Hanus (Hanuš), Heinz (Heinrich) (1882–1972), Schauspieler, Filmregisseur und Funktionär

Hanus (Hanuš) Heinz (Heinrich), Schauspieler, Filmregisseur und Funktionär. Geb. Wien, 24. 5. 1882; gest. Bad Aussee (Steiermark), 16. 3. 1972. Sohn des Seidenhutmachers Matthias (Mathias) Hanus, Bruder des ebenfalls als Filmregisseur tätigen Emmerich (Emerich) Hanus (1879–1956). – H. wuchs zunächst im mährischen Neutitschein und später in Wien auf, wo er die Lehranstalt für Textilindustrie besuchte. Nach dem Abschluss derselben war er als Musterzeichner von Seidenstoffen tätig. Eine durch die Giftstoffe in den Farben verursachte Darmvergiftung zwang ihn jedoch zum Berufswechsel, weshalb er fortan als Bauzeichner arbeitete. Darüber hinaus führte ihn sein künstlerisches Interesse ans Theater, wo er trotz autodidaktischer Schulung ab 1905/06 als hauptberuflicher Schauspieler an diversen Provinzbühnen und in Wien (Kabarett Fledermaus, Neues Volkstheater, Neue Wiener Bühne) auftreten konnte. In dieser Zeit kam H. auch mit der neuen Filmbranche und dem Filmpionier →Gustav Anton Kolm in Kontakt, mit dem er erste gemeinsame kinematographische Experimente wagte. 1908 soll schließlich der erste österreichische Spielfilm „Von Stufe zu Stufe“ entstanden sein, bei dem H. u. a. Regie führte. Die Existenz des Films wird aber wegen des Fehlens einer Kopie und mangels zeitgenössischer Hinweise von der filmwissenschaftlichen Forschung infrage gestellt. Dennoch muss H., der die Anfänge der Kinematographie miterlebt hatte, zu den österreichischen Filmpionieren gezählt werden. Seine diesbezüglichen Bemühungen wurden allerdings durch den 1. Weltkrieg unterbrochen. 1915 wurde H. eingezogen, nur während eines krankheitsbedingten Fronturlaubs im Frühjahr 1916 konnte er erneut an einem Film („Wien im Krieg“) mitwirken. Nach Kriegsende beteiligte sich H., der sich nun ausschließlich dem Film widmen wollte, am Aufbau der jugoslawischen Filmproduktion in Zagreb, indem er als Regisseur der Jugoslavia-Film mehrere abendfüllende Filme gestaltete. Anschließend war er 1920–22 als künstlerischer Leiter und Oberregisseur für die Astoria-Film in Wien tätig, wo ihm mit „Fatmes Errettung“ der erste Farbfilmversuch Österreichs gelang. Sein Engagement bei der Astoria gab H. jedoch auf, um ab 1923 als unabhängiger Filmregisseur und -produzent zu arbeiten. Im Mai 1925 gründete er außerdem seine eigene Filmfirma, die Hanus-Produktion. In diesen Jahren begann auch H.s gewerkschaftliche Aktivität. Laut eigener Aussage war er 1920 einer der Initiatoren der Vereinigung der Filmregisseure Wiens, die bereits Ende 1922 zum Filmbund, dem Dachverband der Filmschaffenden Österreichs, umgebildet wurde. Seine Verpflichtungen als erster Präsident des Filmbunds führten allerdings dazu, dass H. seine aktive Tätigkeit für den Film zurückstellen musste. Seine letzten Regiearbeiten stammen aus den 1930er-Jahren, wie der Film „In der Theateragentur“ (1930), der als einer der ersten österreichischen (Kurz-)Tonfilme gilt. Den Filmbund leitete H. von 1922 bis zu seiner von den Nationalsozialisten forcierten Auflösung 1934. Anschließend wurde H., der nach eigenen Angaben ab 1933 NSDAP-Mitglied war, als geschäftsführender Obmann der Gewerkschaft der Filmschaffenden Österreichs und ab 1938 als Leiter der Fachschaft Film in der Reichsfilmkammer (Außenstelle Wien) eingesetzt. Zwar ist H.’ nationalsozialistische Vergangenheit bisher noch nicht ausreichend aufgearbeitet worden, es kann aber als sicher gelten, dass er zumindest die Sammlung der Namen von jüdischen Filmschaffenden befürwortet hat. Nach 1945 zog H. sich ins Privatleben zurück, um in späteren Jahren den Filmbund wiederzubeleben, dessen Präsident er 1953–63 zum zweiten Mal war. Parallel dazu widmete er sich der Schulung des Nachwuchses. Schon vor dem 2. Weltkrieg lehrte H. an Wiener Tonfilmschulen und gab Privatunterricht. Zusätzlich hielt er in der Nachkriegszeit Vorträge und arbeitete bei Ausstellungen und Dokumentationen als Zeitzeuge mit. Für seine Verdienste um den österreichischen Film bekam H. den Titel Professor verliehen (1960) und erhielt als Erster die Ehrenmedaille des Österreichischen Filmarchivs (1968). Seinen Lebensabend verbrachte er in Bad Aussee.

Weitere Filme: s. Edler; Krenn; Jung; Weniger. – Publ.: 50 Jahre österreichischer Film, 1958.
L.: H. Edler, H. H., phil. Diss. Wien, 1983 (mit Bildern und Filmographie); P. Schauer, Filmarbeit in Theresienstadt, 1988, S. 43ff.; W. Fritz, Kino in Österreich (1929–45), 1991, S. 103, 107; G. Krenn, Von Stufe zu Stufe, 1993 (mit Bildern und Filmographie); U. Jung, in: CineGraph 30, 1998 (mit Filmographie); K. Weniger, Das große Personenlexikon des Films 3, 2001 (mit Filmographie); Filmarchiv Austria, WStLA, beide Wien.
(A. Denk)   
Zuletzt aktualisiert: 10.12.2019  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 8 (10.12.2019)