Hajn, Antonín (1868–1949), Journalist und Politiker

Hajn Antonín, Journalist und Politiker. Geb. Solnitz, Böhmen (Solnice, CZ), 24. 7. 1868; gest. Praha, Tschechoslowakei (CZ), 26. 3. 1949; röm.-kath., ab 1893 konfessionslos. Sohn eines Tischlers, Bruder des Schriftstellers, Journalisten und Übersetzers Alois Hajn (geb. Solnitz, 31. 5. 1870; gest. Praha, 8. 1. 1953); verheiratet mit Ludmila Hajnová, geb. Vlková. – H. absolvierte das Gymnasium in Chrudim und begann 1888 ein Philosophiestudium u. a. bei →Thomas (Garrigue) Masaryk an der tschechischen Universität in Prag; 1901 Dr. phil. mit einer Arbeit über die tschechische Studentenbewegung im 19. Jahrhundert. Im Studentenklub Akademický čtenářský spolek (Akademischer Leseverein) sowie 1889 als Mitbegründer und Redakteur des „Časopis českého studentstva“ etablierte er sich rasch als Prager Studentenführer. Er trat der tschechischen Freisinnigen Nationalpartei (Národní strana svobodomyslná) bzw. deren Fortschrittsflügel sowie dem Politischen Arbeiterklub Böhmens bei. Kurz vor Abschluss seines Studiums wurde er 1892 wegen seiner partei- und nationalpolitischen Aktivitäten von der Universität verwiesen. Dazu hatten auch seine tschechischen Übersetzungen von polnischen politischen Schriften und der Werke von Lev Tolstoj und Nikolaj Kareev aus dem Russischen beigetragen. 1892/93 arbeitete er kurzzeitig als Redakteur des Montagsblatts „Neodvislost“ und wurde 1893 wegen Pressevergehens zu einer Haftstrafe und 1894 im sogenannten Omladina-Prozess wegen Hochverrats und Bildung eines Geheimbunds zu 18 Monaten Kerker verurteilt. In diesem Kontext trat der Hus- und Havlíček-Verehrer H. 1893 aus politischen Gründen aus der katholischen Kirche aus und erklärte sich explizit für konfessionslos. Nach der Amnestie 1895 engagierte er sich für politische Reformen (etwa beim Wahlrecht), ein säkulares Bildungswesen, die Trennung von Staat und Kirche sowie eine tschechische nationale bzw. staatsrechtliche Eigenständigkeit. 1896 war H. Mitbegründer und seitdem stellvertretender Vorsitzender des Husův fond zur Unterstützung von Studenten. Er führte die tschechische politische Fortschrittsbewegung zur Eigenständigkeit, formulierte ein eigenes Parteiprogramm und war seit der Gründung (1897) Vorsitzender der Tschechischen Radikal-Fortschrittlichen Partei in Böhmen (Česká strana radikálně pokroková). Hauptberuflich arbeitete er 1897–1908 als Redakteur und 1908 auch als Mitherausgeber der Wochenschrift „Radikální listy“. Zudem gründete er 1897 und verlegte bis 1914 die radikal-fortschrittliche Wochenzeitung „Samostatnost“ sowie 1905–08 die Monatsschrift „Pokroková revue“ mit dem Supplement „Časopis pokrokového studentstva“ und wirkte als Redakteur, Herausgeber und Verleger mehrerer Buchreihen wie „Knihovna Samostatnosti“, „Hajnova knihovna děl domácích i cizích“ oder „Hajnův výběr románů a povídek“. Dem Ausschuss des Schulvereins Ústřední Matice školská gehörte er mehrere Jahre lang an. Seiner medialen Präsenz und Bekanntheit sowie einem Wahlbündnis mit der Česká strana národně sociální (Tschechische National-Soziale Partei) verdankte H. 1907 sein Mandat im Wiener Reichsrat und er wurde einer der aktivsten tschechischen Parlamentarier seiner Zeit. Ab 1907 war er Mitglied des Nationalrats (Národní rada česká). Nach der Fusion seiner Partei mit der Tschechischen Staatsrechtlichen Partei (Česká strana státoprávná) stand er ab 1908 der vereinigten Tschechischen Staatsrechtlich-Fortschrittlichen Partei (Česká strana státoprávně pokroková) vor, ab 1911 war er nur noch deren Vorstandsmitglied und Presseleiter. 