Halban, Henryk (Heinrich) von; bis 1893 Blumenstock (1870–1933), Neurologe und Psychiater

Halban Henryk (Heinrich) von, bis 1893 Blumenstock, Neurologe und Psychiater. Geb. Krakau, Galizien (Kraków, PL), 9. 9. 1870; gest. Lwów, Polen (L᾽viv, UA), 12. oder 13. 12. 1933; mos.? Sohn von →Leo Halban, Bruder von →Alfred von Halban. – Nach dem Besuch des St. Anna-Gymnasiums studierte H. Medizin an der Universität Krakau; 1895 Dr. med. 1895–96 arbeitete er an der Chirurgischen Klinik bei →Ludwik Rydygier in Krakau, danach bildete er sich in Bakteriologie in Berlin weiter. 1899–1903 wirkte er als Assistent an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Wien bei →Richard Freiherr von Krafft-Ebing und 1903–05 bei →Julius Wagner-Jauregg. Daneben vertiefte er seine Kenntnisse am Institut für Anatomie und Physiologie des Zentralnervensystems bei →Heinrich Obersteiner, am Institut für Physiologie bei →Siegmund von Exner-Ewarten und an der Lehrkanzel für allgemeine und experimentelle Pathologie bei →Salomon Stricker, wobei insbesondere die Forschungen und Publikationen Wagner-Jaureggs und Obersteiners H. beeinflussten. 1903 wurde er mit der Arbeit „Ueber juvenile Tabes nebst Bemerkungen über symptomatische Migräne“ (in: Jahrbücher für Psychiatrie und Neurologie 20, 1901) als Dozent für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Wien habilitiert. 1905 ao. und 1912 o. Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Lemberg, lenkte H. bereits ab 1905 seine Aufmerksamkeit auf die Organisation eines neurologischen Ambulatoriums und die Errichtung einer Bibliothek. In dieser Zeit nahm er auch an Fachtagungen teil, darunter 1909 in Warschau, 1912 in Krakau und 1914 in Bern. 1914–18 leitete H. ein Militärspital in Wien, wo er besonders Soldaten mit psychischen Belastungsstörungen behandelte. 1918–20 wirkte er als Sanitätsinspektor der Polnischen Ostarmee. Ab 1920 fungierte er als Vorstand des Lehrstuhls für Neurologie und Psychiatrie in Lemberg; 1914–15/16, 1921 Dekan, 1922 Prodekan der medizinischen Fakultät, 1919/20, 1923–25 Delegierter des Universitätssenats, 1933 Rektor. 1924 machte sich H. um die Errichtung der Abteilung für neurologische Krankheiten verdient (ab 1930 Klinik für Neurologie und Psychiatrie an der Universität in Lemberg). 1933 trat er in den Ruhestand. H. befasste sich v. a. mit Fragen zur klinischen Neuropathologie. Er beschrieb morphologische Veränderungen im Gehirn bei verschiedenen Arten von Lähmungen und bei Alkohol-Polyneuropathien. Als einer der Ersten propagierte er die Verwendung von Hyperthermie zur Behandlung progressiver Lähmungen, beim Guillain-Barré-Syndrom und bei der Pseudobulbärparalyse. Weiters untersuchte er Veränderungen im Zentralnervensystem, hervorgerufen u. a. durch Tetanusinfektionen oder Tuberkulose der Wirbelsäule, und befasste sich mit der Behandlung von Erkrankungen des extrapyramidalen Systems, einschließlich der Enzephalitis lethargica. Seine vielfach auf Deutsch verfassten Beiträge veröffentlichte er u. a. in den „Jahrbüchern für Psychiatrie und Neurologie“, in der „Wiener klinischen Wochenschrift“, dem „Przegląd Lekarski“ sowie dem „Lwowski tygodnik Lekarski“. H. gehörte dem Redaktionskomitee der Zeitschriften „Rocznik Psychiatryczny“ und „Neurologia Polska“ an. Ab 1897 war er korrespondierendes Mitglied der Psychiatrischen Gesellschaft in Wien, ab 1912 der Gesellschaft der Ärzte in Wien, ab 1900 Mitglied der Lemberger medizinischen Gesellschaft (Lwowskie Towarzystwo Lekarskie), wo er 1911 die Leitung der neurologisch-psychiatrischen Sektion übernahm. 1911 trat er auch der Gesellschaft Związek Rodzicielski (Familienverband) bei, die sich um sozial schwache Kinder und Jugendliche kümmerte und einige Betreuungseinrichtungen unterhielt. 1930 wurde ihm der Orden Polonia Restituta verliehen.

Weitere W.: s. Kreuter.
L.: Kreuter (mit W.); PSB; S. Orgelbrand, Encyklopedja powszechna 18, Suppl. 2, 1912; W. Hahn, Kronika Uniwersytetu Lwowskiego 2, 1912, S. 416ff.; A. Peretiatkowicz – M. Sobeski, Współczesna kultura, 1932; W. Sieradzki, in: Polska Gazeta Lekarska 12, 1933, S. 1005f. (mit Bild); W. Wojtkiewicz-Rok, Dzieje wydziaіu lekarskiego Uniwersytetu Lwowskiego w latach 1894–1918, 1992, S. 13, 79ff., 108, 142; Leksykon historii Polski, ed. M. Czajka u. a., 1995; G. Herczyńska, in: Postępy Psychiatrii i Neurologii 11, 2002, S. Iff. (mit Bild); J. Draus, Uniwersytet Jana Kazimierza we Lwowie 1918–46, 2007, S. 25; UA, Wien; UA, Kraków, PL.
(M. Nadraga)  
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)