flögl, Direktor der Lehranstalt für Textilindustrie in Brünn. – F. absolvierte die Fachschule für Weberei in Zwittau und ging anschließend nach Wien an die Kunstgewerbeschule des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie (ÖMKI). Hier studierte sie 1909/10 bei →Franz Čižek (Ornamentale Formenlehre), →Oskar Strnad (Allgemeine Formenlehre) und →Rudolf von Larisch (Schrift und Heraldik), 1910/11 bei Adolf Böhm (Naturstudium), Aktzeichnen bei Anton Kenner, Bertold Löffler und →Alfred Roller sowie ab 1913 bei →Josef Hoffmann (Fachklasse für Architektur) und ab 1914 bei →Adele von Stark (Werkstätte für Email). Mit Beendigung des Studiums 1916 trat sie in die Wiener Werkstätte (WW) ein, wo sie bis Jänner 1932 tätig war. Erste Arbeiten sind mit dem Mappenwerk „Mode Wien 1914/5“ und der Teilnahme F.s an der Modeausstellung im ÖMKI 1915 belegt; im selben Jahr entstanden sowohl Dekor- als auch Form-Entwürfe für sogenannte Kriegsgläser, ausgeführt von Johann Oertel & Co. Als Mitglied der 1916 von der WW eingerichteten Künstlerwerkstätte fertigte F. Holzkassetten, sogenannte Blockkalender, Emailarbeiten und erste Keramiken, die 1917 auf der Österrikiska Konstutställningen in Stockholm gezeigt wurden. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Stoffentwürfe als Auftakt zu über 100 Textildessins für die WW. F. arbeitete in nahezu allen Bereichen des Kunstgewerbes, kreierte Spielzeug, Schmuck, Silbergegenstände, Perlen- und Gobelintaschen, Seidenbeutel und Stickereien sowie Gebrauchsgraphik. Einige Beispiele zeugen von der Kooperation mit Hoffmann, welcher die Formen vorgab, während F. die Dekore entwickelte (Gläser, Ledertaschen, Objekte mit Emaildekor) – eine gängige Aufgabenverteilung zwischen Künstlern und Künstlerinnen der WW. 1920 war sie an der Kunstschau im ÖMKI beteiligt (bemalte Möbel), 1922 an der Gestaltung des Österreichischen Edelraums auf der Deutschen Gewerbeschau in München (Papiermaché-Reliefs) und 1925 wurde sie auf der Exposition Internationale des Arts Décoratifs in Paris mit einer Goldmedaille ausgezeichnet. Ab diesem Jahr arbeitete F. verstärkt für die WW-Lederwerkstätte und entwarf zahlreiche stereometrische Taschen mit strengem, farbintensivem Dekor aus Lederintarsien. Ähnliche Gestaltungsprinzipien lassen sich im Jubiläumskatalog zum 25-jährigen Bestehen der WW 1928 erkennen, dessen viel beachtete typographische Aufmachung ebenfalls von F. stammte. Ab 1927 nahm sie an den Ausstellungen der Vereinigung Bildender Künstlerinnen und Kunsthandwerkerinnen „Wiener Frauenkunst“ im ÖMKI teil, wo sie 1929 in der Schau „Das Bild im Raum“ durch Wandmalereien für einen Modesalon auffiel. Das Thema war in diesen Jahren bestimmend: 1927 gestaltete F. die Wände des Kinderzimmers in der Wohnung Bauer, eingerichtet von Hoffmann; 1928 zeichnete sie für den Wanddekor in Hoffmanns Graben-Café verantwortlich, ebenso wie in einem Teeraum des Architekten auf der Ausstellung „Die neuzeitliche Wohnung“. 1929 schließlich brachte die WW gemeinsam mit der Salubra AG eine 20 Muster umfassende Tapeten-Kollektion nach Entwürfen von F. auf den Markt, die auf der Ausstellung „Wiener Raumkünstler“ im ÖMKI präsentiert wurde. Eine weitere graphische Arbeit aus diesem Jahr umfasste die Gestaltung neuer Verpackungen der Österreichischen Tabakregie. Für die Werkbundausstellung 1930 stattete F. eine Likörstube mit Wänden aus Wellpappe aus, während sie auf der Ausstellung „Die schaffende Österreicherin: Werk und Bild“ in der Secession 1931 wieder mit kunstgewerblichen Objekten vertreten war. Zwischen 1932 und 1935 betrieb F. ein eigenes Atelier in Wien, wo Stoffmuster und Mode-Entwürfe entstanden, bis sie in die Tschechoslowakei übersiedelte, um dort v. a. als Lehrerin tätig zu sein. F. unterrichtete an verschiedenen Fachschulen für Weberei bzw. Textilindustrie (Krnov, Liberec, Svitavy) und an der Staatlichen Anstalt für Gewerbelehrerinnen-Ausbildung in Opava. 1941 kehrte sie nach Wien zurück, wo sie bis 1951 an Schulen für gewerbliche Frauenberufe lehrte sowie Kurse an der Künstlerischen Volkshochschule in der Akademie der bildenden Künste abhielt. Als Mitarbeiterin der von Hoffmann geleiteten Versuchswerkstätte des Kunsthandwerk-Vereins war sie, v. a. mit ihren Keramiken, auch wieder in das Wiener Ausstellungsgeschehen eingebunden. Ab 1951 ist F. als Lehrerin für Entwurfs- und Modezeichnen an der Bundeslehranstalt für Frauengewerbe in Salzburg nachweisbar.

L.: AKL; Die Bühne 6, 1929, H. 263, S. 32f. (mit Bild); K. M. Grimme, in: Der Bazar 77, 1931, Nr. 11, S. 18f. (mit Bild); W. J. Schweiger, Wiener Werkstätte …, 1982, S. 260; E. F. Sekler, J. Hoffmann …, 1982, S. 206f., 406f., 410, 413; G. Fahr-Becker, Wiener Werkstätte 1903–32, 2003, S. 192ff., 223; biografiA. Lexikon österreichischer Frauen 1, 2016; Ch. Thun-Hohenstein – A. Völker, Die unbekannte Wiener Werkstätte. Stickereien und Spitzen 1906 bis 1930, 2017, S. 116; Wiener Werkstätte 1903–32, ed. Ch. Witt-Dörring – J. Staggs, New York 2017, s. Reg. (Kat.); Ch. Brandstätter u. a., Wien 1900. Kunst, Design, Architektur, Mode, 2018, s. Reg.
(A.-K. Rossberg)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)