Forst-Battaglia, Otto; ursprünglich Otto Forst, nach Adoption 1913 Forst de Battaglia, Ps. Theodor Rall, François de Bury, Kyrill Boldirev etc. (1889–1965), Publizist, Historiker, Literaturkritiker und Diplomat

Forst-Battaglia Otto, ursprünglich Otto Forst, nach Adoption 1913 Forst de Battaglia, Ps. Theodor Rall, François de Bury, Kyrill Boldirev etc., Publizist, Historiker, Literaturkritiker und Diplomat. Geb. Wien, 21. 9. 1889; gest. ebd., 2. 5. 1965; röm.-kath. Stammte väterlicherseits aus einer galizischen, in Wien begüterten Familie, Sohn von Jakob Forst (geb. 1839; gest. Blankenberge, B, 1902) und Rosemarie Forst, geb. Charmatz (geb. Schlaining, Ungarn / Burgenland; gest. Brüssel, B, 1941); ab 1912 verheiratet mit Helene Forst, geb. Freiin Battaglia de Sopramonte. – F. besuchte das Wiener Schottengymnasium (Matura 1909), lernte Polnisch und wandte sein Interesse dem Land seiner väterlichen Vorfahren zu. 1908–13 studierte er Rechtswissenschaften und Geschichte u. a. bei →Oswald Redlich und →August Fournier an der Universität Wien sowie bei Aloys Schulte an der Universität Bonn; 1915 Dr. phil. in Bonn. Während des 1. Weltkriegs hielt er sich in der Schweiz auf, wo er u. a. dem Militärattaché in Bern zugeteilt und in die sogenannte Sixtus-Affäre verwickelt wurde. 1918 schloss er während seiner kurzen Tätigkeit im Kriegsarchiv Bekanntschaft mit →Franz Theodor Csokor. Nach Kriegsende wirkte er in Luzern beim Aufbau der „Agence Centrale“ mit, die die Wiedererrichtung der Habsburgermonarchie anstrebte, Bemühungen um eine geschichtswiss. Habilitation in Basel und in Polen sowie um eine Lektorentätigkeit in Kraków und Lwów (L’viv) schlugen jedoch fehl. Ab 1922 lebte F. als Privatgelehrter und freier Publizist abwechselnd in Wien, Deutschland (Wiesbaden) sowie Frankreich und unternahm zahlreiche Reisen. Neben der Geschichtswissenschaft (Ständegeschichte, Genealogie) wandte er sich verstärkt der Literaturkritik (Arbeiten zur polnischen, französischen und neueren deutschen und österreichischen Literatur) zu. 1938 gelang ihm kurz vor dem Einmarsch deutscher Truppen nach Österreich die Ausreise in die Schweiz, von dort weiter nach Belgien, dann nach Frankreich. Ab 1940 lebte er wieder in der Schweiz, wo er als Honorarattaché der polnischen Gesandtschaft eine vielfältige publizistische Aktivität entfaltete; wegen des Publikationsverbots erschienen seine Arbeiten allerdings unter zahlreichen Pseudonymen. 1948 kehrte er nach Wien zurück, erhielt an der Wiener Universität Lehraufträge für Polnische Literatur, später auch für Neuere Geschichte Mittel- und Osteuropas sowie am Institut für österreichische Geschichtsforschung einen Lehrauftrag für Wissenschaftliche Genealogie, die er als eigenständige Wissenschaft etablieren wollte; zusätzlich wirkte er ab 1951 als Gastprofessor am College d’Europe in Brügge. 1949 schied F. aus dem polnischen diplomatischen Dienst. Zahlreiche Reisen, Vorträge im In- und Ausland, neue Editionsprojekte, intensive politische und kulturpolitische publizistische Tätigkeit erfüllten seine letzten Jahre, in denen es zu einer starken Bindung an die Wiener Wochenzeitung „Die Furche“ kam, deren Gründer Friedrich Funder er noch aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg kannte. F., der quasi die Bildungswelt „Alteuropas“ verkörperte, war mit zahlreichen europäischen Politikern, Wissenschaftlern und Schriftstellern befreundet, bezeichnete sich selbst als Wortführer eines zeitverbundenen Katholizismus und fand seine Lebensaufgabe vor allem in der gegenseitigen Kulturvermittlung zwischen Polen und den deutschsprachigen Ländern.

W. (s. auch Wytrzens; Sonnek; Huszcza; Dybaś): Vom Herrenstande, 2 Tle., 1915–16; Die französische Literatur der Gegenwart 1870–1924, 1925, 2. erg. Aufl. 1928; Stanisław August Poniatowski und der Ausgang des alten Polenstaates, 1927; Karl May, 1931, 1966; Der Kampf mit dem Drachen, 1931; Johann Nestroy, 1932 (Neuaufl. 1962); Das Geheimnis des Blutes, 1932; Clemens Brentano, 1945; Jan Sobieski, 1946 (überarbeitete Neuaufl. 1982); Wissenschaftliche Genealogie, 1948; Zwischeneuropa 1: Polen, Tschechoslowakei, Ungarn, 1954 (mehr nicht erschienen); Abgesang auf eine große Zeit, 1967; Weltbürger, Europäer. Österreicher, 1969; Ein Erasmus unserer Zeit. O. F. de B.s Schriften zur polnischen Literatur, ed. M. Zybura, 1992 (m. B.); mehr als 4.000 Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften. – Hrsg.: Prozeß der Diktatur, 1930 (englische Ausg. „Dictatorship on it’s trial“, 1930, mit einem Vorwort von W. Churchill); Deutsche Prosa seit dem Weltkriege, 1933. – Übersetzungen seiner Werke ins Polnische, Französische, Italienische, Holländische etc.
N.: G. Wytrzens, in: Wiener Slavistisches Jahrbuch 13, 1966, S. 127–147 (m. B. u. W.).
L.: Österreicher der Gegenwart, bearb. R. Teichl, 1951; R. Sonnek, Leben und Werk des Gelehrten O. F. de B., phil. Diss. Graz, 1970; R. Taborski u. a., O. F.-B. zum dreißigjährigen Todestag, 1996 (m. B.); K. Huszcza, Polska i Polacy w pracach O. F. de B., 2002 (m. W. u. L.); O. F. de B., der unersetzliche Vermittler zwischen den Kulturen, ed. B. Dybaś u. a., 2011 (m. B. u. tw. W.); UA, WStLA, beide Wien; UA, Basel, CH; UA, Bonn, D.
(E.-M. Hüttl-Hubert)   
Zuletzt aktualisiert: 15.3.2013  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 2 (15.03.2013)