Gleispach, Wenzeslaus Gf. (1876-1944), Jurist

Gleispach Wenzeslaus Graf, Jurist. * Graz, 22. 8. 1876; † Wien, 12. 3. 1944. Sohn des Justizmin. Joh. Nep. G. (s. d.). 1898 Dr.jur., trat in Wien in die Gerichtspraxis ein und bestritt durch Stundengeben seinen Lebensunterhalt, um als unabhängiger Mann eine Neigungsehe mit einer Sängerin des Grazer Landestheaters eingehen zu können. Bereits 1900 in die Strafrechtsabt. des k. k. Justizmin. berufen, 1903 in die Strafrechtskomm. aufgenommen und o. Prof. für Strafrecht an der Univ. Freiburg (Schweiz), 1907 o. Prof. an der Dt. Univ. Prag, 1916–33 o. Prof. an der Univ. Wien als Nachfolger Lammaschs. 1925 gründete er das große Universitätsinstitut für die gesamte Strafrechtswiss. und Kriminalistik. 1925 Dekan, 1929/30 Rektor. 1933 wurde G. wegen des Aufsatzes in der Z. Verwaltungsarchiv „Die Neuerungen im Dienstrechte der Bundesangestellten“, in welchem er diese als verfassungswidrig scharf kritisierte, ohne jedes Disziplinarverfahren vorzeitig in den Ruhestand versetzt. 1933 Hon. Prof., 1935 o. Prof. an der Univ. Berlin. 1943 kehrte G. nach Österreich zurück. Ein ausgezeichneter Lehrer und gewandter Redner, nahm er an zahlreichen internationalen Kongressen als Gutachter oder Berichterstatter teil. Vielfach ausgezeichnet, u.a. 1925 Dr. h.c. der Staatswiss. der Univ. Berlin, ständiger Delegierter beim Dt. Juristentag, ständiges Mitgl. bei der Comm. internationale pénitentiaire et pénale, Mitgl. der Akad. d. Wiss. in Wien. Dreimal wirkte er bei Strafrechts-Komm. mit, seit 1902 als Gutachter, seit 1907 als Mitgl. des engeren Komitees und als Redaktor des Entwurfes; er hatte einen selbständigen Entwurf zum allg. Teile vorgelegt. Das zweite Mal war er Mitgl. der Komm. bei den Vorarbeiten für ein paktiertes gemeinsames Strafgesetzbuch, 1935 wurde er in die Komm. zur Erneuerung des Strafrechts berufen. Seine stärkste Begabung lag auf dem Gebiete der Rechtspolitik, der legislativ-polit. Arbeit und der organisat. Förderung der Wiss.

W.: Die Veruntreuung an vertretbaren Sachen, 1905; Das Schuldproblem im österr. Strafgesetzentwurf, in: Österr. Zentralbl. für die jurist. Praxis, 1911, S. 128 ff.; Das Problem der unbestimmten Verurteilung, in: Ms. für Kriminalpsychologie, Jg. 8, 1911, S. 346ff.; Das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen und Strafgesetzen, in: Österr. Z. für Strafrecht, Jg. 3, 1911, S. 187ff.; Über amerikan. Jugendstrafanstalten, in: Z. für Kinderschutz, Jg. 4, 1912, S. 41 f.; Die unbestimmte Verurteilung (11. Internat. Kongreß für Kriminalanthropol. in Köln, 1911), 1912; Der österr. Strafprozeß, 1913; Bericht über den jüngsten Stand der Reform des österr. Strafrechts, in: Z. für die gesamte Strafrechtswiss., Bd. 35, 1914, S. 501 f.; Rücktritt von der Gefährdung, in: Jurist. Vierteljahresschrift, N. F., Bd. 30, 1914; Krieg und Strafrechtsreform, in: Österr. Z. für Strafrecht, 1915, S. 103; Das neue österr. Wucherrecht, in: Österr. Gerichtsztg., 1915; Tilgung der Verurteilung, in: Österr. Z. für Strafrecht, 1916–18, S. 399; Das österr. Strafverfahren, 2. Aufl., 1924; Erneuerungen des Jugendstrafrechtes, in: Z. für Kinderschutz, Jg. 16, 1874, S. 275; Verbrechen gegen das keimende Leben im geltenden und künftigen Strafrecht, in: Z. für Kinderschutz, Jg. 20, 1928; Das Wr. Univ.-Institut für die gesamte Strafrechtswiss. und Kriminalistik, in: Mitt. der forens.-psycholog. Ges. zu Hamburg, 1927/28, n. 4; Der Erziehungsgedanke im Entwurf eines dt. Strafvollzugsgesetzes, in: Almanach der sozialen Gerichtshilfe, 1928; Zur Neugestaltung der Sittlichkeitsdelikte im kommenden Strafgesetzbuch, in: Krim. Monatsh., Jg. 9, 1935, S. 1 f.; Compatibilité de certains decrets-lois Dantzikois avec la constitution de la ville libre, Rechtsgutachten für die Freie Stadt Danzig, 1935; Das internat. Strafrecht nach dem deutschen Strafgesetzentwurf, in: Z. für die gesamte Strafrechtswiss., Bd. 55, 1936, S. 399ff.; Das Reich in Bereitschaft, Kriegsstrafrecht, 1., 2. und 3. Tl., 1940–43; Entwicklungsrichtungen im Kriegsstrafrecht, in: Dt. Strafrecht, 1941, S. 1 ff.; Zur Erneuerung des Auslieferungsrechtes, in: Z. der Akad. für Dt. Recht, Jg. 9, 1942, S. 65 ff.; Das dt. Strafverfahrensrecht, ein Grundriß, 1943; etc.
L.: R.P. vom 26. 11. 1914; Almanach Wien, 1944 (mit Werksverzeichnis); Mitt.Bl. Ulrich v. Hutten, 1944.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 6, 1957), S. 7f.
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