Hanslik, Rudolf; eigentl. Hanzlik (1907–1982), Altphilologe und Patristiker

Hanslik Rudolf, eigentl. Hanzlik, Altphilologe und Patristiker. Geb. Wien, 15. 5. 1907; gest. ebd., 29. 6. 1982; röm.-kath. Sohn des Volksschullehrers Rudolf Hanzlik und dessen Frau Hermine, geb. Willvonseder. – H., dessen Interesse zunächst der Musik galt, trat seit seiner Gymnasialzeit bis 1928 immer wieder als Geiger auf. Auch während seines Studiums an der Universität Wien ab 1925 belegte er anfangs zusätzlich musikwissenschaftliche Lehrveranstaltungen, ehe er sich ganz der klassischen Philologie zuwandte. Bei Ludwig Radermacher dissertierte H. über „Themis und Dike“ (Auszug in: Opuscula Philologica 4, 1929), promovierte 1929 und legte 1930 die Lehramtsprüfung ab. Während des folgenden Schuldiensts verlor er nie den Kontakt mit der Wissenschaft, konzentrierte sich unter dem Einfluss von →Edmund Hauler und →Alfred Kappelmacher aber bald auf die Latinistik. Seine ersten Publikationen galten v. a. der römischen Briefliteratur und dem frühen Christentum. Gleichzeitig erschienen seine ersten Artikel in „Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft“ (RE), zu deren produktivsten Mitarbeitern er, insbesondere im Bereich der Prosopographie, bald aufstieg. Selbst der Militärdienst 1940–45 konnte seine wissenschaftliche Tätigkeit nicht völlig unterbrechen, denn 1941 und 1943 erschienen seine ersten Forschungsberichte zu den beiden Plinii, die er, ebenso wie später zu Tacitus, über Jahrzehnte fortführte. Eine schon weitgehend abgeschlossene Habilitationsschrift war nach dem Krieg unauffindbar. Dennoch habilitierte sich H. (neben seiner Tätigkeit als Lehrer am Akademischen Gymnasium in Wien) schon 1947 bei Karl Mras mit Prolegomena zur Ausgabe von Cassiodors „Historia ecclesiastica tripartita“. Diese von Walter Jacob, der im Krieg gefallen war, begonnene Ausgabe wurde von H. für das „Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum“ (CSEL) fertiggestellt (Cassiodori Epiphanii Historia ecclesiastica tripartita, CSEL 71, 1952). 1951 wurde H. zum ao. Professor für klassische Philologie an der Universität Wien und 1960 auf ein für ihn dort geschaffenes Ordinariat berufen, nachdem er einen Ruf an die Universität Graz abgelehnt hatte. 1968/69 war er Dekan der philosophischen Fakultät, an der er sich lange Jahre intensiv für die Lehramtsausbildung engagierte; 1977 Emeritus. Schon ab 1959 war H. korrespondierendes, ab 1962 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, wo er sich um die Kirchenväterkommission (seit 1964 als deren Obmann), die für die Herausgabe des CSEL verantwortlich war, größte Verdienste erwarb. H.s Hauptwerk war seine Ausgabe der „Regula Benedicti“ (CSEL 75, 1960; 2. Aufl. 1977), die erste auf vollständiger handschriftlicher Grundlage. Ebenfalls für das CSEL arbeitete er an einer Ausgabe von Hilarius’ „De trinitate“, die aber nicht mehr zum Abschluss kam. Auch als Wissenschaftsorganisator war H. höchst erfolgreich: Als Grundlage für spätere Editionen ließ er die gesamte Augustinus-Überlieferung aufarbeiten, wobei 29 bis dahin unbekannte Briefe des Kirchenvaters entdeckt wurden (ed. Johannes Divjak, CSEL 88, 1981). Nicht zuletzt war H. auch Initiator eines EDV-basierten „Lexicon Augustinianum“. Im paganen Bereich lieferte H. gleichfalls wichtige Beiträge, speziell zur augusteischen Dichtung und zur nachaugusteischen Prosa. Von besonderer Bedeutung ist seine nach langen Vorarbeiten publizierte Ausgabe des Properz (1979), auch diese auf vollständiger handschriftlicher Grundlage. Die seit den 1950er-Jahren viel diskutierte Frage der Überlieferung von Tacitus’ „Annalen“ 11–16 und der „Historien“ brachte er in Zusammenarbeit mit Dissertanten und Mitarbeitern zu einer allgemein anerkannten Lösung. Als besonders fruchtbringend erwiesen sich seine ersten Impulse zur Erweiterung der Wiener Latinistik über die Antike hinaus, die letztlich zu einer, auch international anerkannten, Etablierung von Mittel- und Neulatein an der Universität Wien führten. H. wurde 1963 mit dem Komturkreuz des päpstlichen Silvesterordens, 1967 mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse und 1978 mit der Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold ausgezeichnet.

Weitere W.: Die Augustusvita Suetons, in: Wiener Studien 67, 1954; Der Erzählungskomplex vom Brand Roms und der Christenverfolgung bei Tacitus, ebd. 76, 1963; 100 Jahre Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, in: Anzeiger der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 101, 1965; Tacitus 1939–72, in: Lustrum 16–17, 1971/72–73/74. – Ed.: C. Plini Secundi Epistulae. Panegyricus, 3. Aufl. 1958 (Überarbeitung der Ausg. von M. Schuster).
L.: W. Kraus, in: Almanach Wien 132, 1982, S. 345ff. (mit Bild); K. Zelzer, in: Regulae Benedicti Studia 10–11, 1981/82, S. 11ff.; F. Römer, in: Anzeiger für die Altertumswissenschaft 35, 1982, S. 285; F. Römer, in: Gnomon 5, 1983, S. 284ff.; B. Ellegast, in: Erbe und Auftrag 59, 1983, S. 91ff.; H. Petersmann, in: Eikasmos 4, 1993, S. 249ff.; F. Römer – H. Schwabl, in: Geschichte der österreichischen Humanwissenschaften 5, ed. K. Acham, 2003, S. 104ff.; F. Römer u. a., in: Reflexive Innensichten aus der Universität, ed. K. A. Fröschl u. a., 2015, S. 572f.; UA, Wien.
(F. Römer)   
Zuletzt aktualisiert: 27.11.2017  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 6 (27.11.2017)