Grafenauer, Franc (1860–1935), Politiker und Orgelbauer

Grafenauer Franc, Politiker und Orgelbauer. Geb. Brugg (Hermagor-Pressegger See, Kärnten), 2. 12. 1860; gest. ebd., 13. 12. 1935; röm.-kath. Sohn eines Hirten und Mesners, der sich autodidaktisch zum Orgelbauer fortgebildet hatte, Onkel des Slawisten Ivan Grafenauer (geb. Micheldorf / Hermagor, Kärnten, 7. 3. 1880; gest. Ljubljana, Jugoslawien / SLO, 29. 12. 1964). ‒ Nach dem Besuch der Volksschule in Egg und im nahe gelegenen Hermagor ging G. 1874 bei seinem Vater in die Lehre, wurde Orgelbauer und führte nach dessen Tod (1889) die Werkstatt weiter. G. exponierte sich schon früh politisch, er schrieb in der Zeitung „Mir“ u. a. Beiträge über die Aktivitäten des Deutschen Schulvereins in seiner engeren Heimat, polemisierte gegen die deutschtümelnden Slowenen und verbreitete in seiner Gemeinde slowenische Broschüren und Bücher. Wegen abfälliger Äußerungen über die österreichische Politik wurde er zusammen mit seinem Vater 1888 der Majestätsbeleidigung und des Hochverrats bezichtigt und kam für drei Monate in Untersuchungshaft. Noch im selben Jahr wurde er in den Gemeinderat von Egg gewählt. 1896‒1916 saß G. als Repräsentant des Katholischen politischen und wirtschaftlichen Vereins für die Slowenen in Kärnten (Katoliško in politično društvo za Slovence na Koroškem, KPDSK) als Abgeordneter im Kärntner Landtag. 1907 zog er als einziger Kärntner Slowene auch in den Reichsrat ein, wo er vehement für die nationalen Rechte der Kärntner Slowenen und für die wirtschaftliche Besserstellung der Bauern eintrat. Als Klerikaler übersah er die wachsende Bedeutung der Arbeiterfrage, die auch für einen Zulauf der slowenischen Landbevölkerung in Kärnten zur national vorwiegend deutsch gesinnten Sozialdemokratie sorgte. 1916 wurde er auf Grund einer angeblichen Wette auf einen für Russland günstigen Kriegsausgang wegen „Störung der öffentlichen Ruhe“ zu fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt und verlor seine politischen Mandate. Nach einem Jahr Haft in der Militärstrafanstalt Möllersdorf (Traiskirchen) wurde G. im Juli 1917 amnestiert. Nach Kriegsende in den Vorstand des Narodni svet (Volksrat) in Ljubljana gewählt, organisierte er in Egg dessen lokalen Ableger und engagierte sich für den Anschluss des unteren Gailtals an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Nach der Auflösung des Egger Volksrats durch Einheiten der Kärntner Volkswehr im Jänner 1919 musste G. Kärnten verlassen und floh nach Ljubljana. Als slowenischer Abgeordneter in der provisorischen Nationalversammlung in Belgrad wirkte er an den Vorbereitungen für die Kärntner Volksabstimmung im Oktober 1920 mit und agitierte vor Ort. Nachdem das Plebiszit zu Gunsten Österreichs ausgegangen war, blieb G. in Oberkrain, wo er sich, nunmehr Privatmann, u. a. als Organist verdingte. 1926 konnte er nach Kärnten zurückkehren und übte wieder seinen gelernten Beruf als Orgelbauer aus.

W.: Hudi dnevi, in: Dom in svet 33, 1920, S. 306ff.; Moja leta, in: Svoboda 3, 1950, Nr. 2, 4–9, 4, 1951, Nr. 1–12, 5, 1952, Nr. 2.
L.: Osebnosti (m. B.); SBL (m. L.); J. Lukan, F. G. (1860‒1935), 1981; R. G. Plaschka, Nationalismus. Staatsgewalt. Widerstand, red. H. Haselsteiner u. a., 1985, s. Reg.; J. Pleterski, Slowenisch oder deutsch? Nationale Differenzierungsprozesse in Kärnten (1848‒1914), 1996, s. Reg.; Aussiedlung ‒ Verschleppung ‒ nationaler Kampf, ed. St. Karner ‒ A. Moritsch, 2005, S. 300; W. Baum, in: Literarische und historische Streifzüge durchs Gailtal, ed. E. Obernosterer ‒ W. Baum, 2010, S. 160ff.
(E. Köstler)  
Zuletzt aktualisiert: 15.11.2014  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 3 (15.11.2014)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 6, 1957), S. 45f.
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