Grysar, Karl Josef (1801–1856), Altphilologe

Grysar Karl Josef, Altphilologe. Geb. Leudersdorf, Frankreich (D), 2. 1. 1801; gest. Wien, 3. 4. 1856. Sohn eines Hüttenverwalters. – Der aus wohlhabendem Haus stammende G. besuchte das Gymnasium der Jesuiten in Düren, studierte 1820–24 an der Universität Bonn, v. a. bei August Wilhelm von Schlegel und Friedrich Gottlieb Welcker, und promovierte wenig später mit einer Arbeit zu Fragen der griechischen Komödie in Heidelberg. Infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten seiner Eltern musste er sich den Abschluss seines Studiums als Hauslehrer bei Schlegel selbst finanzieren, aber schon 1824 erhielt er eine Stelle als Gymnasiallehrer am katholischen Gymnasium in Köln, wo er sehr erfolgreich unterrichtete und trotz mehrerer Aufstiegsmöglichkeiten (u. a. in Heidelberg) bis zu seiner Berufung nach Wien verblieb. 1850 wurde er – nur ein Jahr nach der Gründung des Philologisch-Historischen Seminars unter der Leitung von →Hermann Bonitz – als Professor für klassische Philologie und Mitdirektor des Seminars an die Universität Wien berufen. Bonitz unterrichtete von diesem Zeitpunkt an nur noch im Bereich der Gräzistik, während sich G. auf die Latinistik konzentrierte und hier den Studierenden ein hohes Niveau der Sprachbeherrschung vermittelte. Für G.s Berufung nach Wien scheint auch seine Verankerung im katholischen Schulwesen gesprochen zu haben, da die Besetzung der (für das Gymnasialwesen zentralen) klassischen Philologie mit dem Protestanten Bonitz, die noch durch →Franz Serafin Exner erfolgt war, den neuen Unterrichtsminister →Leo Graf von Thun und Hohenstein mit heftigen Protesten von katholischer Seite konfrontierte. G. selbst sah seine Hauptaufgabe in Wien in der Ausbildung guter Gymnasiallehrer, was auch in einer Reihe von Schulausgaben klassischer Autoren zum Ausdruck kam, doch setzte eine Lungenkrankheit seinem Wirken ein frühes Ende. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten befasste sich G. zunächst vorwiegend mit dem griechischen und römischen Drama, doch kam bald eine intensive Beschäftigung mit der lateinischen Grammatik und Stilistik hinzu, zu der er mehrere (wiederholt nachgedruckte) Handbücher verfasste. Unter seinen Arbeiten zur römischen Literatur fällt neben solchen zum Drama eine große Zahl von Rezensionen auf (u. a. zu Tacitus-Ausgaben und Kommentaren), die den Umfang und Charakter selbstständiger Aufsätze haben. Nicht zuletzt ist ein beachtlicher Teil von G.s Publikationen als Hilfsmittel für den Unterricht in den höheren Klassen des Gymnasiums konzipiert.

W.: De Doriensium comoedia quaestiones ... atque Epicharmi et Italicae comoediae scriptorum fragmenta, 1828; De Graecorum tragoedia qualis fuit circum tempora Demosthenis, 1830; Theorie des lateinischen Stils, 1831; Handbuch der Geschichte des Alterthums, 1835; Andeutungen über die Eigentümlichkeiten in der Darstellung und Latinität des Geschichtsschreibers Tacitus, 1853; Der römische Mimus, in: Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 12, 1854; Über das Canticum und den Chor in der römischen Tragödie, ebd. 15, 1855.
L.: ADB; Wurzbach; Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 7, 1856, S. 387ff.; Th. Mayerhofer, Der Lehrkörper der Philosophischen Fakultät von 1848 bis 1873, phil. Diss. Wien, 1982, S. 71f.; F. Römer – H. Schwabl, in: Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften 5, ed. K. Acham, 2003, S. 75; H. Lentze, in: Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 239/2, 1962, S. 32f., 128ff.
(F. Römer)   
Zuletzt aktualisiert: 25.11.2016  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 5 (25.11.2016)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 6, 1957), S. 96
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