Günther, Mizzi (Maria Anna Augustina) (1879–1961), Sängerin

Günther Mizzi (Maria Anna Augustina), Sängerin. Geb. Warnsdorf, Böhmen (Varnsdorf, CZ), 21. 3. 1879; gest. Wien, 18. 3. 1961 (Ehrengrab: Zentralfriedhof). Tochter eines Hoteliers und Gutsbeamten im Dienste des Grafen Clam-Gallas; in 1. Ehe mit dem Schauspieler Alfred Fischer, in 3. Ehe mit dem Burgschauspieler Fred Hennings, eigentl. Franz von Papen-Pawlowski, verheiratet. – G. wurde bürgerlich erzogen und besuchte die Klosterschule der Ursulinen in Arnau. Mit 18 Jahren trat sie ohne Wissen der Eltern im Prager Sommertheater auf, heiratete und folgte ihrem Mann an das Theater in Hermannstadt, wo sie unter den darstellenden Mitgliedern geführt wurde. Nach weiteren Stationen in Teplitz-Schönau, Karlsbad sowie im Sommertheater Venedig in Wien verpflichtete sie 1900 das Wiener Carltheater. Dort debütierte sie als Mimosa in der „Geisha“ von Sidney Jones und stieg bald zur ersten Sängerin auf, der →Heinrich Reinhardt ein Jahr später „Das süße Mädel“ auf den Leib schrieb. Am Carltheater fand sie in →Louis Treumann auch den Bühnenpartner ihres Lebens. Mit ihm bildete sie bald das berühmteste Tanzpaar der Wiener Operette. Als solches fielen sie erstmals 1901 in Carl Michaels Ziehrers „Die drei Wünsche“ auf. Vier Jahre später wechselten beide ans Theater an der Wien. Dort erregte G. bei ihrem Debüt in Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ Aufsehen, weil sie alle drei Sopranpartien selbst sang. Kurz darauf kreierte sie ihre bedeutendste Rolle: die Hanna Glawari in →Franz Lehárs „Die lustige Witwe“. In dieser Partie trat sie über 1.000 Mal auf und wurde zur gefeierten Operettendiva, die durch Erscheinung, musikalisches und schauspielerisches Talent gleichermaßen bestach. Wenn man der Wiener Operette ein Denkmal errichten wollte, so müsste es die Züge G.s tragen, heißt es in einem Bonmot jener Zeit. Auch wenn der →Arthur Schnitzler zugeschriebene Satz nachweislich nicht von ihm stammt, beschreibt er doch treffend G.s Bedeutung für die Silberne Operettenära. Von da an konnte sich G. ihre Rollen aussuchen. Besonders Lehár schätzte sowohl ihre temperamentvolle Darstellung als auch ihre stimmlichen Möglichkeiten und schrieb für sie die anspruchsvolle Titelrolle in „Eva“ sowie die komödiantische Doppelrolle in „Die ideale Gattin“. Sie war außerdem 1907 →Leo Falls erste „Dollarpinzessin“ und 1915 Emmerich Kálmáns erste „Csárdásfürstin“. Damit hat G. die wichtigsten Operettenpartien ihrer Zeit kreiert. 1909 war sie erstmals vom Theater an der Wien ans Johann Strauß-Theater gegangen und wechselte seitdem zwischen beiden Häusern. 1916 verhalf sie mit „Liebe im Schnee“ →Ralph Benatzky im Ronacher-Theater zu seinem ersten Operettenerfolg. Mit 41 Jahren folgte sie schließlich einem Angebot des Metropoltheaters nach Berlin, wo sie zwei Spielzeiten blieb, ehe sie mit „Katja, die Tänzerin“ des Berliner Komponisten Jean Gilbert nach Wien zurückkehrte und einen letzten Triumph als Operettendiva feiern konnte. Danach wechselte sie (wie einst ihre Vorgängerin →Marie Geistinger) ins Schauspielfach und trat am Volkstheater, an der Neuen Wiener Bühne und den Kammerspielen auf. 1950 gastierte sie als Zenobia in →Karl Millöckers „Gasparone“ an der Wiener Staatsoper, die damals in der Volksoper spielte.

Weitere Rollen (Wiener Uraufführungen): Suza (F. Lehár, Der Rastelbinder, 1902); Juno, Alkmene (ders., Der Göttergatte, 1904); Jessie (L. Ascher, Vergelt’s Gott, 1905); Lori (F. Lehár, Der Mann mit den drei Frauen, 1908); Mary Ann (ders., Das Fürstenkind, 1909); Anita Montarini (E. Kálmán, Der kleine König, 1912); Dolly Doverland (F. Lehár, Endlich allein, 1914); Komtesse (O. Straus, Rund um die Liebe, 1914); Fürstin Alexandra Maria (E. Kálmán, Die Faschingsfee, 1917); Rosemarie (M. Krasznay-Krausz, Pußtaliebchen, 1923).
L.: Czeike (mit Bild); Kutsch–Riemens; oeml; F. Hadamowsky – H. Otte, Die Wiener Operette, 1947, s. Reg. (mit Bild); B. Grun, Kulturgeschichte der Operette, 1961, s. Reg.; B. Grun, Gold und Silber. F. Lehár und seine Welt, 1970, s. Reg. (mit Bildern); K. Gänzl, The Encyclopedia of the Musical Theatre 1, 1994; St. Frey, „Was sagt ihr zu diesem Erfolg“. F. Lehár und die Unterhaltungsmusik des 20. Jahrhunderts, 1999, s. Reg. (mit Bildern); St. Frey, „Unter Tränen lachen“. E. Kálmán, 2003, s. Reg. (mit Bild); St. Frey, L. Fall. Spöttischer Rebell der Operette, 2010, s. Reg.; M.-T. Arnbom u. a., Welt der Operette, Wien 2011, s. Reg. (Kat.); B. Denscher, Der Operettenlibrettist V. Léon, 2017, s. Reg. (mit Bildern); WStLA, Wien.
(St. Frey)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)