Hanak, Anton (1875–1934), Bildhauer

Hanak Anton, Bildhauer. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 22. 3. 1875; gest. Wien, 7. 1. 1934 (ehrenhalber gewidmetes Grab: Hietzinger Friedhof); röm.-kath. Sohn des Zimmermalers und Vergolders Johann (Jan) Hanak und von Maria Hanak, geb. Havlíčková; ab 1900 verheiratet mit Juliana Janiczek. – H. verbrachte seine Kindheit in Mähren und besuchte die deutsche Volksschule. Zwischenzeitig bei den Großeltern untergebracht, erfuhr er durch die Förderung des Großvaters eine musische Ausbildung (Gesang, Geigenspiel, Chorknabe in St. Jakob in Brünn und im Priesterseminar Nikolsburg). 1889 kam er nach Wien und absolvierte 1889–93 eine Lehre beim Holzbildhauer Ludwig Sauer. Nach kurzen Arbeitsverhältnissen in Wien und Brünn unternahm H. 1894–98 in den Sommermonaten Wanderschaften in Süddeutschland, Österreich und Ungarn. Im Winter besuchte er Spezialkurse an der Staatsgewerbeschule in Wien 1, um sich als Bildhauer und Modelleur zu vervollkommnen. 1898–1904 studierte er an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei →Edmund von Hellmer (für kurze Zeit auch bei →Hans Bitterlich). Bereits während der Studienzeit erhielt H. mehrere kleinere Aufträge, u. a. für eine Gedenktafel an Königin Victoria (1902). Das Schwendenwein-Romreisestipendium für seine Abschlussarbeit „Grablegung“ (1904) ermöglichte ihm 1904/05, sich mit der Kunst Italiens auseinanderzusetzen. 1901 übersiedelte H. nach Langenzersdorf und erhielt 1904 den ersten Auftrag von Eugenia (Mäda) Primavesi, Ehefrau des Olmützer Industriellen Otto Primavesi. Die Primavesis wurden in der Folge über mehr als ein Jahrzehnt seine wichtigsten privaten Förderer. 1907/08 und 1908/09 fungierte H. als Leiter eines Spezialkurses für Bildhauer und Modelleure an der Wiener Kunstgewerbeschule. Nachdem er ab 1905 sein erstes eigenes Atelier in Wien 4 betrieben hatte, wurde ihm 1908 der „Pavillon des Amateurs“ im Prater zugewiesen, ein ehemaliges Ausstellungsgebäude der Wiener Weltausstellung. Den ersten öffentlichen Auftrag erhielt H. von der Stadt Linz, die Brunnenfigur „Freude am Schönen“ für den Linzer Volksgarten (1908). H.s bildhauerisches Werk steht im Spannungsfeld von Symbolismus und Expressionismus. Seine frühen weiblichen Figuren, die parallel zu Porträtaufträgen entstanden, zeigen den Einfluss von Auguste Rodin und Aristide Maillol. Nach und nach entwickelte H. eine eigene Formensprache mit blockhaften, kräftigen, erdverbundenen Körpern von meist geschlossenem Umriss mit Anleihen an die Antike. In symbolgeladenen Darstellungen übersetzte H. seine Ideen und Gedanken in figürliche Darstellungen (Der Gigant, 1910). Parallel zu seinen freien Werken arbeitete H. weiter für die Familie Primavesi (Figuren für das Landhaus Otto Primavesi im mährischen Winkelsdorf und die Villa Robert Primavesi, Wien 13), stellte in der Wiener Secession aus und wurde zum führenden Repräsentanten österreichischer Plastik in den Österreich-Pavillons im Rahmen internationaler Kunstausstellungen im europäischen Ausland, bei denen er u. a. mit →Josef Hoffmann und →Gustav Klimt zusammenarbeitete. Als Reaktion auf den 1. Weltkrieg entstanden Plastiken, in denen die Blockhaftigkeit stark ausladender Gestik wich (Der letzte Mensch, 1914/17; Der brennende Mensch, 1922, 1925 bei der Internationalen Kunstgewerbeausstellung in Paris mit dem Grand Prix der Jury ausgezeichnet) und die seinen Ruf als expressionistischer Bildhauer begründeten. Vor seinem Umzug nach Wien (1923) ins Pfarrerstöckl des Hetzendorfer Schlosses gestaltete H. 1922 das Kriegerdenkmal für Langenzersdorf in Form einer schlichten Sandsteinpyramide. 1924 wurde seine Porträtfigur des Anatomen Emil Zuckerkandl im Arkadenhof der Wiener Universität enthüllt. In den 1920er-Jahren war das Rote Wien H.s wichtigster Auftraggeber: So gestaltete er Bauplastik am Wiener Gemeindebau („Früchteträgerinnen“ am Klose-Hof von Josef Hoffmann, 1924, Wien 19), das Kriegerdenkmal auf dem Wiener Zentralfriedhof (Schmerzensmutter, 1925), monumentale Freiplastik (Magna Mater-Brunnen für die Kinderübernahmestelle, 1926, Wien 9) und war für die architektonische Gestaltung und Ausführung der Büste →Viktor Adlers für das Denkmal der Republik an der Wiener Ringstraße (1928) verantwortlich. Durch seine 20-jährige Lehrtätigkeit als Hochschulprofessor (ab 1913 Leitung der Meisterklasse für monumentale Bildhauerei an der Wiener Kunstgewerbeschule, ab 1932 ordentliche Professur für Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien) prägte H. u. a. Jakob Adlhart, Franz Blum, Margarethe Hanusch, Heinz Leinfellner, Angela Stadtherr, Hilde Uray, Egon Weiner und Fritz Wotruba. Auf Vermittlung von →Clemens Holzmeister arbeitete H. ab 1931 im Auftrag der türkischen Regierung am monumental angelegten Emniyet-Denkmal in Ankara, dessen Bronzefiguren durch einige seiner Schüler vollendet wurden (1936 wurde das Denkmal, zum Teil von H.s Entwürfen abweichend, fertiggestellt). H., seit 1915 physisch und psychisch chronisch leidend, war 1906–10 Mitglied der Wiener Secession. Sein künstlerischer Nachlass wurde vom Land Niederösterreich angekauft, eine Auswahl seiner Werke wird seit 1970 im Anton Hanak-Museum (heute Langenzersdorf Museum) präsentiert.

Weitere W.: s. Kapner.
L.: AKL; Thieme–Becker; Vollmer; H. Steiner, A. H. Werk, Mensch und Leben, 1969 (mit Bild); W. Mrazek u. a., A. H. 1875–1934, 1969; R. Feuchtmüller, A. H., Langenzersdorf 1972 (Kat., mit Bild); G. Kapner, A. H. Kunst- und Künstlerkult, 1984 (mit Bild und W.); A. H. 1875–1934, ed. F. Grassegger – W. Krug, 1997 (mit Bild); C. Klein-Primavesi, Die Familie Primavesi und die Künstler H., Hoffmann, Klimt, 2004; Das rote Wien (online, mit Bild, Zugriff 12. 7. 2019); Wien Geschichte Wiki (online, mit Bild, Zugriff 12. 7. 2019); Website Langenzersdorf Museum (mit Bild, Zugriff 11. 7. 2019); ABK, Wien.
(G.-A. Bockstefl)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)
1. AUFLAGE: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 7, 1958), S. 172f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>