Hartig, Franz Gf. (1789-1865), Politiker

Hartig Franz Graf, Staatsmann. * Dresden, 5. 6. 1789; † Wien, 11. 1. 1865. Der Vater Franz de Paula, Dichter und Staatswiss., Präs. der Kgl. Böhm. Ges. d. Wiss., mit K. Joseph II. befreundet und zuletzt k. Gesandter am Dresdener Hof, starb bald nach seiner Geburt. Die vortreffliche Erziehung leitete die Mutter, eine Tochter des Kabinettsmin. Colloredo. 1809 trat H. in die Staatskanzlei ein, wandte sich aber bald dem Verwaltungsdienste zu, wo er sich der Gunst des einflußreichen Min. Gf. Saurau erfreute. 1811 bei der niederösterr. Statthalterei, 1814/15 Zivilkomm. in Frankreich. dann Gubernialrat in Brünn, 1819 Hofrat und Referent der Vereinigten Hofkanzlei. 1825–30 Gouverneur in der Steiermark, 1830 Gouverneur in der Lombardei. Hier gelang es ihm, durch Milderung des Polizeiregimes, Förderung der Disziplin im Beamtenkörper und durch gleichzeitiges Eingehen auf die berechtigten Wünsche der Italiener die Lage zu entspannen, eine Tatsache, die auch dem Verlauf der Krönungsreise K. Ferdinands zugute gekommen ist (1838). Auf H.s Initiative ging z. B. die Reorganisierung von Kunst und Wiss. zurück, aber auch dem Verkehrswesen schenkte man erhöhte Aufmerksamkeit. Die Lombardei galt damals sogar als bestverwaltete Provinz des Kaiserreichs. H.s persönliche Haltung während der Cholerapanik 1836 blieb lange unvergessen. Nach zehnjähriger Tätigkeit in Italien kehrte H. Ende 1840 als Staats- und Konferenzmin., Chef der Sektion des Staatsrats für innere Verwaltung und Finanzen, nach Wien zurück. Seine anonym erschienene „Genesis der Revolution“ führte bald den „stärksten literar. Schlag gegen die Revolution“. Mit ihrer antiständ. Tendenz erregte sie zu ihrer Zeit großes Aufsehen. Mit dem geflüchteten Staatskanzler verband H. viel gegenseitiges Verständnis und als dessen „Gewissens- und Glaubensgenosse“ teilte er längere Zeit das Los des Abseitsstehens während des Bachschen Neuabsolutismus. Erst 1858 holte ihn Handelsmin. Bruck an die Spitze der Immediatkomm. zur Regelung der direkten Steuern. Dann wurde H. von K. Franz Joseph in den verstärkten Reichsrat berufen, wo er beim Umbau des Staates gegen die vorherrschende, einseitig föderalist. Strömung einen mäßigen Zentralismus vertrat. Vielfach geehrt und ausgezeichnet, u.a. Mitgl. des Herrenhauses, Ehrenbürger von Wien, Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies.

W.: Das k. Manifest 1848 oder freimütige Bemerkungen über die österr. Herrschaft im lombardo-venezian. Königreiche, 1848; Die niederösterr. Landstände und die Genesis der Revolution in Österr. i. J. 1848, 1849, 3. verbesserte Aufl. 1850, engl.: Genesis or Details of the Late Austrian Revolution, 1853; Nachtgedanken im Februar 1851 (unter dem Ps. Gotthelf Zurecht), 1851; etc.
L.: Furche vom 1. 1. 1950; K. Czoernig, Biograph. Skizze des Gf. F. v. H., 1865; Österr. Revue, Bd. 3, 1865; Metternich-Hartig, Ein Briefwechsel des Slaatskanzlers aus dem Exil 1848–51, hrsg. von F. Hartig, 1923 (Einleitung); Jb. des öffentlichen Rechts, Bd. 3, 1923; H. v. Srbik, Metternich, Bd. 2, 1925; Bll. für Heimatkunde, hrsg. vom Hist. Ver. der Stmk., Jg. 14, 1936, S. 77–97; F. Walter, Geschichte der österr. Zentralverwaltung 1790–1848, 1956; Kosch, Das kath. Deutschland; Wurzbach; ADB; Enc. It.
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 2 (Lfg. 8, 1958), S. 193
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