1911 scheiterte er bei den Parlamentswahlen, auch mehrere Kandidaturen zum böhmischen Landtag blieben erfolglos. Ab 1915 gehörte er dem Vorstand der Widerstandsorganisation Maffia an und wurde wiederholt wegen Presserechtsvergehens zu Gefängnisstrafen verurteilt, 1917 interniert. Im selben Jahr unterzeichnete er das Unabhängigkeitsmanifest der tschechischen Schriftsteller. Anfang 1918 führte er seine Partei in die neue nationalkonservative Partei der Tschechischen Staatsrechtlichen Demokratie (Česká státoprávní demokracie; ab 1919 Tschechoslowakische Nationaldemokratie / Československá národní demokracie) und wurde stellvertretender Parteivorsitzender. Ab Herbst 1918 gehörte er dem Tschechoslowakischen Nationalausschuss (Národní výbor československý) und der Revolutionären Nationalversammlung in Prag an, deren Vizepräsident er 1918–20 war. Als Abgeordneter der Nationalversammlung 1920–35 widmete sich der langjährige Leiter des Presseausschusses der Nationaldemokraten v. a. der Presse- und der Außenpolitik. 1921–33 gab H. die „Ročenka Československé republiky“ heraus und redigierte 1924–35 die wiedergegründete Zeitung „Samostatnost“. Als Vertreter einer slawischen Politik und Gegner der Sowjetunion unterstützte er die russische Emigration in der ČSR. Ende 1938 zog H. sich aus Politik und Öffentlichkeit zurück. Sein Nachlass befindet sich im Národní muzeum in Prag.

W. (s. auch Luft): List z nejnovější historie vnitřního našeho politického života, 1894; Proces s tak zvanou „Omladinou“, ed. A. Čížek – A. H., 1896; Husův fond, 1896; Naše dělnictvo a české státní právo, 1897; Program a úkoly strany radikálně pokrokové, 1897; Mistr Jan Hus, 1897; Nebezpečí reakce ve školství, 1899 (2. Aufl. 1907); Karel Havlíček Borovský, 1906; Co chce česká státoprávní demokracie?, 1907; Výbor prací 1889–1909, 3 Bde., 1912–13; Škola, národ, život, 1913; Státoprávně a pokrokově. Program strany státoprávně pokrokové, ed. A. H. – V. Dyk, 1914; Česká politika za války, 1924; Pro slovanskou zahraniční politiku, 1925; Národ o Havlíčkovi, 1936.
L.: Adlgasser; Freund, 1907 (mit Bild); Lex. böhm. Länder; Luft (mit W.); Masaryk; Otto, Erg.Bd.; Album representantů všech oborů veřejného života československého, red. F. Sekanina, 1927, S. 950f.; Národní shromáždění Republiky československé v prvém desítiletí, 1928, S. 1259 (mit Bild); J. Soukup, Omladináři, 1930; Z. Tobolka, Politické dějiny čsl. národa 3/2, 1936, S. 48f., 122; M. Paulová, Dějiny Maffie 1–2, 1937-38, s. Reg.; J. Havránek, in: Acta Universitatis Carolinae. Historia Universitatis Carolinae Pragensis (AUC-HUCP) 2,1, 1961, S. 5ff.; F. Červinka, Boje a směry českého studentstva, 1962; J. Galandauer, in: Československý časopis historický 12, 1964, S. 797ff.; K. A. J. Freeze, The Young Progressives, Diss. New York, 1974, S. 47f.; A. Šubrtová, in: Sborník archivních prací 41/1, 1991, S. 151ff.; M. Kučera, in: Sborník k dějinám 19. a 20. století 13, 1993, S. 7ff.; A. Klimek, Boj o Hrad 1–2, 1996–98, s. Reg.; Politická elita meziválečného Československa 1918–38, ed. F. Kolář, 1998, S. 75f.; Český biografický slovník XX. století 1, 1999; J. Čechurová, Česká politická pravice, 1999; A. Špiritová, in: Paginae historia 7, 1999, S. 85ff.; Významné osobnosti okresu Rychnov nad Kněžnou, 2. Aufl. 2001, S. 89f.; J. Pernes, Spiklenci proti Jeho Veličenstvu, 2. Aufl. 2002, s. Reg.; J. Malíř – P. Marek, Politické strany 1861–2004, 1, 2005, s. Reg.; M. Kučera, in: Střed / Centre 1, 2009, H. 2, S. 9ff.; M. Kučera, in: Akademická encyklopedie českých dějin 2/1, 2011, S. 56f.
(R. Luft)   
Zuletzt aktualisiert: 14.12.2018  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 7 (14.12.2018)