Hagenauer, Franz (1906–1986), Metallbildhauer

Hagenauer Franz, Metallbildhauer. Geb. Wien, 22. 2. 1906; gest. Salzburg (Salzburg), 26. 9. 1986; bis 1930 röm.-kath. Sohn von →Carl Rudolf Hagenauer und Ottilie Hagenauer, geb. Zentner (1875–1952), Bruder von →Karl Hagenauer und Grete (Margarete) Hagenauer (1903–1969); ab 1946 in 1. Ehe mit Kasimira Laves, geb. Nowak, ab 1949 in 2. Ehe mit Ingeborg Hagenauer, geb. Holler (1925–2013), verheiratet. – H. besuchte 1914–19 den Sonderkurs für Jugendkunst bei →Franz Čižek an der Wiener Kunstgewerbeschule und 1919–20 die Realschule. 1920/21 absolvierte er eine Ferialpraxis in der Wiener Werkstätte bei →Dagobert Peche, 1920–25 studierte er Bildhauerei bei →Anton Hanak an der Wiener Kunstgewerbeschule. Im letzten Ausbildungsjahr wurde er von →Josef Hoffmann in der Werkstätte für Gürtlerei und Metalltreiben unterrichtet. 1925 trat H. in den väterlichen Betrieb Hagenauer Karl, Ziseleur & Bildhauer in Wien 7 ein. Nach dem Tod seines Vaters (1928) führte er die nunmehrige Werkstätte Karl Hagenauer zusammen mit seinen Geschwistern Grete und Karl als Geschäftsführer weiter. Gemeinsam erweiterten sie den Familienbetrieb um eine Tischlerei (1930), eine Verkaufsfiliale am Opernring in Wien 1 (1938), eine Tischlerei- und Drechslereiwerkstätte in Fuschl am See (1945) und eine Verkaufsfiliale in Salzburg (1947). Als Karl 1956 starb, übernahm Franz die Leitung der Firma Karl Hagenauer, ab 1968 Franz Hagenauer OHG. Sehr früh konzentrierte sich H. bei seinen Metallarbeiten auf die Technik des Blechtreibens. Er war stilistisch aus der Wiener Werkstätte hervorgegangen, die den Hanak-Schüler bereits 1923 mit einem hochdotierten Preis für die Anfertigung einer getriebenen „Blechplastik“ auszeichnete. Anlässlich der Pariser Weltausstellung (1925) gestaltete die Meisterklasse seines Lehrers einen „Kultraum“, für den H. Wandreliefs aus Blechtreibarbeit sowie eine Plastik des österreichischen Wappenadlers schuf. Ende der 1920er-Jahre entwarf er eine Reihe von getriebenen Metallköpfen, die in ihrer Abstraktion und dem Verzicht auf funktionsloses Dekor stilistische Nähe zum Art Déco und der Neuen Sachlichkeit aufweisen. Eine dieser Plastiken befand sich in der Sammlung Andy Warhols und gelangte über den Kunsthandel schließlich in die Sammlung Leopold und damit nach Österreich zurück. Seine „gesichtslosen“ Figuren, die ohne jegliches Dekor auskommen, zeugen von der konsequenten Absicht des Bildhauers, den menschlichen Körper auf seine geometrischen Grundformen zu reduzieren. Nach Ableistung seines Kriegsdiensts (1939–45) widmete er sich zunehmend der Produktion von Gebrauchsgegenständen. 1950 absolvierte er die Meisterprüfung des Gürtlerhandwerks. Neben der Verarbeitung von Metall nahm H. aufgrund der allgemeinen Materialknappheit in der Nachkriegszeit den Werkstoff Holz in sein Produktionsprogramm auf. Daraus ließ er Aschenbecher, Leuchter, Besteck, Lampen, Möbel etc. herstellen, die auf ihre klare, sachliche Form reduziert sind. Daneben wirkte er auch in der Lehre: 1962 wurde H. an der Akademie für angewandte Kunst (ab 1972 Hochschule für angewandte Kunst) mit der Leitung der Meisterklasse für Metallarbeiten betraut. 1973 übernahm er zusätzlich zur Meisterklasse für Metallgestaltung jene für Metall- und Emailrestaurierung und emeritierte 1976. Seine Werkstätte blieb bis Ende 1987 in Betrieb, das Unternehmen wurde 1990 aus dem Handelsregister gelöscht. Mit seinen Arbeiten war er auf zahlreichen in- und ausländischen Ausstellungen vertreten, so etwa auf der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes in Paris (1925), auf der Biennale in Venedig (1934), auf der Pariser Weltfachausstellung (1937), auf der Triennale in Mailand (1948–57) und auf der Weltausstellung in Brüssel (1958). Für sein Œuvre erhielt er 1950 den Kulturpreis der Stadt Wien für Kunsthandwerk. H. war Mitglied des Bunds österreichischer Künstler, Kunstschau, der Österreichischen Werkstätten (ab 1948), ab 1928 Mitglied (1955 Vorstandsmitglied) des Österreichischen Werkbunds, ab 1931 Mitglied der Wiener Secession und 1939–62 Mitglied der Gesellschaft bildender Künstler Wien, Künstlerhaus. Seine Werke befinden sich u. a. im MAK, im Leopold Museum, im Wien Museum (alle Wien) sowie im Kunsthandel.

Weitere W.: s. WHW; Hagenauer Zettelkatalog 1957, ed. P. Kovacs, Wien 2011 (Kat.).
L.: A. Weiser, in: Deutsche Kunst und Dekoration 57, 1925–26, S. 158ff.; WHW – Werkstätte Karl H. Wien, 1928, Reprint 1999 (mit W.); Werkstätten Hagenauer 1898–1971, Wien 1971 (Kat.); R. Beger, in: Weltkunst 56, 1986, S. 3366ff.; E. Patka, Kunst: Anspruch und Gegenstand, 1991, s. Reg.; M. A. Kutschak, F. H., DA Wien, 2002; Lust auf Kunst. Die Sammlung J. Eisenberger – Stimmungsimpressionismus, Jugendstil, Moderne, Wien 2002, S. 194ff. (Kat.); Kunst und Auktionen 36, 2008, Nr. 19, S. 42ff.; Hagenauer. Wiener Moderne und Neue Sachlichkeit, ed. M. Wenzl-Bachmayer, Wien 2011 (Kat.); E. Breinsberg, F. H. Die singuläre Kunst der handgetriebenen Metallskulptur, 2016; Website Galerie H. Wien (mit Bild, Zugriff 24. 4. 2018); MAK, Pfarre Schottenfeld, Universität für Angewandte Kunst, alle Wien; Mitteilung Caja Hagenauer, Wien.
(M.-L. Jesch)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)