Geisler, Johannes (1882–1952), Fürstbischof

Geisler Johannes, Fürstbischof. Geb. Mayrhofen (Tirol), 23. 4. 1882; gest. Brixen/Bressanone (I), 5. 9. 1952; röm.-kath. Sohn des Josef Geisler und dessen Frau Maria Geisler, geb. Spitaler. – Nach dem Eintritt des Vaters in den Eisenbahndienst musste die Familie wiederholt ihren Wohnsitz wechseln. G. besuchte das Vinzentinum in Brixen und studierte 1903–10 als Alumnus des Collegium Germanicum an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, wo er zum Dr. theol. und Dr. phil. promoviert wurde. Nach der Priesterweihe im März 1910 in Rom wurde G. Kooperator in Wiesing, 1912 Kaplan am Sanatorium der Barmherzigen Schwestern in Innsbruck und 1913 Kooperator in Flaurling. 1914 berief ihn Fürstbischof →Franz Egger als Hofkaplan nach Brixen, er versah dieses Amt auch noch unter Fürstbischof →Johannes Raffl; 1922 Professor für Kirchengeschichte am Priesterseminar. Die Nachfolge des 1927 verstorbenen Bischofs Raffl gestaltete sich äußerst schwierig, da die Regierung auf einem italienischen Kandidaten, der Heilige Stuhl hingegen auf einem Tiroler bestand. Erst das Konkordat von 1929, das in Artikel 22 nicht die italienische Muttersprache, sondern lediglich italienische Sprachkenntnisse für Diözesanbischöfe forderte, ermöglichte die Nominierung eines deutschsprachigen Bischofs. Nach Abschluss des italienisch-österreichischen Freundschaftsvertrags von 1930 stimmte die Regierung schließlich der Ernennung von G., die im April 1930 erfolgte, zu. Nach der Konsekrierung in Rom im Mai desselben Jahres betonte G. anlässlich seiner Inthronisation im Juni 1930 zwar seine Loyalität gegenüber Benito Mussolini, erklärte aber zugleich seine Entschlossenheit, die kirchlichen Interessen zu wahren. Nachdem sich G. in den ersten Jahren gegenüber der italienischen Regierung eher gefügig gezeigt hatte, änderte sich 1933 sein Verhalten mit der Ernennung des neuen Generalvikars Alois Pompanin, der auf ihn großen Einfluss ausübte, schlagartig. Als die Regierung im Februar 1935 alle katholischen Gesellenvereine aufhob, kündigte G. im April in einem scharfen Schreiben an den Bozner Präfekten an, dass er nicht gewillt sei, an der Instrumentalisierung der Religion zur Unterdrückung der deutschen Minderheit mitzuarbeiten. Er verbot im selben Jahr seinem Klerus, sich an der faschistischen Propaganda gegen die antiitalienischen Sanktionen zu beteiligen, die nach dem Abessinienkrieg verhängt worden waren. Ferner lehnte er die faschistische Weihe der Eheringe ab. Infolge der rapiden Verschlechterung der Beziehungen zwischen G. und dem Regime wurden ab 1936 Befürchtungen hinsichtlich einer bevorstehenden Verhaftung laut. Unter diesen Umständen lehnten sich G. und v. a. Pompanin immer stärker an das nationalsozialistische Deutschland an, während die Sympathien der Mehrheit des Klerus dem benachbarten Österreich galten. So entstand zwischen Bistumsleitung und Klerus allmählich jener Gegensatz, der später in der Optionsfrage offen ausbrach. Da auch G. trotz Dementi eine Umsiedlung der Südtiroler nach Altitalien befürchtete, optierte er im Juni 1940 zusammen mit seinen engsten Mitarbeitern für Deutschland und begründete dies damit, dass der Hirte seiner Herde folgen müsse. In Wirklichkeit wollte er sich aber in seine Nordtiroler Heimat zurückziehen. Wie G. optierten im Bistum Brixen 20%, im deutschsprachigen Anteil der Trienter Diözese 10% des Klerus, während 86% der Gesamtbevölkerung sich für das Deutsche Reich entschieden. In dieser schwierigen Lage kam es zwischen Bischof und Klerus wie auch zwischen Optanten und Nichtoptanten zu großen Spannungen. Die italienische Regierung ebenso wie der Heilige Stuhl drängten G., das Land zu verlassen. Nach der Besetzung Italiens durch deutsche Truppen im Dezember 1943 wurde Südtirol zur „Operationszone Alpenvorland“ geschlagen, mit dem Tiroler Gauleiter Franz Hofer als Oberstem Kommissar. Mit ihm gelang es G. vorerst, eine tragbare, wenn auch nicht konfliktfreie Beziehung herzustellen. Bei einem dramatischen Treffen mit Hofer in Bozen im April 1945 weigerte sich G. jedoch, die Verteidigung der „Alpenfestung“ zu unterstützen, obwohl Hofer mit der Hinrichtung von Geistlichen drohte. Nach dem Krieg setzte sich G. wiederholt für das Selbstbestimmungsrecht der Südtiroler und für die Rücksiedlung der aufgrund der Option ausgewanderten Landsleute ein, nahm jedoch auch stets die Seelsorge an der italienischen Minorität wahr. Aus gesundheitlichen Gründen bot er 1952 dem Heiligen Stuhl seinen Rücktritt an. Pius XII. nahm diesen im April des Jahres an und verlieh ihm bei dieser Gelegenheit den Titel eines Erzbischofs von Odessus.

W.: 6 Vorträge zur Lebensform für Weltleute, 1929; Ratschläge und Gebete für die Exerzitien, 1930, 2. Aufl. 1933.
L.: Gatz, Bischöfe (mit Bild); S. Benvenuti, in: Studi Trentini di Scienze storiche 56, 1977, S. 397ff.; J. Gelmi, Die Brixner Bischöfe in der Geschichte Tirols, 1984, S. 269ff. (mit Bild); J. Gelmi, Fürstbischof J. G. (1882–1952), 2003 (mit Bild); J. Goller, Die Brixner Richtungen. Die Südtiroler Volkspartei, das katholische Lager und der Klerus, 2008, passim (mit Bild); Pfarre Mayerhofen, Tirol.
(J. Gelmi)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)