Foehr, Adolf (1880–1943), Architekt

Foehr Adolf, Architekt. Geb. Nürnberg, Bayern (D), 20. 6. 1880; gest. Prag, Protektorat Böhmen und Mähren (Praha, CZ), 7. 10. 1943; evang. Sohn von Otto Emil Foehr (geb. Annaberg, Sachsen/D, 16. 12. 1852; gest. Berlin, Deutsches Reich/D, 31. 1. 1924); verheiratet mit Else Foehr, geb. Klinger. – F. kam im Kindesalter mit seinen Eltern nach Prag. Sein technisches Studium begann er an der Staatsoberrealschule in Pilsen, führte es in Prag an der Kunstgewerbeschule bei →Friedrich Ohmann und 1899–1902 bei →Jan Kotěra fort und vervollständigte es angeblich in Zürich, wo er auch seine Praxis begann. Zugleich beteiligte er sich erfolgreich an Prager Wettbewerben. Die Projekte für die Centralbank der deutschen Sparkassen und die Friedhofshalle des deutschen evangelischen Friedhofs in Prag-Straschnitz führten ihn schließlich nach Prag zurück, wo er 1908 sein selbstständiges Architekturbüro eröffnete. Bald etablierte er sich als Projektant von Bankanstalten (so etwa Filialen der Böhmischen Union-Bank in Prag und in Linz, beide 1913). Zu weiteren großen Aufträgen vor dem Weltkrieg gehörten die Blindenschule in Aussig (1911–13) und das Gebäude der Prager Maschinenbau Aktiengesellschaft in Prag-Smichow (1912–13). Nach dem 1. Weltkrieg verlagerte sich der Schwerpunkt seiner Tätigkeit zeitweilig in die deutschsprachigen Gebiete der Tschechoslowakei (z. B. die Arbeiten für die Glanzstoff-Fabrik in Lobositz). In Prag renovierte er nach 1921 die Gebäude der deutschen und der österreichischen Gesandtschaft. 1926 gewann F. zwar den 1. Preis im Wettbewerb um die Erweiterung des Prager Magistrats, doch gelangte sein Entwurf aufgrund seiner deutschen Nationalität nicht zur Ausführung. In der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre plante er das Palais für die Versicherungsgesellschaft Securitas (1929–30, Prag), drei monumentale Gebäude für die Donau Allgemeine Versicherung A. G. in Prag und Liberec (alle nach 1928). Zu seinen bedeutendsten Prager Projekten zählte das Haus der Firma Philips am Karlsplatz (1931) und das Warenhaus Brandeis (1929–32). Neben Kanzlei- und Geschäftsbauten entwarf F. viele Villen und Zinshäuser, letztere v. a. im Prager Stadtviertel Holešovice („Klein-Berlin“, 1937–40). F. gehörte zu den wichtigsten deutschböhmischen Architekten der Zwischenkriegszeit. Am Anfang seines Schaffens stand die Zürcher Villa Steiger, bei der F. das englische Haus zum Vorbild nahm. Auch später verfolgte er moderne architektonische Strömungen, obgleich er von Anhängern des tschechischen Funktionalismus mehr als Traditionalist angesehen wurde. 1932 baute er das erste „elektrische Haus“ in der Tschechoslowakei, ein luxuriöses, vollständig mit Elektrogeräten ausgestattetes Zinshaus (U Smaltovny, Praha-Holešovice). Typisch für sein Œuvre sind Erker und Balkone, trotzdem ordnete sich das Werk immer der Einfachheit und Strenge unter, die Tendenz zum tektonischen Klassizismus und zugleich zum Expressionismus ist offensichtlich. Ab 1921 wirkte F. in der technischen Kommission sowie in der Baukommission der Stadtgemeinde Prag; um 1924 erhielt er den Titel Baurat. 1927 wurde er ins Stadtverordnetenkollegium als Kandidat der Deutschdemokratischen Freiheitspartei gewählt und fungierte 1929/30–32 als Stadtrat von Groß-Prag. F. war Mitglied des Vereins der deutschen bildenden Künstler in Böhmen und des Schriftsteller- und Künstlervereins „Concordia“ in Prag. 1930 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.

Weitere W. (s. auch Zeman, 2011): Publ.: Bauten und Entwürfe: Baurat A. F., 1925; Bauten und Entwürfe aus fünfundzwanzig Jahren, 1934 (mit Bild).
L.: Deutsche Zeitung Bohemia, 15. 10. 1927 (mit Bild), 22. 11. 1934 (mit Bild); Prager Tagblatt, 4. 6. 1932; AKL; BSČZ; Lex. böhm. Länder; Toman; R. Švácha, Od moderny k funkcionalismu, 1994; J. Vybíral, in: Umění 51, 2003, S. 314; Nová encyklopedie českého výtvarného umění, Erg.bd., ed. A. Horová, 2006; J. Zeman, in: ASB – Architektura, stavebnictví, bydlení 5, 2009, S. 74ff.; A. Adam, in: Documenta Pragensia 29, 2010, S. 681ff.; J. Zeman, in: Památky libereckého kraje 2010–11, 2011, S. 6ff. (mit Bild und W.).
(V. Vostřelová)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)