Haenke, Thaddäus Peregrinus (1761-1817), Arzt, Botaniker und Forschungsreisender

Haenke Thaddäus Peregrinus, Mediziner, Botaniker und Forschungsreisender. * Kreibitz b. Leitmeritz (Chřibská/Litoměřice, Böhmen), 5. 12. 1761; † Cochabamba (Bolivien), 1817. Rein dt. Abstammung; Schüler des St.-Wenzels-Seminars der Jesuiten zu Prag, schloß 1782 sein Stud. an der Prager Karlsuniv. als Magister ab. 1786 wanderte er nach Wien, um sich in Botanik, Med. und Chemie bei N. Jacquin, M. Stoll und J. Born weiterzubilden. Durch Empfehlung seiner Lehrer wurde er 1789 als Arzt und Botaniker Mitgl. der span. Expedition Malaspina. 1793 entlassen, trat er in Dienste der span. Kolonialregierung, die ihn auf ausgedehnte Reisen in das unerforschte Landesinnere schickte und als Bergsachverständigen verwendete. Sein Tod erfolgte unter ungeklärten Umständen während der Wirren der Bürgerkriege in den span. Kolonien. H.s Beschreibung von Peru, Chile und Bolivien ist der erste umfassende Versuch einer Länder- und Staatenkunde zehn Jahre vor A. v. Humboldt. Von unglaublicher Vielseitigkeit, begann H. als Florist in den Anden. 15.000 Herbarblätter mit 4000 Spezies in Prag zeugen von seinem Fleiß. Seit 1794 trat die Sammlertätigkeit in den Hintergrund, er wandte sich der Kolonialbotanik und der ökolog. Pflanzengeographie, als deren Pionier in Südamerika er gilt, zu. H. war der erste deutschsprachige Forschungsreisende auf diesem Kontinent. Er durchzog das Quellgebiet des Beni und Ucayali mit ihren Zubringerflüssen und zeichnete die erste Karte der Mojos und Chiquitos (1796 und 1800). Bei seinem Vorstoß zum Rio Mamoré entdeckte er als erster Europäer die berühmte Victoria regia. Die Ergebnisse dieser Entdeckungsfahrten legte er in seinem Memorandum über die Schiffbarkeit der Nebenflüsse des Amazonas nieder, das einen noch heute mustergültigen Plan zur Verbindung der andinen Regionen mit dem Atlantik ausarbeitete. H.s ärztliches Wirken in Bolivien fand größte Anerkennung der Regierung. Er führte als erster eine Blatternschutzimpfung in Cochabamba durch und versorgte während der Napoleon. Kriege das Land mit selbsterzeugten Medikamenten und Chemikalien. Sein größtes, in Chile noch heute unvergessenes Verdienst war, daß er erstmalig in techn. lohnendem Ausmaß ein einfaches Verfahren zur Umwandlung des chilen. Caliche in reinen Kalisalpeter in Südamerika durchführte und so zum. Begründer der chilen. Salpeterindustrie wurde, die für die Schießpulver- und Medikamentenerzeugung von größter Bedeutung geworden ist.

L.: J. und R. Gicklhorn, Th. H.s Bedeutung für die Erforschung Südamerikas vor A. v. Humboldt, in: Mitt. der Geograph. Ges. in Hamburg, Bd. 47, 1941, S. 269–364 (L. und Bibliographie von H.s sämtlichen in span. Sprache geschriebenen Werken); J. Gicklhorn, Th. H.s Rolle in der Geschichte des Chilesalpeters und der Chilesalpeterindustrie, in: Sudhoffs Archiv für Geschichte der Med., Bd. 32, 1940, H. 6, S. 337–70; K. B. Presl, Reliquiae Haenkeanae (mit biograph. Einleitung von K. v. Sternberg), 2 Bde., 1830–35; Wurzbach; ADB; Otto 10.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 7, 1958), S. 137f.
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