Goldschmidt, Waldemar (1886–1947), Mediziner

Goldschmidt Waldemar, Mediziner. Geb. Bukarest (Bucureşti, RO), 1. 12. 1886; gest. Stockholm (S), 15. 5. 1947; mos. Ursprünglich stammte die Familie aus dem Gebiet um Hohenelbe (Vrchlabí). Sohn des Direktors des Wiener Bankvereins in Bukarest Julius (Jules) Goldschmidt (gest. Wien, 1921) und von Karoline (Lina) Goldschmidt (gest. Wien, 9. 11. 1936), Bruder des Investors Edmund Goldschmidt (gest. New York, NY / USA, 1976), der 1939 nach Brüssel und weiter in die USA floh; ab 1921 verheiratet mit der schwedischen Schriftstellerin und Übersetzerin Elsa Björkman-Goldschmidt (geb. Linköping, S, 16. 4. 1888; gest. 6. 4. 1982). – Nach Ablegung der Matura in Bukarest studierte G. ab 1904 Medizin an der Universität Wien, u. a. bei Emil Zuckerkandl und Julius Tandler; 1910 Dr. med., trat er in die Wiener Ärztekammer ein. G. vervollkommnete seine Ausbildung ab 1907 als Demonstrator und später Prosektor an der 1. anatomischen Lehrkanzel. 1911 wechselte er als Operateur an die 1. chirurgische Universitätsklinik im Allgemeinen Krankenhaus. 1913 diente er im Balkankrieg auf bulgarischer Seite. Im 1. Weltkrieg als Regimentsarzt der k. u. k. Armee tätig, geriet G. in russische Gefangenschaft und übernahm die medizinische Betreuung von Kriegsgefangenen in Moskau. Nach seiner Rückkehr nach Wien erhielt er eine Stelle als Assistenzarzt bei →Anton Frh. von Eiselsberg an der 1. chirurgischen Universitätsklinik und habilitierte sich 1924 für Chirurgie an der Universität Wien. Im selben Jahr zum Oberarzt ernannt, eröffnete er eine Privatordination in Wien-Alsergrund, wo u. a. die Familie Zuckerkandl zu seinen Patienten zählte. Daneben wirkte er als Primarius der chirurgischen Abteilung im Rothschildspital in Wien 18. G. befasste sich mit verschiedensten Erkrankungen des Verdauungstrakts. Sein Spezialgebiet lag allerdings in der Erforschung von Ursachen und Therapiemöglichkeiten von Krebserkrankungen. Als Vorstandsmitglied der österreichischen Gesellschaft zur Erforschung und Bekämpfung der Krebskrankheit vertrat er Österreich auf zahlreichen internationalen Kongressen der Krebsgesellschaft (u. a. Madrid 1933, Paris 1934). Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Österreich erreichte seine Frau – aufgrund ihres sozialen Engagements für Kriegsgefangene im 1. Weltkrieg –, dass das Ehepaar Österreich Ende März 1938 in Richtung Stockholm verlassen durfte. Im April 1938 wurde in Wien seine Venia legendi widerrufen, im September 1938 erfolgten die Praxisabmeldung und der Austritt aus der Ärztekammer. Im Exil schloss G., der am Karolinska Institutet in Stockholm an einem Forschungsprojekt arbeitete, Freundschaft mit Bertolt Brecht.

W. (s. auch Deutscher Chirurgen-Kalender): Über das morphologische Verhalten der Montgomeryschen Drüsen, in: Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie 30, 1909 (gem. m. K. Natanson); Notizen zur Wahl der Operationsmethode beim Mastdarmkrebs, in: Langenbeck’s Archives of Surgery 217, 1929; etc.
L.: Hdb. jüd. AutorInnen; Kürschner, Gel.Kal., 1935; Deutscher Chirurgen-Kalender, 2. Aufl. 1926 (m. tw. W.); K. Mühlberger, Vertriebene Intelligenz, 2. Aufl. 1993, S. 22; Vertriebene Vernunft 2, ed. F. Stadler, 2. Aufl. 2004, S. 974; Es geschah in Wien – Erinnerungen von Elsa Björkman-G., ed. R. Schreiber, 2007; Sveriges dödbok 1947–2006, Version 4.0, red. C. Szabad, 2007; 100 Jahre Österreichische Krebshilfe 1910–2010, 2010, S. 41f., 46 (m. B.); UA, Wien.
(R. Schreiber)   
Zuletzt aktualisiert: 15.3.2013  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 2 (15.03.2013)