Freundlich, Elisabeth (Lisbeth); verehel. Anders; verehel. Stern; Ps. Elisabeth Lanzer (1906–2001), Schriftstellerin und Journalistin

Freundlich Elisabeth (Lisbeth), verheiratete Stern, Ps. Elisabeth Lanzer, Schriftstellerin und Journalistin. Geb. Wien, 21. 7. 1906; gest. ebd., 25. 1. 2001; mos. Tochter des Rechtsanwalts und Präsidenten der Arbeiterbank Jacques (Jakob) Freundlich (geb. Gänserndorf, Niederösterreich, 14. 11. 1874; gest. Zürich, CH, 9. 11. 1951); 1945–55 verheiratet mit Günther Anders (eigentlich Stern). – Nach der Matura studierte F. ab 1926 an der Universität Wien Germanistik, Romanistik, Theaterwissenschaft sowie Kunstgeschichte und promovierte 1931 mit der theaterwissenschaftlichen Arbeit „Clemens Brentano und die Bühne“. Noch während des Studiums begann sie am Neuen Wiener Schauspielhaus als Dramaturgin und Regisseurin zu arbeiten. Es folgte ein Studienaufenthalt an der Pariser Sorbonne, anschließend war sie in Berlin als Regieassistentin bei G. W. Pabst beschäftigt. Neben Beiträgen für Zeitungen und Zeitschriften, wie etwa die „Wiener Weltbühne“, entstand ihr erstes, später verschollenes Romanmanuskript. Als Mitarbeiterin einer internationalen Friedensorganisation reiste sie zwischen 1934 und 1938 wiederholt nach Paris, wo sie sich auch in Hilfskomitees für die spanische Republik engagierte. Am 11. März 1938 flüchtete F. gemeinsam mit ihren Eltern über Zürich nach Paris. Dort zählte sie mit Emil Alphons Rheinhardt, Conrad H. Lester und Árpád Haász zu den Begründern der Ligue de lʼAutriche vivante sowie des Cercle Culturel Autrichien. Außerdem war sie Mitarbeiterin der Monatsschrift „Nouvelles dʼAutriche“. Nach ihrer Flucht nach Südfrankreich gelangte F. über Spanien und Portugal im November 1940 nach New York, wo sie an der Columbia University eine Ausbildung zur Bibliothekarin absolvierte. Danach war sie als Sachbearbeiterin am Metropolitan Museum tätig, später als Lehrbeauftragte in Princeton und am Wheaton College in Massachusetts. Als Herausgeberin der Literaturbeilage der Zeitschrift „Austro American Tribune“ gewann sie Mitarbeiter wie Hermann Broch, →Albert Ehrenstein, Ernst Lothar, Alfred Polgar oder Berthold Viertel. Sie war Mitglied der Austro-American Association. Im Mai 1950 kehrte sie mit ihrem Mann nach Wien zurück. Nach dem erfolglosen Versuch, sich als Schriftstellerin zu etablieren, war F. 1953–78 Kulturkorrespondentin für die Tageszeitung „Mannheimer Morgen“ sowie freie Mitarbeiterin bei Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten in Deutschland und Österreich. Als Übersetzerin übertrug sie u. a. Werke von Sean OʼCasey, Joseph Conrad und John A. Williams ins Deutsche. Ab 1978 war sie ausschließlich als freie Schriftstellerin tätig. Wie ihre journalistische ist auch ihre literarische Arbeit von den eigenen Erfahrungen als Flüchtling und politische Aktivistin geprägt und der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus verpflichtet. Mit der Publikation des in der Emigration entstandenen Familienporträts „Der Seelenvogel“ (1986) konnte F. erstmals bei einem breiteren Publikum Erfolg verzeichnen. Der Band „Finstere Zeiten. Vier Erzählungen“ (1986) vereinigt Geschichten zu Widerstand, Anpassung und Exil während der NS-Herrschaft. Die Studie „Die Ermordung einer Stadt namens Stanislau. NS-Vernichtungspolitik in Polen 1939–1945“ (1986) ist Resultat ihrer Tätigkeit als Reporterin bei NS-Kriegsverbrecherprozessen in Österreich und Deutschland. Unter dem Titel „Die fahrenden Jahre. Erinnerungen“ wurden 1992 die Memoiren von F. veröffentlicht.

Weitere W. (s. auch Schneider-Alge; Lexikon deutsch-jüdischer Autoren): Invasion Day, 1948; Der eherne Reiter, 1960 (Neuaufl. 1982); Sie wußten, was sie wollten. Lebensbilder bedeutender Frauen aus drei Jahrhunderten und sechs Ländern, 1981. – Nachlass: Deutsches Literaturarchiv, Marbach a. N., D.
L.: Bolbecher–Kaiser (m. B.); Hdb. der Emigration 1; Hdb. jüd. AutorInnen; Killy; Österreicher im Exil. Frankreich 1938–1945, 1984, s. Reg.; Kürschners Deutscher Literatur-Kalender 60, 1988; R. Wall, Verbrannt, verboten, vergessen. Kleines Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1933 bis 1945, 2. Aufl. 1989 (m. B.); S. Schneider-Alge, „Abschied und Wiederkehr“. Zum Rezeptionsverlauf des Werks der österreichischen Exilschriftstellerin E. F., phil. Diss. Salzburg, 1992 (m. W.); Neues Handbuch der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1945, 1993; Österreicher im Exil. USA 1938–1945, 1–2, 1995, s. Reg. (m. B.); Lexikon deutsch-jüdischer Autoren 7, 1996 (m. W. u. L.); IKG, Tagblattarchiv, UA, alle Wien.
(Ch. Kanzler)   
Zuletzt aktualisiert: 1.3.2011  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 1 (01.03.2011)